"Ich hatte das Gefühl, es läuft nicht rund, und dann fängt man an zu überlegen." Zum Beispiel, ob es nicht "Zeit für was Neues" sei, ergänzt die 49-Jährige Fotografin Christiane Lurz ihre Gedanken. Was Neues, das heißt in ihrem Fall, dass sie ihr Fotostudio, welches sie seit 24 Jahren in Schweinfurt betreibt, zum Monatsende schließen wird und ab November ihre Fotografen-Tätigkeit in Schwebheim in der Schweinfurter Straße 7 weiterführt.
Was nicht rund läuft, was Nebengeräusche verursacht, gilt wohl nicht nur für ihr Gewerbe. Wie häufig in diesen Tagen begann es mit Corona, ein negatives Grundrauschen war schon vorher da. Christiane Lurz ist als Fotografin bekannt in den Kindergärten der Region, war dort oft schon für die nächste Saison gebucht, um die Kinderbilder fürs ewige Familienalbum zu machen. Plötzlich waren die Kindergärten zu – als sie wieder öffneten, fielen die Fotoshootings im Studio den Abstandsregeln zum Opfer, als sich die Situation einigermaßen zu normalisieren begann, kam der dritte Wasserschaden im Geschäft.
Kindergartenfotografie ist ihre Leidenschaft. "Die Arbeit mit Kindern macht Spaß, sie übertreiben, sind schüchtern, können zwölf Fragen in 60 Sekunden stellen und bleiben dennoch vor der Kamera unberechenbar." Berechenbar, und zwar gegen Null, war dagegen, was Corona anrichtete, denn die Fototermine in den Kindergärten, die mit den Jahren immer mehr zugenommen hatten, waren alle gestrichen.
Pandemiefolgen als I-Tüpfelchen für die Entscheidung
Und dennoch war die Pandemie für Christiane Lurz, die 1996 zunächst das Fotostudio Linhart in der Friedrich Stein-Straße übernommen hatte und 2015 in die Zehnstraße umzog, nur das I-Tüpfelchen für ihre Entscheidung. "Immer mehr Bürokratie und Auflagen beschäftigen Inhaber kleiner Läden mehr als der eigentliche Beruf, manchmal sehe ich mich weniger als Fotografin, als vielmehr als Verwalterin des eigenen Ladens." Baustellen vor der Haustür, Kunden die klagen, weil sie keine Parkplätze finden, auch das ist es, womit Ladenbesitzer in der Schweinfurter Innenstadt leben müssen.
Die Entscheidung, sich wieder mehr auf ihr Kerngeschäft, das Fotografieren, zu konzentrieren, fühlt sich für sie inzwischen "richtig und gut an". Im Laden selbst verbrachte sie sowieso die wenigste Zeit. Familienaufnahmen und Fotoshootings finden nicht zu Ladenöffnungszeiten statt, und wenn doch, dann irgendwo draußen in der Natur oder dort, wo es etwas zu feiern gibt, so ihre Erfahrung. "Wenn das Schild 'Geschlossen' an der Ladentür hängt, dann ist der Fotograf am Arbeiten", so Christiane Lurz. Familienaufnahmen werden ohnehin dann gemacht, wenn alle Zeit haben - am Wochenende und gerne auch am Sonntag.
Die Zahl der kleinen Fotogeschäfte nimmt ab
Die Zahl der kleinen Fotogeschäfte, so ihre Wahrnehmung, habe in den vergangenen Jahren abgenommen. Jeder macht selbst tausende von Bildern mit seinem Handy, aber das ist es nicht, was ihr die meisten Sorgen macht. Denn es sei das Persönliche an den Fotoshootings, dass Bilder auch in Zeiten der Bilderflut zu etwas Besonderem mache. "Der Kunde muss sich für das Fotografieren öffnen können und authentisch sein, dann wird das Bild richtig gut." Bilder, die man nicht beim Selfie nachempfinden kann. "Bei Familien zählt das gemeinsame Erlebnis vor der Kamera genauso viel wie das Bild, das später an der Wand hängt." Bilder, in denen bestenfalls der Spaß, den der Fototermin gemacht hat, noch nachschwingt.
Dafür braucht es Zeit und Fingerspitzengefühl, denn die Anlässe für ein Fotoshooting sind nicht immer freudiger Natur – "zum Beispiel dann, wenn eine schlimme medizinische Diagnose der Auslöser für ein Familienfoto ist". Auch in solchen schweren Momenten im Leben – zum Beispiel vor der ersten Chemotherapie – kommen Menschen, um sich und ihren Lieben Erinnerungen zu schaffen.
Wenn Fotografen zu Chronisten des Lebens ihrer Kunden werden
Oft werden Fotografen zu Lebensbegleitern. Den Hochzeitsbildern folgen der Babybauch, die ersten Babybilder, das Familienbild zur Einschulung. "Es ist einfach nur klasse, wenn Kinder, vielleicht schon Jugendliche durch die Tür kommen und man sich dran erinnert, dass beim Babyshooting die Windel zweimal voll war." Auch deshalb macht Christiane Lurz weiter, ohne Druck des eigenen Ladens aber mit mehr Zeit für Bilder, die bleiben. "Wenn die Bilder die ich mache, den Menschen darauf das Gefühl vermitteln 'du bist in Ordnung', dann habe ich meinen Job gut gemacht."