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SCHWEINFURT/SCHONUNGEN
Aus zwei mach eins
Die Stadt will das Gymnasium am Rathenau aufgeben und die Realschule Schonungen gemeinsam mit dem Kreis betreiben. Sie soll nach Schweinfurt umziehen.
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Foto: Anand Anders
Hannes Helferich
 und  Josef Schäfer
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:07 Uhr

1965 beschloss der Stadtrat, die aus der Knabenmittelschule entstandene „Höhere Handelsschule“ ab dem Schuljahr 1966/67 zum Wirtschaftsgymnasium auszubauen. Seit 1978 trägt das Gymnasium mit Realschule den Namen Walter Rathenau. Seitdem gibt es aber auch keine Haushaltsdebatte mehr, in der nicht die Verstaatlichung dieser mit jährlich rund fünf Millionen Euro sündhaft teuren Angelegenheit gefordert wird. Jetzt scheint das Rathaus im Zusammenspiel mit dem Landkreis eine Lösung gefunden zu haben, die für beide Seiten positive Aspekte hat. Der Betrieb des Rathenau-Gymnasiums soll schrittweise auslaufen, bis der letzte Jahrgang – der ab diesem Schuljahr 2016/17 – sein Abitur macht, also 2023/24.

Das Rathenau würde ab diesem Zeitpunkt in die Staatliche Realschule Schonungen verlagert. Es entstünde bis zum endgültigen Übergang eine mit 1100 Schülern sehr große Staatliche Schule in Schweinfurt.

Einziger Verlierer ist zunächst die Gemeinde Schonungen mit ihren differenzierten Interessen. Die Realschule befindet sich in der früheren Hauptschule, die Pläne zum Bau einer neuen Grundschule in der Nachbarschaft sind weit gediehen. Zudem ist die Realschule erst vor drei Jahren in die Eigenständigkeit entlassen worden und heimst für ihre Arbeit regelmäßig Preise ein.

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Foto: Anand Anders

Daher ist der Umkehrschwung für Bürgermeister Stefan Rottmann eine bittere Pille, wie er bei einem Gespräch mit der Redaktion, mit dabei auch OB Sebastian Remelé und Landrat Florian Töpper, am Freitagnachmittag zugab. Er erwartet Lösungen und Entgegenkommen, das zu geben der Landrat signalisierte. Das Spektrum reicht dabei von Filiale der neuen Schweinfurter Groß-Realschule bis hin zur Unterbringung der Grundschule im Gebäude auf dem Kreuzberg. Letzteres sieht Rottmann momentan aber nicht als Option. Das Gebäude sei zu groß und die vielen Fachräume für einen Grundschulunterricht ungeeignet.

Wie kam es überhaupt zum Deal? Im Sommer 2015 haben sich Stadt und Landkreis dazu entschieden, einen gemeinsamen Schulentwicklungsplan erstellen zu lassen. Ziel war auch, eine gemeinsame Gestaltung der Schullandschaft.

Erste Ergebnisse zeigten, dass sich die Schülerzahlen in den nächsten 15 Jahren nicht allzu stark verändern werden. Bei den vier Gymnasien fand allerdings seit 2009/10 ein deutlicher Rückgang statt, während das Interesse an der Realschule blieb bis wuchs. Seit 2009/2010 ist die Zahl der Schüler an den vier Gymnasien Humboldt, Olympia-Morata, Walther-Rathenau und Celtis in der Trägerschaft des Landkreises um knapp 1000 gesunken – von 4118 auf nur 3180 im Schuljahr 2015/16. Tendenz weiter sinkend. Konkret hieße das: In Schweinfurt besteht kein Bedarf mehr für vier Gymnasien.

Der Deal sieht nun so aus, dass zum Schuljahr 2016/2017 der letzte Jahrgang mit wohl drei Klassen im Rathenau startet. Die Stadt garantiert also einen Bestand für die nächsten acht Jahre, was für alle Rathenau-Gymnasiasten samt ihrer möglicherweise besorgten Eltern heißt: Die Qualität bis zum Abitur ist gesichert.

Sicherheit gibt es auch für die Lehrer. Remelé schließt betriebsbedingte Kündigungen aus. Wegen des hohen Altersdurchschnitts am Rathenau (58 Jahre) wird ein großer Teil des Personals also ohnehin „rechtzeitig“ in den Ruhestand gehen. Und: Mit dem noch einige Zeit dauernden Wegfall eines Gymnasiums würden die verbleibenden drei staatlichen Gymnasien gestärkt.

Trotz unterschiedlicher Gemütslage ein Lächeln fürs Foto, von links Landrat Florian Töpper, Schonungens Bürgermeister Stefan Rottman und Oberbürgermeister Sebastian Remelé. Oben die Realschule Schonungen, links das Rathenau.
Foto: Anand Anders/Hannes Helferich | Trotz unterschiedlicher Gemütslage ein Lächeln fürs Foto, von links Landrat Florian Töpper, Schonungens Bürgermeister Stefan Rottman und Oberbürgermeister Sebastian Remelé.

Den Vorschlag, die Staatliche Realschule Schonungen ins Rathenau-Gebäude zu verlegen und mit der Rathenau-Realschule zusammenzulegen, hat die Stadt dem Kreis unterbreitet – der Platz für eine solche große Schule ist vorhanden. Im Auge hat man als Dach einen Schulzweckverband von Stadt und Landkreis. Aus dem Kultusministerium vernahm Remelé positive Signale für den Plan, dem im Juni der Stadtrat zustimmen soll. Die Beschlüsse im Landkreis sollen später erfolgen.

OB Remelé sprach von keiner populären, mit Blick auf die Region und Steuergelder aber von einem zukunftsträchtigen Modell. Aufgrund der genannten positiven Effekte und Synergien steht auch Landrat Töpper hinter dem „Konstrukt“. Die bewährten pädagogischen Ausrichtungen – wirtschaftlich-wissenschaftlich am Rathenau, musisch in Schonungen – bleiben erhalten, kündigte Töpper an. Die Fraktionsvorsitzenden sowohl des Kreistags wie auch des Schweinfurter Stadtrats kennen das Konzept. Sowohl die Lehrer in Schonungen und Schweinfurt sind informiert worden.

Kritischer Rottmann

Kritisch sieht diese Entwicklung allerdings Schonungens Bürgermeister Stefan Rottmann, der in dieser Woche den Gemeinderat in Kenntnis gesetzt hat. Für ihn ist der Neubau der Grundschule eine der wichtigsten Investitionen in die Zukunft. Die Gebäude der jetzigen Grundschule sind marode, weswegen sich die Kommune zu durchaus umstrittenen millionenschweren Neuinvestition durchgerungen hat. Bei den Planungen habe man mit dem langfristigen Standort der Realschule gerechnet. Er wolle daran festhalten.

Rottmann äußerte seine Befürchtung, 2024 eine neu gebaute Grundschule zu betreiben – in der Nachbarschaft einer leer stehenden Immobilie. Ein Leerstand, so Landrat Töpper, sei nicht die Absicht. Man wolle mit Schonungen „offensiv“ eine gemeinsame Lösung finden. Es ist davon auszugehen, dass es schon am Dienstag im Gemeinderat erste Diskussionen gibt.

 
 
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Kommentare
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  • Tpi1988
    Es ist eine Schande für die Stadt Schweinfurt.
    Man will, nur um einen Finanzposten im Stadthaushalt los zu werden, eine wichtige, gut funktionierende, und hoch inovative Schule abwickeln.
    Wird sich die Finanzverwaltung gegen die Interessen eines guten Bildungsangebots für unsere Kinder in Schweinfurt durchsetzen?
    Ich hoffe nicht.
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  • irgendwas
    Der Satz "Die Qualität bis zum Abitur ist gesichert." klingt für uns als betroffene Eltern ("dummerweise" haben wir unseren Sprössling für kommendes Jahr am WRG angemeldet) wie blanker Hohn. Es wird uns doch keiner weis machen wollen, dass die verbliebenen Klassen bis ins letzte Schuljahr alle Angebote und Möglichkeiten eines aktiven Schullebens haben werden, die es in einer noch 'lebenden' Schule geben würde. Wäre schön gewesen, solch weitreichende Entscheidungen der Stadt VOR der Schuleinschreibung vor einigen wenigen Wochen zu verkünden.
    Naja, immerhin muss nach dem Abiball keiner mehr aufräumen...
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  • rennschnecke21@web.de
    Was für ein schäbiges Timing. Da lässt man einen ganzen Viertklässler-Jahrgang ins offene Messer laufen, sich hoffnungsfroh für 2016/17 anmelden - und macht diese 80-90 Schüler und deren Familien - vier Wochen später (!) - mir nichts dir nichts zu unfreiwilligen Sargträgern fürs WRG. Pfui Spinne!
    Hätte ich DAS mal vor der Anmeldung gewusst...! Muss ich jetzt den Klageweg beschreiten, um aus dieser Falle raus und noch in ein anderes Gymnasium rein zu kommen? Ich wünsche meinem Kind eine psychisch weniger belastende Schullaufbahn?! Zwei Nächte mit schlechtem Schlaf habe ich hinter mir.
    Wäre das G8 nicht, dann gäbe es auch den Schülerzahl-Rückgang an den Gymnasien nicht. Wird es die vom Rektor im März angepriesene Mittelstufe plus am WRG nun überhaupt noch geben? Und wenn bis 2024/25 das G9 wieder eingeführt wird, dann möchte ich die Herren Töpper und Remelé bei der WRG-Abifeier 2024/25 sehen, wenn ihre drei Gymis aus allen Nähten platzen und sie die jetzige Entscheidung bitter bereuen.
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