D ie rechten Fahrspuren der Niederwerrner Straße stadtaus- wie -einwärts sind zugeparkt wie zu besten Volksfest-Zeiten. Der Menschenstrom will gar nicht abreißen. Am einzig geöffneten Eingangstor der Ex-Ledward-Kaserne, nunmehr Hoheitsgebiet der Stadt Schweinfurt, steht in schmucker kanadischer Uniform ein – nein, kein Soldat. Er war mal einer in der kanadischen Armee, jetzt ist er Mitglied der Sicherheitsfirma, die im Auftrag der Stadt das Gelände bewacht. Und Eddy MacLean sorgt in seiner Sergeant-Master-Kluft dafür, dass kein Auto reinfährt, und gibt den Besuchern Tipps, wo sie was in der nicht eben kleinen Kaserne finden. Das mit der Uniform war seine Idee – Konversionschef Hans Schnabel fand sie gut.
Am „Sergeant-Master“ MacLean – das mit Abstand begehrteste Fotomotiv – kommt keiner vorbei, der am Samstag und Sonntag, den Tagen der offenen Tür, die Kaserne besichtigen will. Und das sind viele, Tausende. „Als wir am Samstag um 10 Uhr geöffnet haben, sind schon 100 vor dem Tor gestanden“, sagt Karl-Heinz Beck vom städtischen Liegenschaftsamt. Über 5000 Besucher dürften zum Kasernenrundgang gekommen sein. Weil der auch hungrig und durstig macht, hatten die Versorgungsstationen alle Hände voll zu tun. Vor dem „Black Burger Beast“, einem Nostalgie-Truck, in dem die amerikanische Nationalspeise zubereitet wird, bilden sich lange Schlangen – so um 16 Uhr ist das „Burger Beast“ am Samstag sozusagen leergefuttert und der Bratwurststand etwas später ebenso.
Am Sonntag ist der Andrang nicht minder stark. Kurz nach dem Eingang ist linkerhand das einstige Mannschaftsgebäude Nr. 207 geöffnet, das laut Rundgangsplan eigentlich geschlossen ist, wie übrigens die meisten der Häuser. „Alle zu öffnen, wäre aus Sicherungsgründen gar nicht möglich“, sagt Jürgen Folk, im Liegenschaftsamt für Konversion zuständig. Das Mannschaftsgebäude wurde auf Anfrage im Nachhinein zugänglich gemacht, „damit die Besucher auch sehen, wie die einfachen, ledigen Soldaten untergebracht waren“, so Folk. Es waren einfache Verhältnisse: grau gekachelt der lange Flur, links und rechts geht's in die Stuben, zwischen diesen Wasch- und Duschräume. Wohnlich geht wohl anders, aber eine Kaserne ist kein Wellnesstempel, und die meisten der Gebäude stammen noch aus Wehrmachtszeiten, den 1930er-Jahren. Bevor diese die Amerikaner nach Kriegsende bezogen, war es eine „Panzerkaserne“ der Wehrmacht.
Viel sieht man ja wirklich nicht in den acht Gebäuden und Hallen, die für die Bevölkerung geöffnet wurden – und in den mehrgeschossigen Häusern jeweils nur das Erdgeschoss: komplett leere Räume, besenrein verlassen. Nur im zentral gelegenen Gebäude Nr. 206 zeugen noch zwei große, zurückgelassene Holztafeln von seiner einstigen Verwendung: „US Army Garrison Schweinfurt“ steht darauf – hier war das frühere Hauptquartier der Garnison. Einige etwas edler ausgestattete Zimmer – mit Teppichboden statt Linoleum, oder Holzwänden – lassen erahnen, dass hier vielleicht der Kommandeur mit seinem Stab residiert haben könnte.
Auch in der „Health Clinic“ (Krankenhaus) wandert die neugierige Bürgerschaft auf alten Linoleumböden von einem Raum zum anderen. Einige überlegen, wie viele Betten wohl im Zimmer standen. Die Steckdosen an den über Putz liegenden Kabelschächten können einen Hinweis darauf geben. „X-Ray – in use do not enter“ steht über der früheren Röntgenkammer. Genau dort, im südöstlichen Teil der Kaserne, wo die Klinik liegt, soll sich die Fachhochschule mit ihrem i-Campus erweitern. Bereits im kommenden Wintersemester könnten dort Studenten untergebracht werden.
Wer alle acht Gebäude besichtigt – auch Fahrzeughalle, Kino, Turnhalle, Kapelle (sehr schlicht), hat die Kaserne fast umrundet und damit auch etwas für seine Gesundheit getan. Zwischen den Gebäuden erstrecken sich in der Mitte und dem nördlichen Teil der Ex-Kaserne größere asphaltierte und betonierte Flächen, die erahnen lassen, in welchem Umfang hier Stadtentwicklung möglich ist. Der Bereich im Südwesten, in dem ab Juli für fünf Jahre die Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber und Flüchtlinge hergerichtet wird, ist nicht zugänglich – „aus Sicherheitsgründen“, wie der Kasernenplan ausweist, den die Besucher zur besseren Orientierung bekamen. Dieses Areal ist derzeit Baustelle.
Geduldig beantworten Folk und Beck die Fragen der Besucher, auch die, wann Häuschen der Amerikaner verkauft werden. Einer will schon mal sein Interesse anmelden. Er ist nicht der Einzige. Ganze Familien ziehen am Samstag und Sonntag durch die Kaserne: ein Ausflug nach Ledward. Zwischen 8000 und 10 000 Besucher haben am Sonntag das Kasernentor passiert. „Soldat“ Eddy MacLean wird schon wieder fotografiert – mit zwei Kindern im Arm, die um die Wette strahlen.