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OBERNDORF
„Aus dem Atomkraftwerk wird eine Atommüllfabrik“
Hält von Karlsruhe aus nicht still: Atomkraftgegner Harry Block.
Foto: Uwe Eichler | Hält von Karlsruhe aus nicht still: Atomkraftgegner Harry Block.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 25.04.2018 02:24 Uhr

„Herz Jesu-Sozialist“, „vernünftiger Anarchist“: Die Medien haben es nicht leicht, eine kantige Persönlichkeit wie Harry Block zu beschreiben. Pensionierter Berufsschullehrer trifft es auf jeden Fall: Der Atom- und Energiesprecher des BUND Mittlerer Oberrhein gibt mehr als zwei Stunden lang einen Abriss über den Rückbau von Kernkraftwerken, auf Einladung der BA-BI (Bürgeraktion Umwelt und Lebensschutz - Bürgerinitiative gegen Atomanlagen), zu Klängen von „Irma & Fritz“. Es geht um die Risiken der AKW-Demontage, im Feuerwehrhaus Oberndorf, anlässlich der erteilten Rückbau-Genehmigung in Grafenrheinfeld. Man wolle den Ausstieg, sagt Block, aber ebenso eine „Gesamtschau“ über die Vorhaben der hochsubventionierten Konzerne, zu Kosten und Risiken für die Allgemeinheit.

„Dekontaminierung bedeutet die Freisetzung radioaktiver Stoffe“, warnt der einstige Mathematiklehrer. Laut Medizinern gebe es keine echten Grenzwerte für Radioaktivität, jenseits der Rechtslage. Niedrige Strahlendosen seien, über längere Zeit hinweg aufgenommen, vielleicht sogar gefährlicher als eine kurze, heftige Exposition. In den Anlagen falle radioaktives Abwasser an. Als Tritium gelange es in die Flüsse, in die Fische, in den Menschen. Auch über die Luft würden Strahlenpartikel ausgeblasen, je nach Qualität der Filter. Der streitbare Atomkraftgegner zeigt auf eine Bierflasche: So groß etwa wären die 180 Kilo Plutonium, die er in einer Forschungsanlage seiner Heimatstadt Karlsruhe vermutet. Man könne sie in eine Ecke stellen, niemand würde verstrahlt: „Aber wehe, es kommt nur ein winziges Staubkörnchen davon in deinen Körper rein.“

Die Betreiber würden für den Abriss bewusst die relativ hohen Grenzwerte aus dem Leistungsbetrieb beibehalten: „Aus einem Atomkraftwerk wird eine Atommüllfabrik“. Auch die „Freimessung“, die Freigabe „unbedenklich“ strahlenden Materials in die Wiederverwertung sei ein Unding: AKW-Metall könne so buchstäblich zu Pfannen geschmiedet werden. Wenn, dann müsste man das Material für Castoren verwenden, sagt Block.

Das „Spinnennetz Atom“

Seit 1955 werde von Karlsruhe aus am „Spinnennetz Atom“ gewebt, für Harry Block ein Spaltprodukt deutschen Strebens nach Nuklearwaffen unter Atomminister Strauß. Neben AKWs wie Philippsburg, dampften in der Region immer wieder Forschungsreaktoren. 80 000 Fässer liegen im Zwischenlager von KTE, Deutschlands größtem Entsorgungsunternehmen für Kernanlagen, deklariert als schwach strahlender Atommüll: „Bei uns hat sich neulich einer seine Dosis geholt.“

Nicht nur hochradioaktive, heiße Brennelemente seien gefährlich: „Wenn ich in ein Fass mit mittelaktiven Müll steige, bin ich nach acht Tagen tot.“ Richtig wäre beim Atomausstieg der sichere, aber teure Einschluss auf 30 Jahre gewesen, zum Abklingen in den AKWs. Das Problem sei überall gleich: Enorme Mengen Müll, fehlende Kapazitäten schon auf Landkreisdeponien, ein deutschlandweit fehlendes Endlager, Mangel und Mängel an Castoren, die Gefahr zusätzlicher Kontaminationen durch platzende Brennstäbe. Grafenrheinfeld stehen mehr als 50 Castoren ins Haus, hinter 85 Zentimetern Beton des Zwischenlagers BELLA. In Karlsruhe seien es zwei Meter, „für schwachaktiven Müll“.

Block: Auch die Kühltürme sind belastet, mit chemischen Mitteln

In der offiziellen Genehmigungszeit bis 2046 drohten der Halle Gefahren durch panzerbrechende Waffen oder ein Flugzeugabsturz als „Dennoch-Störfall“. 2020, wenn der Bund die Zwischenlager übernehme, rechnet Block mit dickeren Mauern. Dazu soll am KKG eine „Bereitstellungshalle“ für schwächer strahlenden Müll kommen. Das bereits vorhandene Zwischenlager Mitterteich sei „granatenvoll“. Im Publikum weist Rainer Pließ darauf hin, dass nicht einmal die Kühltürme, über deren schnelle Sprengung gerade debattiert wird, sauber seien. Gegen Veralgung sei tatsächlich massiv Chemie eingesetzt worden, sagt Block.

Selbst mit dem Rückbau werde das Atomzeitalter in Deutschland nicht beendet, so der Referent: Bei Karlsruhe stehe das JRC, das Joint Research Centre der EU. Ein Ziel der Forschung sei der Thorium-Flüssigsalzreaktor: Sicher vor dem Super-GAU, aber auch schneller Produzent von waffenfähigem Uran. China sei schon interessiert.

 
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