Die erste Grenze musste schon überschritten werden, bei der Einholung der behördlichen Genehmigung für die Kunstaktion auf dem Schweinfurter Marktplatz, erklärt Kavachi, wie sich der türkischstämmige Künstler nennt, der seit 2015 in Deutschland lebt und nun im Rahmen der Ausstellung "Grenzüberschreitungen" des Vereins "KulturPackt für Schweinfurt" eine zweitägige Nähaktion veranstaltete.
Barfuß stand der aktuell in Oberfranken lebende Künstler am Freitagmittag vor dem da im Grunde fertigen Werk. Entstanden ist mit überwiegend grünem Textilmaterial, als eine Art Reminiszenz ans Schweinfurter Grün, ein Banner mit multilingualer Botschaft. Beteiligen konnte sich an der Kunstaktion jeder. Die vorwiegend grünen Stoffe bildeten die Landschaft mit Wäldern, Bergen, Flüssen und Gehölzen. Sie sollen eine utopische Umgebung zeigen, die die Vielfalt widerspiegelt und Orten huldigt, an denen viele schwule Männer romantische Begegnungen haben.
In großen Lettern, bestehend aus angenähten kleinen Teddybären, ist "Good Morgen Ayol" zu lesen. "Ayol" ist eine Art Fantasiebegriff, der im Türkischen oft von Frauen und der LGBTQ-Community verwendet wird, klärt der Künstler auf. Die Teddybären sollen auch haarige, schwule Männer symbolisieren, so der Künstler weiter.
Das "Good Morgen" könne auch ironisch verstanden werden, betont Kavachi. Beispielsweise, wenn die Gesellschaft ein Thema sehr spät versteht. Seine Kunst möchte etwas bewegen und sagen. "Ich bin ein Künstler, ich bin schwul, meine Existenz macht mich politisch", erklärt er. "Aber ich denke, jeder Mensch ist politisch."
Auch Passanten nähten spontan mit
Es wurde aber nicht nur genäht, die Beteiligten tauschten sich auch aus, wie es gelingt, gut miteinander zu leben. Neben Passanten, die sich beim Gang über den Marktplatz spontan entschlossen haben, an der Nähaktion mitzuwirken, waren es vor allem Schülerinnen und Schüler der Evangelischen Fachakademie für Sozialpädagogik, die zum Gelingen der Aktion tatkräftig beitrugen.
Wie Frank Bielmeier, der mit nähte. "Ich fand es schön, daran teilzunehmen", sagte der Schüler, der über keinerlei Näherfahrung verfügt. "Es ging einfach darum, Nadel und Faden in die Hand zu nehmen, es gab kein Richtig und kein Falsch." Wer einmal nicht weiterwusste, bekam vom Künstler unkompliziert Hilfe. "Jeder konnte, was auch immer er will, einbringen", sagte Bielmeier über die schönen Grenzüberschreitungen, die er und seine Klassenkolleginnen und -kollegen auf dem Marktplatz erleben durften.