Seit 1. Januar 2020 ist Gesetz, was seit Jahren schon in Schweinfurt freiwillig praktiziert wird: die generalistische Pflegeausbildung. Als einzige Krankenpflegeschule in Unterfranken ist die am St.-Josef-Krankenhaus angegliederte Berufsfachschule 2011 in einen Modellversuch des Freistaats Bayern eingestiegen, bei dem drei Berufsbilder zu einer generalistischen Ausbildung mit dem Abschluss als Pflegefachfrau/Pflegefachmann zusammengeführt wurden. "Für uns war damals schon klar, dass die Entwicklung dahin gehen wird", sieht Schulleiter Elmar Pfister sich jetzt bestätigt.
Krankenpflege, Kinderkrankenpflege oder Altenpflege? Diese Frage haben Auszubildende bisher gleich zu Beginn der Ausbildung beantworten müssen. Sehr früh also, wenn man noch gar keinen Einblick in die einzelnen Pflegebereiche gewonnen hat. Annegret Wilk hat sich vor drei Jahren bewusst in der Krankenpflegeschule des St.-Josef-Krankenhauses beworben, weil sie diese Entscheidung nicht treffen wollte und hier erst einmal in alle Bereiche hineinschnuppern konnte. Heute ist sie darüber froh. Damals glaubte sie nämlich, ihre Zukunft könnte im Bereich der Kinderkrankenpflege liegen. Jetzt weiß sie: "Das ist nichts für mich." Sie möchte viel lieber auf der Intensivstation arbeiten. "Das gefällt mir am besten", hat die 23-Jährige im Laufe ihrer Ausbildung festgestellt. Heuer macht sie Prüfung und hat sich schon um eine Stelle auf der Intensivstation im St.-Josef-Krankenhaus beworben.
Auch die Politik hat erkannt, dass starre Strukturen in der sich verändernden Gesellschaft wenig sinnvoll sind. Denn anders als früher verweilen Arbeitnehmer in der modernen Arbeitswelt kaum mehr vom Berufseinstieg bis zur Rente in ihrem gewählten Ausbildungsberuf. Das Pflegeberufegesetz wurde deshalb zum 1. Januar reformiert – nach dem Motto "Aus drei mach eins". Die neue Pflegeausbildung fasst die drei Berufe Krankenpflege, Kinderkrankenpflege oder Altenpflege zu einem Berufsbild zusammen. Sie soll die Qualität der pflegerischen Ausbildung stärken und den Pflegeberuf für junge Menschen attraktiver machen, um die Anzahl an Berufsanfängern wieder zu steigern.
Alle 21 Absolventen wollen in der Pflege bleiben
"Früher hatten wir hunderte Bewerbungen auf wenige Plätze", erinnert sich Schulleiter Pfister. Mit den geburtenschwachen Jahrgängen kam dann der Einbruch. Mittlerweile sei wieder ein leichter Anstieg festzustellen. Heuer sind sogar zum ersten Mal wieder alle 25 Ausbildungsplätze an der Krankenpflegeschule besetzt. Die Schüler kommen aus der gesamten Region, vom Spessart über die Haßberge bis in die Rhön. Mit dem Abschlussjahrgang befinden sich knapp 70 Auszubildende am St. Josef Krankenhaus. Und was Pfister besonders freut: Von den 21 Absolventen, die heuer ihre Prüfung machen, wollen alle in der Pflege bleiben. 19 haben sich sogar im eigenen Haus beworben.
Die neue Pflegefachkraftausbildung dauert genau wie bisher auch drei Jahre. Der theoretische Unterricht findet an den Pflegeschulen, die praktische Ausbildung in mehreren Ausbildungseinrichtungen mit unterschiedlichen Pflegebereichen statt.
Krankenpflegeschule kooperiert mit der Altenpflegeschule
Das St. Josef Krankenhaus kooperiert im Bereich der Altenpflege mit der Berufsfachschule der Caritas in Schweinfurt. Schüler von dort absolvieren ihre Praxisstunden im Krankenhaus und Schüler in der Klinik gehen umgekehrt ins Altenheim. Annegret Wilk arbeitete im Kreisaltenheim Werneck und im St. Elisabeth Seniorenheim in Schweinfurt. 700 Stunden absolvierte sie in der Altenpflege. Künftig sind im Lehrplan nur noch 400 verpflichtend festgeschrieben. Auch beim Roten Kreuz, im Hospiz und in der ambulanten palliativen Versorgung war die 23-Jährige im Einsatz. Ihre pädiatrische Ausbildung bekam sie auf der Kinderstation des Leopoldina Krankenhauses in Schweinfurt.
"Das Besondere unserer Ausbildung sind die vielen unterschiedlichen Praxiseinsätze", verweist Schulleiter Pfister auch auf den Hausdurchlauf der Auszubildenden im St.-Josef-Krankenhaus durch alle Fachabteilungen der Klinik, von der Notaufnahme bis zur Geriatrie. "So bekommen die Schüler einen umfassenden Einblick." Pfister verhehlt nicht, dass es anfänglich vor Ort Bedenken gegen die Zusammenlegung der Ausbildung gab. Man befürchtete, Schüler könnten von einem Bereich in den anderen abwandern und dann in den Häusern für Personalengpässe sorgen. "Das war aber nicht so." In der bislang neunjährigen Zusammenarbeit mit der Altenpflegeschule habe sich der Austausch bewährt.
Das bestätigt Fachlehrerin Melanie Nicola. Die Medizinpädagogin unterrichtet Pflege und Pflegewissenschaft. Sie hält die jetzt gesetzlich festgeschriebene generalistische Ausbildung für den richtigen Weg. "In der Krankenpflege braucht man das Wissen der Altenpflege, und in der Altenpflege muss man Wissen aus der Krankenpflege haben." In der neuen generalistischen Ausbildung lernen Pflegefachkräfte, Menschen aller Altersstufen und Lebenslagen zu betreuen. Ob mit Kinderkrankheiten oder Altersschwäche, ob auf der Intensivstation oder zuhause in den eigenen vier Wänden. Die Ausbildung ist EU-weit anerkannt.
Mit dem neuen Pflegeberufegesetz wird auch ein zusätzliches Pflegestudium eingeführt, das zur unmittelbaren Pflege am Kranken- oder Pflegebett qualifizieren soll; zum Beispiel weil Pflegebedürftige immer häufiger an vielen Krankheiten gleichzeitig leiden und hochkomplexe Pflegebedarfe zunehmen. "Das Pflegestudium eröffnet vor allem neue Karrieremöglichkeiten für Abiturienten", sagt Pfister, und es sei ein wichtiges Signal für die Aufwertung des Berufs.
Ganz so konsequent wie der bayerische Modellversuch ist die neue bundeseinheitliche Pflegeausbildung aber nicht. Denn wem die Generalistik nach zwei Jahren zu schwierig erscheint, dem hat der Gesetzgeber zwei Auswege geöffnet: Für das letzte Jahr darf man doch noch einen spezialisierten Abschluss als Altenpfleger oder Kinderkrankenpfleger wählen. Eine EU-Anerkennung gibt es dafür aber nicht. Da habe der Gesetzgeber sich wohl nicht getraut, den ganzen Schritt zu machen, meint Pfister. "Wir sind hier schon ein Stück voraus."