

Bürgermeister Friedl Heckenlauer ließ sich nicht lumpen. Zum Besuch des Landrats Florian Töpper ließ er die Landkreisfahne aufziehen, was dieser sofort lobend registrierte.
Töpper hatte die Landkreisbürger wieder eingeladen, mit ihm auf Sommertour zu gehen. Sein Ziel, der Stadtlauringer Ortsteil Oberlauringen, der seit Jahren seinem berühmtesten Sohn, dem Dichter, Gelehrten, Orientalisten und Sprachgenie Friedrich Rückert Denkmäler setzt.
„Wer den Dichter will verstehen, muss in Dichters Lande gehen“, wusste schon Johann Wolfgang von Goethe. Rückerts Kindheits- und Jugendlande liegen in Unterfranken. Christa Kebschull, Hans Mader und Klaus Derleder führten die Gäste des Landrats durch die Kinder- und Jugendjahre Rückerts, der als Vierjähriger nach Stadtlauringen kam und dort bis zu seinem 14. Lebensjahr weilte. „In der Zeit also, die einen Menschen maßgeblich prägen“, meinte Derleder nicht ohne Stolz.
Lausbubenjahre in Oberlaurinen verlebt
1792 wurde der Vater Johann Adam Rückert als Rentbeamter nach Oberlauringen versetzt. Rückert landet in einer neuen Welt. In seinem Werk „Des Dorfamtmannsohnes Kinderjahre“ erinnert Rückert später, 41-jährig, an diese Zeit. Vor allem mit seinem Bruder Heinrich verlebt er hier naturverbundene Lausbubenjahre, spielt Streiche, rauft sich mit anderen Buben: eben ein ganz normales Kinderleben auf dem Land. Wobei die beiden gerne die Rolle der Anführer übernahmen. Drei Schwestern bekommt Rückert in dieser Zeit, alle drei starben noch als Kinder. Vier seiner Geschwister und die Großmutter sind auf dem Friedhof in Oberlauringen begraben.
Die alte Schule ist heute Rückert-Herberge, auch Rückert selbst hat sie besucht, es herrschte schon damals Schulpflicht, erzählt Derleder. Weit mehr in Erinnerung geblieben ist dem späteren Dichter aber die Winterschule, von der er später in einem Gedicht erzählt: „Der Pfarrherr auf dem Polsterstuhle, die Pelzmütz‘ überm Ohr“, öffnete dem jungen Friedrich „der Weisheit Tor“.
Derleder zeigt das ehemalige Pfarrhaus. Launisch, humorvoll und nicht selten ironisch denkt der Dichter an seine Jahre in Oberlauringen zurück. Da erfahren die Gäste, dass hier nicht der Storch die Kinder brachte, sondern „die Frau Walze“ sie aus dem „Weihersbach geholt hat. Sie lernen den „Dorfkrautschneider Graumann“ kennen, der stets ein „Küppchen Finger“ mit ins Kraut schnitt.
„Er war immer unzufrieden mit sich“
Beim Betrachten der ehemaligen Poststation, einer Umspannstation zwischen Schweinfurt, Königshofen und Thüringen, lernen die Teilnehmer „die Muhmen aus der Stadt“, Tanten Friedrichs kennen, deren Strohblumen auf dem Hut er durch frische Feldblumen ersetzte, nicht gerade zur Freude der Muhmen.
Derleder wirft einen Blick auf die Persönlichkeit des Poeten: „Er war immer unzufrieden mit sich.“ Er sei Gelehrter geworden, weil man als Dichter keine Familie ernähren kann, habe der Dichter einmal gesagt.
Dann führt er die Gäste zur Rückert-Pforte, dem Eingang zum Amtmannshaus. Über der Pforte das Wappen der Truchsess von Wetzhausen, deren damaliges Wasserschloss dem Amtshaus gegenüber lag. Geht man die Stufen nach oben, steht man im Rückertgarten. Er ist geschmückt mit Stelen, auf denen Verse aus Rückertgedichten zu lesen sind. Jahrzehntelang gingen hier die Kindergarten- und Grundschulkinder vorbei und die Mitglieder des Rückert-Arbeitskreises hofften, bei diesen Kindheitserinnerungen an den berühmten Sohn der Gemeinde grundzulegen. „Das sind die Weisen, die durch Irrtum zur Wahrheit reisen, die beim Irrtum verharren, das sind die Narren“, steht da beispielsweise zu lesen.
Weisen ganz anderer Art gibt es dann an der Pforte. Kebschull spielt eine Vertonung des Gedichts „Aus der Jugendzeit“ vor. Noch vor einem Jahr endeten die Führungen an dieser Pforte, erzählt Derleder. Jetzt aber würden sie gekrönt durch einen Besuch des Rückert-Poetikums. Hier lernen die Besucher das Bauerndorf Oberlauringen kennen, erleben Rückert als politischen Menschen, der in seinen geharnischten Sonetten gegen Napoleon wettert, ebenso wie den Familienmenschen, den Poeten und Gelehrten.
Viele seiner Gedichte können angehört und in der Originalschrift gelesen werden – mit „Übersetzungshilfe“ für alle, die der alten deutschen Schrift nicht mehr mächtig sind.
In diesem multifunktionalen Museum krönt das Rückert-Themendorf seine Erinnerungskultur an den Weltpoeten. Zwei Prägungen verdankt er wohl seiner Kindheit auf dem Lande: seine Naturverbundenheit und -philosophie, die er im Gedicht vom indischen Brahmanen zum Ausdruck bringt: „Er hat die Eigenheit, nur Einzelnes zu sehn, doch alles Einzelne als Ganzes zu verstehn.“
Und auch seine Liebe zu Märchen wird bereits in der Kindheit auf dem Lande geweckt. Als Dichter wird er selbst später Märchen schreiben, wie das „Vom Bäumchen, das andere Blätter hat gewollt“.