"Die Aufstehen-Veranstaltung?", "Gleich da", sagt die Bedienung im Café Vorndran und deutet auf einen Tisch in der Mitte des Raumes. In der Tat, das ein wenig zerknautschte DIN-A4-Blatt zeigt den Schriftzug der von der linken Bundestagsabgeordneten Sarah Wagenknecht Anfang September gegründeten Sammlungsbewegung. Darum herum sitzen acht Männer und drei Frauen - ein bunter Haufen, im positiven Sinne.
Aufgerufen zu dem Treffen hatte Roland Bathon. Der Schweinfurter, Sachbearbeiter im Hauptberuf und in seiner Freizeit für die pro-russische Internetseite russland.news tätig, hat eine Facebook-Seite im offiziellen Design erstellt, war bei Franken-Treffen und will die Sammlungsbewegung nun auch in Schweinfurt und Main-Rhön etablieren.
"Für Gerechtigkeit und Zusammenhalt"
"Aufstehen tritt für Gerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt, Frieden und Abrüstung und die Wahrung der natürlichen Lebensgrundlagen ein und versteht sich als linke Sammlungsbewegung", schreibt Bathon in seiner Einladung. In Bayern gibt es im Moment wohl gut 10 000 Menschen, die sich bei Aufstehen registriert haben, deutschlandweit über 140 000.
Die meisten, die zu dem ersten Schweinfurter Treffen kamen, möchten sich erstmal informieren, was Aufstehen ist. Das ist für jeden nämlich grundverschieden, wie sich schnell zeigt. Gleichwohl, einen gemeinsamen Nenner gibt es: die Abneigung gegen die AfD, die Sorge über einen dauerhaften Rechtsruck in Deutschland. Dagegen aufzustehen, die Stimme zu erheben und Flagge zu zeigen für demokratische Werte und gegen Hetze, das ist allen in der Runde ein Herzensanliegen.
Ansonsten zeigt sich eine bunte Mischung unterschiedlicher Interessen. Roland Bathon war nach eigener Aussage in den 1990er-Jahren politisch aktiv und will es jetzt wieder versuchen, "weil ich die Hoffnung verloren habe, dass es mit der SPD jemals wieder etwas wird". Bei ihm ist es Enttäuschung über die Ost-Politik, bei den anderen aber ganz stark die Frage nach sozialer Gerechtigkeit, die die deutschen Sozialdemokraten vor allem mit den Hartz-IV-Reformen verschlimmert hätten. Die SPD steht in diesem Kreis für vieles, aber nicht für soziale Gerechtigkeit. Die Teilnehmer stellen sich kurz vor - Friedensbewegung, Tierschutzaktivistin, Widerstand gegen die Macht der weltweiten Großkonzerne, die Vielfalt der Interessen ist groß. Zum Zuhören ist auch Robert Striesow dabei, der im Oktober für die Linken für den bayerischen Landtag Direktkandidat war.
Wie geht es weiter?
Länger diskutiert wird über die Frage, was die Gruppe als erstes tun soll - vor Ort in Schweinfurt Mitglieder werben? Größere Veranstaltungen mit bekannten Rednern organisieren? Sich dem Bürgerentscheid pro Stadtwald anschließen? Schnelles Handeln wird abgelehnt, man kommt überein, sich bei weiteren Treffen besser kennen zu lernen - zu viele Fragen sind offen, Finanzierung von Veranstaltungen zum Beispiel. Im Januar lädt Barthon wieder ein.
Die Reaktionen von Seiten Linken-Politiker aus der Region auf die Aufstehen-Bewegung sind unterschiedlich. Der Linken-Parteivorstand war auf Distanz zur Bewegung gegangen, hatte betont, es sei kein Projekt der Partei, sondern von Sarah Wagenknecht, ihrem Ehemann Oskar Lafontaine und weiteren Einzelpersonen. Der stellvertretende Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, der Schweinfuter Abgeordnete Klaus Ernst, einst auch Parteivorsitzender, hatte schon im Herbst gegenüber der ARD erklärt, er sehe weder in der Linken noch in den anderen Partien eine Unterstützung des Weges von Wagenknecht.
Auf Nachfrage hatte der Fraktionsvorsitzende der Linken im Schweinfurter Stadtrat, Frank Firsching, erklärt, er habe sich "Aufstehen" angeschlossen und beobachte die Entwicklung. Sein Kollege Sinan Öztürk verweist darauf, dass die Bewegung mit der Partei nichts zu tun habe. Er glaube, dass es auch innerhalb der Linken Möglichkeiten gebe, Plattformen für Diskussionen zu schaffen, wie man mehr soziale Gerechtigkeit erreichen könne. Die Linken-Kreisvorsitzende Kerstin Reichert schreibt auf Anfrage, das Ziel der Sammelbewegung, soziale Gerechtigkeit als "Mainstream"-Thema zu etablieren, decke sich durchaus mit den Zielen der Linken. Es sei zu begrüßen, wenn sich Menschen außerhalb einer Partei für so ein Thema einsetzten. "Jedoch hat dies mit den innerparteilichen Prozessen der Linken nichts gemein. Wir freuen uns aber, wenn die Sammelbewegung Menschen wieder für Politik sensibilisiert und mobil macht."