Der Schweizer Maler Ferdinand Hodler suchte von Anbeginn seiner Karriere als Künstler die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Presse. Er nutzte jede Gelegenheit zur Präsentation seiner Werke, nahm an Wettbewerben und Ausstellungen teil und organisierte solche notfalls selbst. Zwischen 1875 und 1918 kam er auf diese Weise auf beeindruckende etwa 600 Ausstellungsteilnahmen. Er lenkte das Interesse auch gezielt auf sich, indem er selbst Anzeigen schaltete, Presseartikel durch Freunde lancierte und das eine oder andere Mal absichtlich provozierte.
Das deutsche Publikum begann zwischen 1890 und 1900, ein Auge auf Hodler zu werfen. 1891 wurde er durch sein Gemälde „Die Nacht“ europaweit bekannt, Ausstellungen in Paris und Wien ebneten ihm den Weg nach Deutschland. Zwischen 1900 und 1918 fanden hier etwa 150 Ausstellungen mit seinen Bildern statt, unter anderem in München, Dresden, Berlin, Düsseldorf, Hagen, Weimar, Köln und Frankfurt am Main. Der Künstler wurde Mitglied der Berliner und der Münchner Secession sowie des Deutschen Künstlerbundes.
In deutschen Zeitschriften erschienen Texte von Emil Heilbutt, Franz Servaes, Theodor Heuss oder Hans Rosenhagen, und Hodler erhielt zwei Aufträge für monumentale Wandbilder, zum einen für das neue Jenaer Universitätsgebäude, zum anderen (vermittelt durch Max Liebermann) für den Sitzungssaal im Rathaus von Hannover. Deutsche Museen erwarben Werke, darunter die Staatsgalerie Stuttgart und das Museum der bildenden Künste in Leipzig, ebenso gab es eine Reihe privater Sammler, so dass Hodler aus Deutschland bald einen Großteil seiner Einnahmen bezog.
Aber es gab ebenso engagierte Gegner seines Schaffens, die es lieber gesehen hätten, wenn deutsche Künstler solche Erfolge hätten verzeichnen können. Einer der schärfsten Feinde war Hans Friedrich, der immer wieder heftige Attacken gegen Hodler und seine Förderer ritt, sogar in eigenen Publikationen wie den 1913/1914 veröffentlichten „Cato-Broschüren – Streitschriften gegen die „Hodlerclique“.
Kurz darauf kam es jedoch zu einem weit größeren und folgenschwereren Eklat – dem sogenannten „Fall Hodler“. Auslöser war ein Artikel, der am 29. September 1914 in der Zeitung Tribune de Geneve erschienen war. Hier hatten 126 Schweizer Gelehrte und Künstler einen Protest gegen die Bombardierung von Reims durch die Deutschen unterzeichnet – auch Ferdinand Hodler.
Es folgte ein Aufschrei aus Deutschland, insbesondere aus Jena, wo der angesehene Zoologe Ernst Haeckel (1834–1919) in einem offenen Brief forderte, dass man Hodlers Wandbild „Auszug der deutschen Studenten in den Freiheitskrieg von 1813“ wegen dieses „lügenhaften Protestes“ und der klar erkennbaren „deutschfeindlichen Gesinnung“ aus der Universität entfernen und zugunsten des Roten Kreuzes verkaufen sollte. Hodler verteidigte sich in einem Telegramm: „Wenn ich den Genfer Protest unterzeichnet habe, war es meine Absicht, nicht gegen Deutschland, sondern einzig und allein gegen die Zerstörung eines Kunstwerkes zu protestieren. Ich würde dasselbe tun, wenn eine andere Macht in Deutschland ein Werk zerstören würde.“
Dies konnte den Stimmungsumschwung gegen ihn aber kaum bremsen. Im Simplicissimus erschien am 20. Oktober Thomas Theodor Heines Karikatur „Das ästhetische Ausland“ über die Undankbarkeit ausländischer Künstler, die von Deutschland profitiert hatten, unter ihnen Hodler. Auch Theodor Heuss bezog Stellung. Er verurteilte Hodlers Protestunterzeichnung, fand aber, dass Haeckels Forderungen zu weit gingen.
Das Gemälde in Jena blieb schließlich, wo es war, verschwand jedoch bis zum 15. April 1919 hinter einer Bretterwand. Die kritische Stimmung gegen Hodler hielt Jahre an; das Verhältnis des deutschen Publikums und der Kritik blieben nach dem „Fall Hodler“ noch längere Zeit gespalten. Eine Neuentdeckung setzte in den 1950er-Jahren ein. Seit den 1980er-Jahren gehört Ferdinand Hodler wieder zu den bekanntesten Malern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Am 18. Oktober um 11 Uhr wird Matthias Steinbach, Professor für Geschichte und Geschichtsdidaktik an der Technischen Universität Braunschweig, gemeinsam mit zwei Mitstreitern aus seinem Buch „Der Fall Hodler. Krieg um ein Gemälde 1914–1919“ im Museum Georg Schäfer lesen. Steinbach hat die historischen Quellen zu einem mitreißenden szenischen Text rund um die aufsehenerregende Affäre des Jahres 1914 verwoben. Hinter dem possenhaften Charakter des Geschehens zeigt sich die Gefahr des im Krieg übersteigerten Patriotismus, in dem die Kunst zum Spielball wird (Vorverkauf 8, ermäßigt 6 Euro, am Tag der Veranstaltung 10, ermäßigt 8 Euro). Hodlers Wahrnehmung in Deutschland ist ein Thema der aktuellen Hodler-Ausstellung im Museum Georg Schäfer. Im Zentrum steht die zwischen 1906 und 1911 geschaffene Gemäldereihe „Die Heilige Stunde“.
15 Jahre Museum Georg Schäfer: Mittwoch, 23. September, freier Eintritt im gesamten Haus von 10 bis 17 Uhr. • 11 Uhr Amtseinführung und Antrittsansprache des neuen Leiters Wolf Eiermann
• 13 bis 16 Uhr„Offenes Atelier“ rund um Carl Spitzweg • 14 Uhr Spitzweg-Führung • 14 Uhr Kuratorenführung „Ferdinand Hodler. Die Heilige Stunde“ • 15 Uhr Musikalisches Programm • 16 Uhr Architektur-Führung