
Früher war alles besser? Bei sagenhaften 1,5 Promille lag in der Wirtschaftswunderzeit die Grenze, innerhalb der man ungestraft ein Kraftfahrzeug lenken durfte. Die große Ernüchterung kam 1973, als das Limit auf 0,8 Promille abgesenkt wurde. Nach hitzigen Debatten, wieviel Schoppen und Bier einer intus haben musste, um fahruntüchtig zu sein.
Die älteren Geldersheimer trafen sich zu monatlichen „Erzählnachmittag“ des VdK in der Schützenklause, bei Kaffee und Kuchen. Auf Einladung von Winfried Huppmann ging es um Führerschein und das erste Auto in den Zeiten ohne echte Promillebremse oder „einengende“ Gurtpflicht. Während in Sachen Gleichberechtigung eine fast schon saudi-arabische Stimmung am Steuer geherrscht haben muss. Frauen hatten bis 1958 den Vater oder Ehemann zu fragen, wenn sie den Führerschein erwerben wollten: „Selbstverständlich“, nickt eine Geldersheimerin.
Fahrrad und Fahrstunden
Vier der anwesenden Seniorinnen haben die Prüfung nie abgelegt. Bis heute geht es mit dem Fahrrad in die Stadt. „Wieviel Fahrstunden haben Sie denn?“, meinte der Prüfer bei Waltraud Behr, nach einem kleinen Kupplungsfehler: „Ein paar mehr hätten ned g'schad“. Waltraud Behr war zufrieden beim Ulsenheimer, damals 1961. Die Männer in der Runde hätten ihren Frauen den begehrten Schein jedenfalls alle erlaubt.
Papas Landmaschine war oft der erste fahrbare Untersatz. Winfried Huppmann erinnert sich an den alten Fendt der Familie. Auch Adelbert Schmittfull hat erst den Traktor-Führerschein abgelegt, bevor 1959 die reguläre Fahrerlaubnis folgte. Mit dem Traktor zur Schweinfurter Fahrschule Hartmann fahren, außerhalb der Ackerfurche, war keine Option. „Diesel war subventioniert“, sagt der Landwirt. Entsprechend musste der Bulldog landwirtschaftlich genutzt werden.
Im alten DKW zur Fahrschule
Manchmal war es Werkstattbesitzer Konrad Endres, der die Führerschein-Azubis nach Schweinfurt fuhr: Sein DKW war eines der ersten Geldersheimer Automobile nach dem Krieg gewesen. Den ältesten Führerschein am Tisch besitzt Rudolf Seuffert, der hat ihn bereits vor 67 Jahren bestanden.
Mit einem blauen VW-Käfer ging es für Adelbert Schmittfull in die Fahrstunde. „Bist ein Schwarzfahrer!“ meinte der Fahrlehrer, aber der Schüler wusste es besser: „Ich fahr einen Bulldog.“ Der erste eigene Wagen war ein Opel Rekord für 6500 Mark, Baujahr 1961, mit Dreigangschaltung („mehr gab's meistens nicht“), 45 PS, feschem Design und einem Unterboden, der nach zehn Jahren durchgerostet war. Die Marke mit dem Blitz war am Biegenbach überhaupt recht beliebt, auch bei Winfried Huppmann, der seit 1969 unfallfrei fährt.
Vom Umtrunk zur Prüfung
Reinhold Behr bestand den Autoführerschein tadellos, am Nachmittag sollte der Motorradschein folgen. Nach einem freudigen Umtrunk (siehe alte Promillegrenze) wurde der Schüler leichtsinnig. Zwar kam er mit der 250-er BMW („ein Traum“) und anderen Krafträdern bestens zurecht. In der Prüfung ging es aber rasant in die Kurven, außerdem gab er die Handzeichen nachlässig, Marke Rodeoreiter. Weil er die Hand nicht hoch genug gehoben hatte, durfte er nach vier Wochen wieder antreten. Zum Glück waren die Preise nicht teuer, in einem Fall neun Mark pro Stunde. Auch Schützenmeister Peter Krückel erinnert sich an recht lässige Fahrstunden.
Winfried Hand hatte nie einen Führerschein. Stolz zeigt er eine Betriebserlaubnis für ein 25 Stundenkilometer schnelles Gefährt Marke Batavus, aus dem niederländischen Heerenveen, das 1981 mit Sachsmotor gebaut worden ist. Den Damen, die ebenfalls ohne „Lappen“ durchs Leben gehen oder radeln müssen, kann er so ein Mofa wärmstens empfehlen: Wer vor dem 1. April 1965 geboren ist, braucht dafür nur den Personalausweis.