Das Erstaunliche an diesem Abend ist, dass ein doch eher schlichtes Familiendrama – alleinerziehender Vater erklärt dem autistischen Sohn, die Mutter sei tot, der findet heraus, dass sie lebt, macht sich auf die Suche, wird fündig, man versöhnt sich – über mehr als zwei Stunden trägt, spannend ist, ja mitreißt und Empathie für ein Anderssein erweckt, das uns fremd ist und leider oft zum Lächeln reizt.
Die Adaption von Erzählstoffen durch das Theater ist zwar derzeit en vogue und steht durchaus auch für die Krise des Dramas. Unter diesem Blickwinkel sollte man Simons Stephens Fassung des Bestseller-Romans Marc Haddons „Supergute Tage“ jedoch nicht sehen. Sie ist in ihrer Verknappung eigenständig, spannend und fesselnd. Dies gilt umso mehr, wenn sich Jan Gehler für das Staatsschauspiel Dresden ihrer annimmt, sie leichthändisch in Szene setzt und sich dabei geschickt des Wechselspiels aus Spielszenen und Erzählung bedient. In Schweinfurt wurde das Gastspiel mit anhaltendem Beifall aufgenommen. Christopher ist ein sympathischer Junge, sauber gekämmt, ordentliche Shorts, Chucks, zusammen mit seiner Ratte Toby lebt er beim Vater, anscheinend wohlbehütet und doch mit dem Asperger-Syndrom geschlagen, das ihn in der kleinsten Ausnahmesituation in höchsten Stress versetzt. Seine Bewegungen werden dann ruckartig, die Sprache entrückt, aber klar, die Sichtweise in einen Kanal gedrängt, wie getrieben, rasselt Christopher Primzahlen herunter. Als er in Verdacht gerät, den Hund der Nachbarin erstochen zu haben, eskaliert die Situation. Christopher will die Wahrheit wissen, forscht nach, verlässt seinen Kokon und wird mit einer ihn beklemmenden Welt konfrontiert, in der ihn Enge, Lärm völlig verstört.
Sabrina Rox greift diese Emotionen auf, stellt ein nach hinten ansteigendes Gebirge aus steinfarbenen Quadern auf die Bühne, Zeichen der Bedrückung, aber auch Projektionsflächen für die Großstadt, kreischende Züge, drängelnde Menschen, unterlegt von einem hämmernden Grundton.
Mit Jonas Friedrich Leonhardi, dem Hauptdarsteller in einem starken Ensemble, ist Christoffer überzeugend besetzt. Er hat sich offenbar sehr intensiv mit dem Asperger-Autismus beschäftigt. Seine Bewegungen sind linkisch, ruckartig, die Sprache stakkatohaft – auf die Frage nach seinem Alter antwortet er, „15 Jahre, drei Monate und zwei Tage“.
Der Junge wächst mit der Herausforderung und das ist das Optimistische an diesem Stück. Natürlich besteht er die schwierige Matheprüfung und es klingt keineswegs komisch, wenn er am Ende sagt „Ich kann alles.“