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KUNSTHALLE
Augentrost, besetzt mit Solitären
Ein interessanter Teil der Rückert-Ausstellung in der Kunsthalle: Das Verhältnis des Dichters zu den vielen Auszeichnungen, Orden und Pokalen, die er im Laufe seines Lebens bekam.
Foto: Oliver Schikora | Ein interessanter Teil der Rückert-Ausstellung in der Kunsthalle: Das Verhältnis des Dichters zu den vielen Auszeichnungen, Orden und Pokalen, die er im Laufe seines Lebens bekam.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 30.11.2016 03:43 Uhr

(oli/rk) Wegen des Rummels, der im vergangenen Jahr um ihn in Schweinfurt gemacht wurde, hätte Friedrich Rückert, der größte Dichter dieser Stadt, wahrscheinlich zwiespältige Gefühle gehabt – und das in Gedichten verarbeitet. In einem ist sich Rudolf Kreutner, der Macher der Rückert-Ausstellung in der Kunsthalle, aber ganz sicher: Gerade die Kunstaktionen wie die Rückert-Büsten von Ottmar Hörl hätte der Dichter witzig gefunden.

Zeit seines Lebens wurden Rückert zahlreiche hohe Ehrungen zuteil, in der Ausstellung in der Kunsthalle gibt es einen eigenen interessanten Bereich dazu. Es fing damit an, dass ihm schon in der 1825er Auflage des Brockhaus-Lexikons ein umfangreicher Artikel gewidmet wurde, und endet mit der Verleihung des „Nuestra Senora de Guadalupe/Unsere Liebe Frau von Guadalupe“ durch Kaiser Maximilian von Mexiko wenige Monate vor seinem Tod 1866. Was er von solchen Dingen grundsätzlich hielt, belegt anschaulich seine Reaktion auf Brockhaus? Bitte, einen Lebenslauf für den geplanten Lexikonartikel zu liefern. Rückert beschränkte sich dabei auf die Nennung seines Namens, seines Geburtsjahrs (irrigerweise „1789“), seines Familienstands („verheirathet“) und seines Berufs („Verfasser lyrischer Gedichte“).

Das war schon für damalige Verhältnisse kurz angebunden, für die heutige Zeit der permanenten Selbstinszenierung und Imagepflege schlicht unfassbar.

Als er 1837 von den Leipziger Verlegern (Leipzig war bis 1945 das Zentrum des deutschen Buchhandels) einen reich verzierten silbernen Pokal geschenkt bekam, hielt sich seine Freude darüber ebenfalls in Grenzen, wie man einem Brief seiner Gattin Luise entnehmen kann: „Gestern war nun R. Geburtstag, u die guten Kopps waren wie immer die eifrigen u freundlichen Gratulanten, Koppen u. Brauns, dieser hatte von Leipzig aus, einen über alle Beschreibung prachtvollen silbernen Pokal zu überreichen, welcher auf der Post mit 200 Thlr. Werth eingeschrieben war, u herrlich ist die Arbeit daran. Er ist so groß, daß gerade 1 Maas hinein geht u in Form einer Vase. Nun, […], er ist eines Königs würdig, nur freut sich R. weniger darüber, weil es eine so vergebliche u nicht zu nutzende Sache ist.“

Über den bayerischen „Verdienst-Orden vom heiligen Michael, Ritterkreuz I. Klasse“ im Jahre 1838 war Rückert hingegen zu Recht „not amused“. Hatte Rückert nämlich 1833 noch 100 Gulden Gehaltserhöhung erhalten, um im Lande zu bleiben, gab es jetzt nur noch den genannten Orden. Für die bayerische Staatsregierung war damit die Personalie Friedrich Rückert offensichtlich erledigt, denn obengenanntes Gesuch wurde fast auf den Tag sieben Monate später mit folgendem Aktenvermerk versehen: „Nachdem Prof. Dr. R. bereits durch Verleihung des Michaelsordens eine Auszeichnung erhalten hat, so dürfte unmaßgeblichst der Gegenstand um so mehr beruhen, als auch dem Vernehmen nach die Entfernung dieses Gelehrten aus Bayern für jetzt nicht zu besorgen ist. Faber.“ Dem hatte der damalige bayerische Innenminister Karl von Abel nur noch hinzuzufügen: „Hienach ad acta. 9. Febr. 1838. Abel.“ 1842 stand dann für den inzwischen doch nach Berlin abgewanderten Rückert die höchste wissenschaftliche Auszeichnung an, die Verleihung des Ordens „Pour le mérite für Wissenschaften und Künste“ durch den Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV.

Unter den mit diesem Orden zuerst Ausgezeichneten sind unter anderem auch der Mathematiker Karl Friedrich Gauss, der Germanist Jacob Grimm, der Naturforscher und Weltreisende Alexander von Humboldt – und eben auch Friedrich Rückert zu finden. Über ihn wird in diesem Zusammenhang Folgendes kolportiert: „Auf dem […] Ordensfeste befand sich Rückert in freundlicher Unterhaltung mit einem Hofbeamten, als plötzlich Alexander von Humboldt an ihn heran trat. 'Aber, mein lieber Rückert‘, sagte er, beide Hände darreichend, 'heute hätten Sie doch Ihre Orden anlegen müssen; Sie haben wol übersehen, daß es Ordensfest ist?‘ 'Daran‘, erwiderte der Dichter, ohne in die geringste Verlegenheit zu kommen, 'ist meine Frau schuld, welche die Bänder verlegt oder verwendet hat‘ 'Die Bänder verlegt? – zu den Orden?? Das war noch nicht da!‘ erwiderte lächelnd der berühmte Staatsmann und eilte, dem Könige zu sagen, Rückert?s Frau habe die Ordensbänder zu Haubenbändern verwerthet!“

Über den 1865 durch Kaiser Maximilian von Mexiko verliehenen Orden „Nuestra Senora de Guadalupe/Unsere Liebe Frau von Guadalupe“ schrieb er unter anderem: „Ein kahles Verdienstordenszeichen; Kann wenig zu Herzenslust mir gereichen; Einen Augentrost mir gewähren; Könnt? es, besetzt mit Solitären.“

 
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