Schon der russische Revolutionär Lenin wusste um die Bedeutung von basisdemokratisch betriebener Energiepolitik: „Kommunismus, das ist die Macht der Räte plus Elektrifizierung des ganzen Landes“. Ganz so weit wollten die Räte der Kommune Niederwerrn auf einer Sondersitzung zur Energiewende dann doch nicht gehen: Teilelektrifiziert werden soll einstweilen nur der Fuhrpark des Bauhofs.
Zu diesem Zweck rollte geräuschlos ein Elektromobil auf dem Vorplatz an – ein reines Vorführmodell: nicht ganz eine Tonne Tragfähigkeit, 40 Stundenkilometer schnell, die Batterien sind voll recycelbar, lassen sich über Nacht in der Steckdose aufladen. Das aus einem Gabelstapler-Chassis weiterentwickelte Gefährt, mit 80 bis 100 Kilometern Reichweite, eignet sich vor allem für den Einsatz innerorts. Es kostet noch stolze 25 000 Euro, schleppt aber kaum Folgekosten auf seinem Kipplader mit sich: Der Strom schlägt mit drei Euro die Woche zu Buche, erläuterte Bauhofleiter Thomas Gerlach. Treibhausgase entstehen keine. Einziger Wermutstropfen: die Heizung, die konventionell mit Öl betrieben wird.
Das Mienenspiel der Gemeinderäte ähnelte wohl dem der Niederwerrner Bürger, als zum ersten Mal eine Benzinkutsche durch den Ort geruckelt oder das erste elektrische Licht aufgeflammt ist: Faszination, aber auch etwas Skepsis vor dem Unbekannten. Mit dem stillen Elektrofahrzeug gleitet nun, Anfang des 21. Jahrhunderts, quasi eine Mischung aus den beiden großen Technologiesprüngen Anfang des letzten Jahrhunderts heran. Für Heiterkeit sorgte die eingebaute Klingel, die manche an einen Eisverkäufer erinnert.
Zwischen Faszination und Skepsis
Ob die nach Fukushima vielbeschworene Energiewende nun eine echte Revolution, bloß eine Evolution oder gar zur Sackgasse wird: Zu dieser Frage sollte oben im Ratssaal Erich Maurer von der Energieagentur Nordbayern Rede und Antwort stehen. Niederwerrn will die Gemeinde-Versorgung bis 2030 auf eigene, regenerative Energien umstellen. Bestehende Konzessionsverträge mit den Stromlieferern habe man bereits (zur Überprüfung) gekündigt, so Thomas Wohlfahrt von der Vorreiter-Fraktion, der SPD. „Das hören wir gerne“, lobt Maurer, dessen Energieagentur mit 23 Mitarbeitern vor allem Kommunen berät. Er stellte noch einmal die Vorteile von Energie aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse vor, mit einem jeweils größeren Potenzial als der Weltenergiebedarf. Derzeit hapere es noch an den Speicherkapazitäten. Schon durch die Optimierung vorhandener Technologien ließen aber sich große Energiemengen einsparen: ein Raum, der auch nur um ein Grad überheizt werde, bedeute sechs Prozent mehr Energieverbrauch, so Maurer.
Durch Dämmung und Umstellung auf regenerative Energien trage man nicht nur zum Klimaschutz und mehr Unabhängigkeit von Großkonzernen sowie ausländischen Versorgern bei. Die Wertschöpfung bleibe in der Gemeinde, es gebe einen Imagegewinn und mehr lokale Beschäftigung. Die Bürger müssten allerdings früh durch Dokumentationen und Öffentlichkeitsarbeit mit eingebunden – vor allem durch Energiegenossenschaften an den Gewinnen beteiligt werden: „Das Gesetz zu den Erneuerbaren Energien ist derzeit eines der wichtigsten Strukturprogramme im ländlichen Raum“, wirbt der Experte per Power-Point und kommunalen Beispielen. 1400 Euro Jahresbeitrag würde die Gemeinde die Mitgliedschaft in seiner Agentur kosten, dafür gäbe es Beratungsveranstaltungen und einen Fördermittel-Kompass.
Niederwerrn könnte sich in etwa sechs bis sieben Jahren ein eigenes Versorgungsnetz rund um die Schule vorstellen – sobald die dortige Heizung in die Jahre kommt.
Bürgermeister Peter Seifert äußerte allerdings Zweifel, ob eine eigene Stromversorgung für eine Gemeinde unter 15 000 Einwohnern Sinn mache. „Je kleiner, desto schwieriger“, gibt Geschäftsführer Maurer zu, der in der Metropolregion Nürnberg ansässig ist. Man müsse von Fall zu Fall das Potenzial solcher Gemeindewerke ermitteln.
Die Befürchtung von Willi Gößmann, dass es in kleineren Netzen vermehrt zu Stromausfällen komme, teilte Maurer nicht: Es werde einen größeren Austausch des Stroms auf regionaler wie internationaler Ebene geben. Zudem blieben zunächst noch zwei AKW als stille Reserve. Keine Gemeinde müsse sich zudem von der konventionellen Stromversorgung abkoppeln.
Eine Brückentechnologie sei derzeit die Kraft-Wärme-Kopplung mit Erdgas, so der Nürnberger. Technisch seien kilometerlange Biogasleitungen bei den Nahwärmenetzen bereits möglich. Auch wenn bei alternativen Energieformen die Investitionskosten höher seien, spare man letztlich bei den Wartungsarbeiten, so Erich Maurer auf Nachfrage von Michael Holzmann. Elmar Heusinger wies darauf hin, dass es eine „Strukturierung“ und Zusammenarbeit der Kommunen geben sollte. Etwa in der Interkommunalen Allianz Oberes Werntal, ergänzte Norbert Hart.
Fest steht auf dem Markt für regenerative Energien derzeit eines: „Es ist ein gigantischer Wettbewerb“, so Bürgermeister Seifert, „die Investoren drängen heran.“ Aber die Energiewende sei keine Last, sondern eine Zukunftschance, betonte Erich Maurer.