Nachtleben. Wohl kaum eine Stadt ist so mit diesem Begriff verbunden wie Paris. Lebenslust, Ausgelassenheit, Frivolität, auch dafür steht Paris. Ein Mann hat diese Facetten in einer ganz eigenen Art gesehen und auch die dunklen Seiten festgehalten – die Einsamkeit, die Melancholie, die leeren Augen inmitten des Trubels: Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901).
Er steht im Mittelpunkt der Ausstellung „Auf den Bühnen von Paris“, die das Museum Georg Schäfer vom 30. Juni bis 29. September zeigt.
Das Video gibt einen Einblick in die Kunst Toulouse-Lautrecs (auf englisch)
„Das wird total witzig“, sagt Museumsleiter Wolf Eiermann bei einem Rundgang vorab durch die Ausstellung. Die Tänzerinnen, wie Jane Avril, die Sänger, wie Aristide Bruant, wurden nicht nur gezeichnet und gemalt. Es gibt Ton-Dokumente, Filmszenen, Fotografien sowieso.
Film zeigt die Pariser Stars
Unten im Eingang des Museums stellen sie sich vor, die Pariser Stars. Hier sind sie in einem gut 20-minütigen Film zu sehen. Oben kann man sich anschauen, wie Toulouse-Lautrec sie gesehen hat. Oder wie sie sich präsentieren wollten. Die Cancan-Truppe von Mademoiselle Eglantine zum Beispiel, einer der Plakat-Klassiker von Toulouse-Lautrec wirkt erstaunlicherweise gezeichnet dynamischer und lebendiger als im Film.
Die Plakate sind Werbung für die Stars und ihre Bühnen oder für die Freuden des Lebens, die ein Likör oder ein Glas Champagner bringen können. Jules Chéret, Alfons Mucha, Théophile-Alexandre Steinlen, Adolphe Leon Wilette haben mit den gleichen Mitteln, in der gleichen Zeit und oft für die gleichen Leuten gearbeitet wie Toulouse-Lautrec. Warum aber stechen dessen Werke so heraus, was macht sie so besonders?
Eine kleine Zeitreise ermöglichst dieses Video (auf englisch)
Toulouse-Lautrec war mit den Tänzerinnen, den Künstlern befreundet, sagt Eiermann. Viele der Plakate gaben nicht die Lokale, die Theater in Auftrag, sondern die Stars. Jane Avril, unverkennbar mit ihrem spitzen Kinn, den blonden, fast gelben Haaren und exzentrischen Hüten, hat sich offensichtlich wohlgefühlt unter seinem Blick.
Große Nähe zu den Künstlern
Nur mit einem Star hat er sich's verscherzt. Mit Yvette Guilbert. Ihr Markenzeichen waren die schwarzen, langen Handschuhe. Die trägt sie auch auf dem Plakat „Divan Japonais“. Nur ist ihr Kopf nicht zu sehen, dafür im Vordergrund Jane Avril und ein eleganter Begleiter. Das scheint sie nicht so begeistert zu haben. Ihre Werbeplakate malte ein anderer.
Henri de Toulouse-Lautrec zeichnet Persönlichkeiten, Charaktere, keine austauschbaren Models, wie sie zum Beispiel seine Zeit- und Ausstellungsgenossen zeigen. „Er fällt da raus“, sagt Wolf Eiermann. „Er war sehr, sehr viel individueller.“ Übrigens auch, was die Farbgebung angeht.
Ein Reiz der Ausstellung wird sein, zu vergleichen, andere Blicke und Darstellungen ähnlicher Motive zu sehen.
An einem der großformatigen Plakate – es gab damals in Paris nicht nur Litfaßsäulen, sondern große Plakatwände – sieht man kleinere Abschürfungen. „Das hat jemand heruntergerissen“, sagt Eiermann. Die Plakate waren begehrt, die Pariser scheinen verrückt danach gewesen zu sein. Sie hängten sie sich daheim auf, waren fasziniert von der Kunst der Straße. Dafür gab es sogar ein Wort: L'affichomanie. Plakatwahn, könnte man frei übersetzen.
„Es wurden sogar die Plakat-Kleber bestochen, damit sie die Plakate gar nicht erst aufgehängt sondern gleich hergegeben haben“ , sagt Eiermann.
Die Ausstellung zeigt aber auch einen eher unbekannten Toulouse-Lautrec. „Das war mir auch neu“, sagt Wolf Eiermann. Den Illustrator sozialkritischer Romane. Fortsetzungsromane in den Zeitungen waren in Paris der Renner. Die Werbung, zum Beispiel für „Am Fuß des Schafotts“ kam von Toulouse-Lautrec.
Wer durch die Ausstellung geht, wird noch etwas Neues entdecken: Raumtexte. Eine kleine Broschüre mit Texten und Hintergrund zu den ausgestellten werken. Eiermann will bei dieser Ausstellung weg von den langen Texten an der Wand. Schließlich sprechen die Plakate auch immer noch für sich.
Eiermann sieht Paris als erste Metropole, die sich ihr eigenes Profil entwickelt hat. Und damit geworben hat. Mit dem Nachtleben, der Lebenslust, der Ausgelassenheit, der Frivolität. Den Gegenpol dazu kann man auch noch schön im Museum sehen, wenn man im ersten Stock bei Josef Wopfner (1843 -1927) vorbeischaut, der Landschaften gemalt hat. Die Gegenüberstellung macht für Eiermann noch einen ganz besonderen Reiz aus.
Museum Georg Schäfer: Henri de Toulouse-Lautrec: Auf den Bühnen von Paris (1891-1899): 30. Juni bis 29. September. Das Museum zeigt, verteilt auf sieben Räume, zusätzlich zu den mehr als 70 großen Werken, biografisches und historisches Material aus dem Museé d'Ixelles Brüssel. Infos über das Begleitprogramm unter www.museumgeorgschaefer.de.
Zur Eröffnung vor dem offiziellen Ausstellungsbeginn am Samstag, 29. Juni, 15 Uhr, wird Cancan getanzt. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (24,90 Euro).Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Dienstag 10 bis 20 Uhr.