Auf Entdeckungsreise können sich am kommenden Wochenende Kulturmenschen in ganz Unterfranken begeben: Überschrieben mit "Kulturpunkte" lädt der Dachverband freier Würzburger Kulturträger spartenübergreifend zu Orten ein, an denen Kultur entsteht – an bekannte öffentliche Orte, aber auch in unbekannte kleine Lokalitäten, in Proberäume, Ateliers, Wohnzimmer und Werkstätten.

Rund 150 Kulturpunkte sind auf der Website des Dachverbandes gelistet; in Stadt und Landkreis Schweinfurt beteiligen sich sieben Kulturschaffende an der Aktion. In der Röthleiner Hauptstraße öffnet Rainer Neundörfer die Türen des Alten Forsthauses für einen kreativen "Kulturpunkt". Das ehemalige Carl-Emil-Dietzel-Haus steht seit vielen Jahren leer; schon bei einem Begehungstermin vor einigen Jahren kommt dem Röthleiner die damals eher unkonkrete Idee, dort etwas Künstlerisches entstehen zu lassen. Als der Dachverband dann im Dezember 2024 die Aktion "Kulturpunkte" ausschreibt, ist schließlich der Aufhänger gefunden.

Bei Röthleins Bürgermeister Peter Gehring stößt Rainer Neundörfer, der bereits in der Coronazeit mit ungewöhnlichen Kunstprojekten auf sich aufmerksam machte, auf offene Ohren. Der Bürgermeister gibt sein OK, vorausgesetzt der 76-Jährige kümmert sich für die Dauer des Projektes eigenverantwortlich um alles, sprich um Ordnung und Sicherheit im gemeindlichen Gebäude.

Vom Bürostuhl an der Decke bis zum Fotobaum

Kein Problem für den ehemaligen Haustechniker, der es beruflich gewohnt war, gesetzeskonform planerisch, vorausschauend und flexibel zu agieren. Und so sperrt Neundörfer Keller und Dachgeschoss, schließt eine Versicherung ab und räumt das alte Gemäuer mit Unterstützung einiger Röthleiner Aktiv-Senioren auf für seine Ausstellung, die er "Kunstpunkt Zeban" nennt und in der er thematisch das "Pendeln und Schwingen" in den kreativen Mittelpunkt stellt.

Die Ausstellung ist ungewöhnlich, wie ein Rundgang durch das Alte Forsthaus zeigt. Gut 30 seiner Exponate sind aktuell ausgestellt. Mal hängt ein kaputter knallroter Bürostuhl von der Decke, fröhlich durchbohrt von einem gelben Keil, dann wieder ein chinesischer Karton mit Malereien. Auf einem Holzbrett ragen verschiedene Nudeln in die Höhe. "Nudelsalat" nennt Neundörfer augenzwinkernd sein Ausstellungsstück.

Es gibt einen "Fotobaum", der die rasante Entwicklung der Fotografie dokumentiert und eine Skulptur aus Dosen und Kannen aus aller Welt. Aus Pappkartons und einer einfachen Verbindung schafft er grenzüberschreitende Lösungen für die Demokratie. An den Wänden hängen Gemälde auf Karton mit Ölpastellfarben gemalt. Bei der Bemalung entstehen so außergewöhnliche Strukturen, die zum Sinnieren anregen. In der Ecke schwingt fröhlich ein kaputter Glasbaustein in einer Halterung. Der sollte eigentlich in Gänze glänzen, ist aber bei der Bearbeitung kaputt gegangen und wirkt nun auch oder gerade durch seine Gebrochenheit.

Der Künstler als Sachensammler

Man kann den Künstler Rainer Neundörfer getrost als Sachensammler bezeichnen. Die Materialien, aus denen seine gut 80 Werke bestehen, hatten früher ganz andere Aufgaben. Einige hingen an der Decke der Grundschule, die aktuell generalsaniert wird, schützten in der Kegelbahn als Gummistoßdämpfer die Anlage oder markierten die Linien auf einem Tennisplatz.

Doch auch das Gebäude nutzt Neundörfer: Ein alter Wasserhahn wird zum Kunstobjekt und ein kaputtes Waschbecken in Rot und Gold zum Hingucker. Im Laufe der Aufräumaktion hat der Röthleiner auch Tapeten entfernt. Die Strukturen, die darunter hervorgekommen sind, schaffen ganz neue Effekte, die er für seine kreativen Ideen nutzt. Mit Farbe veredelt oder als Rahmen oder Hintergrund entsteht so im Zusammenspiel mit Raum und Kunstwerk etwas ganz Neues.

Eine tolle kreative Symbiose gehen im Obergeschoss, das über eine etwas schräge Treppe zu erreichen ist, ein von ihm gefertigtes Holzgebirge mit der dahinterliegenden Wand ein. Veredelt haben den Kunstwald übrigens noch die Röthleiner Schülerinnen und Schüler der dritten und vierten Klasse mit Schneepuder. Die haben bereits die Ausstellung besucht und den Künstler mit ihrer Vorstellungskraft, ihrem Ideenreichtum und ihrem Verständnis schwer beeindruckt.

Unvoreingenommenheit als Grundlage

"Kunst ist immer eine Frage des Geschmacks und der Interpretation", sagt Neundörfer. Bei der zeitgenössischen Kunst stehen das Konzept, Gedanken und Fragestellung im Vordergrund. Deshalb sollten die Werke unvoreingenommen und bewusst betrachtet werden, sagt Neundörfer. Erst dann lasse sich die Schönheit der Farben und Formen erkennen und der Sinn besser erschließen. Und bei den Schulkindern, erzählt er begeistert weiter, hatte er das Gefühl, dass sie so unvoreingenommen eben "genau den Sinn meiner Werke verstanden haben".

Wer also Lust hat, kann sich am kommenden Wochenende nicht nur beim "Kulturpunkt" in Röthlein auf eine spannende Entdeckungsreise begeben. Neben Rainer Neundörfer geben weitere Kreative im Schweinfurter Raum – wenn nicht anders vermerkt – am 22. und 23. März von 13 bis 18 Uhr einen Einblick in ihr Schaffen, teils mit kreativen Mitmachaktionen.

Der Eintritt ist frei. Infos zu allen unterfränkischen Kunstpunkten auch unter www.dachverband-wuerzburg.de.