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Grettstadt
Auf dem Pilgerweg des Ignatius von Loyola
Der Grettstadter Arzt Karl-Heinz Gerhardt hat viel erlebt, auf seinem 700 Kilometer langen Fußweg vom Baskenland bis fast nach Barcelona. Und er hatte mit der Einsamkeit zu kämpfen.
Eine erste hohe körperliche Herausforderung an den Pilger: das Kantabrische Gebirge mit rund tausend Höhenmetern Unterschied bis hinunter zum Ebro-Becken. Kein ermutigender Einstieg zum Auftakt der Pilgerwanderung.
Foto: Karl-Heinz Gerhardt | Eine erste hohe körperliche Herausforderung an den Pilger: das Kantabrische Gebirge mit rund tausend Höhenmetern Unterschied bis hinunter zum Ebro-Becken. Kein ermutigender Einstieg zum Auftakt der Pilgerwanderung.
Peter Volz
 |  aktualisiert: 11.02.2024 11:21 Uhr

Seit 2009 legten Karl-Heinz Gerhardt und seine Frau Diana aus Grettstadt immer wieder Etappen auf dem spanischen Jakobsweg zurück, insgesamt über 2500 Kilometer. Im Dezember 2017 entdeckte der Arzt einen Zeitungsartikel über den Pilgerweg des Ignatius von Loyola, der sein Interesse weckte. Er beschloss, nach Beendigung seiner Berufstätigkeit diesen Weg zu gehen, auf dem alljährlich nur 300 Pilger ans Ziel kommen, im Gegensatz zu den 300 000 Menschen, die in der coronafreien Zeiten nach Santiago de Compostela pilgern.

Das Alleinsein war zwar an den Tourismus-Hotspots, wie hier vor der Basilika auf der großen Plazza in Montserrat, die normalerweise vor Menschen überquillt, ein echter Gewinn, erzeugte aber andererseits auch einige Probleme.
Foto: Karl-Heinz Gerhardt | Das Alleinsein war zwar an den Tourismus-Hotspots, wie hier vor der Basilika auf der großen Plazza in Montserrat, die normalerweise vor Menschen überquillt, ein echter Gewinn, erzeugte aber andererseits auch einige ...

Gerhardts erster Start im März 2020 scheiterte am damaligen Corona-Lockdown. Ein Jahr später zog der Arzt alleine los und erlebte eine 700 Kilometer umfassende Pilgerwanderung. Sein Weg führte von Loyola im Baskenland bis Manresa nicht weit von Barcelona entfernt, also durch fünf spanische Provinzen, und jede hatte eigene Coronaregeln, die sich fast täglich änderten.

Nur wenige Passagiere entstiegen in Bilbao dem Flugzeug. Gerhardt gönnte sich den Besuch des Guggenheim Museums. Was er dann auf der fünfwöchigen Pilgerwanderung erlebte, machte ihm deutlich, wie sehr die Pandemie das Land beherrschte. Er startete im Geburtsort des heiligen Ignatius und legte täglich durchschnittlich 25 Kilometer zurück, auf dem Rücken rund zehn Kilogramm Gepäck.

Viele Unterkünfte waren wegen Corona geschlossen

Es blieb viel Zeit zum eingehenden Betrachten der imposanten menschenleeren Basilika von Montserrat.
Foto: Karl-Heinz Gerhardt | Es blieb viel Zeit zum eingehenden Betrachten der imposanten menschenleeren Basilika von Montserrat.

Corona bestimmte das Leben. Die meisten Unterkünfte, die er gebucht hatte, waren geschlossen und so bestand seine abendliche Aufgabe meist darin, eine Übernachtungsmöglichkeit und etwas Essbares zu finden. Streikte das Routenhandy, so suchte Gerhardt, nicht selten vergeblich, nach Wegweisern oder ortskundigen Bewohnern. Er musste sich zweier aggressiver Schäferhunde erwehren, vor Schrotladungen flüchten, die einem Hasen galten und vor einer Rinderherde, die er aus ihrer Abendruhe geschreckt hatte.

Psychisch belastend war eine Etappe, auf der Gerhardt sich die Straße mit vorbeifahrenden Lastzügen teilen musste, der Weg verlief nämlich stundenlang zwischen Autobahn und Schnellstraße.

Corona brachte aber auch Vorteile. Die touristischen Zentren waren nicht von Menschenmassen bevölkert. Des Spanischen kundig, genoss der Deutsche Gespräche mit den Einheimischen, wobei nicht selten auch eine Auskunft über eine Übernachtungsmöglichkeit oder Nahrungsquelle heraussprang. Den Großteil des Weges legte Gerhardt allerdings mutterseelenallein zurück, und da bedurfte es geistiger Herausforderungen, um nicht durchzudrehen. Mal waren es Lieder, die ihm einfielen, mal Vokabeln und Begriffe, die er repetierte.

Allein mit der weltberühmten Schwarzen Madonna von Montserrat.
Foto: Karl-Heinz Gerhardt | Allein mit der weltberühmten Schwarzen Madonna von Montserrat.

Die Tatsache, dass der Pilger teilweise im Hochgebirge und teils in Flusstälern wanderte, spiegelte sich auch in der sehr unterschiedlichen Vegetation wieder. Dominierten oben Geröll, Rosmarin und Thymian, so erlebte er im Tal weite grüne Grasflächen, frühlingsgrünende Bäume, Sträucher und Weinreben.

Alleine im Pilgerort Montserrat

Der Höhepunkt dieser Pilgerreise war die Ankunft in dem bekanntesten katalanischen Pilgerort Montserrat, gelegen im gleichnamigen Gebirgsmassiv mit seinen bizarren Felsformationen. In normalen Zeiten wird dieser Ort täglich von bis zu 15 000 Besuchern und Pilgern bevölkert; Gerhardt aber war alleine dort. Alle Unterkunftsmöglichkeiten, Bars und Lokale waren geschlossen. Müde schlurfte der Pilger durch die menschenleere Basilika, in der Ignatius vor 500 Jahren seine Waffen abgelegt und das Büßerhemd angezogen hatte, zu der eindrucksvollen Statue der Schwarzen Madonna. Fast am Ziel angekommen, war das ein sehr anrührender Moment, erinnert er sich.

Auch eine Folge der Corona-Epidemie: Alle Hotels waren ohne Vorwarnung und trotz bestätigter Buchung  geschlossen. Essbares gab es meist nur vormittags, oft nur Brot, Käse und Wasser.
Foto: Karl-Heinz Gerhardt | Auch eine Folge der Corona-Epidemie: Alle Hotels waren ohne Vorwarnung und trotz bestätigter Buchung  geschlossen. Essbares gab es meist nur vormittags, oft nur Brot, Käse und Wasser.
Manchmal sind Engel schwarz gewandet und ziemlich klein: Dieser Benediktinermönch, einer von 60 aus dem Kloster von Montserrat, erzählte Gerhardt viel Wissenswertes und verschaffte ihm eine Nacht im Paradies, in einem Klosterzimmer mit Bett und warmem Wasser zum Duschen.
Foto: Karl-Heinz Gerhardt | Manchmal sind Engel schwarz gewandet und ziemlich klein: Dieser Benediktinermönch, einer von 60 aus dem Kloster von Montserrat, erzählte Gerhardt viel Wissenswertes und verschaffte ihm eine Nacht im Paradies, in ...

Beim Verlassen der Kirche traf der Pilger einen kleinen Benediktinermönch, der ihm zum einen sehr viel über die Geschichte und die aktuelle Situation des Klosters erzählte und zum anderen aber auch eine Unterkunft und etwas zu essen anbieten konnte.

Am letzten Tag stieg Gerhardt die 25 Kilometer hinab nach Manresa. Über die Steinbrücke kam er zur Höhle des Heiligen Ignatius, in der dieser nach seiner Reise über ein Jahr als Einsiedler gelebt und seine Inspirationen und Reiseimpressionen niedergeschrieben hatte. Hier traf Gerhardt auf zwei einheimische Pilger, die, wie er, Corona zum Trotz, den Weg gewagt hatten.

An die Höhle des Hl. Ignatius erinnert heute nur noch eine Bodenplatte, da sie mit einem prächtigen Palast überbaut wurde. Dort, am Ende des Ignatius-Weges kam es zum zufälligen Zusammentreffen mit zwei anderen Pilgern.
Foto: Karl-Heinz Gerhardt | An die Höhle des Hl. Ignatius erinnert heute nur noch eine Bodenplatte, da sie mit einem prächtigen Palast überbaut wurde. Dort, am Ende des Ignatius-Weges kam es zum zufälligen Zusammentreffen mit zwei anderen Pilgern.
 
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