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Auf dem Brönnhof: sechs Kälber und 1000 Obstbäume
Gerd Landgraf
Gerd Landgraf
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:22 Uhr

Revierförster Mattias Enslein hat einen attraktiven Beruf, eine große Aufgabe und Spaß im Job, – wenn nicht gerade einige Chaoten auf ihren Motocrossmaschinen durch das Natur-Erbe Brönnhof düsen, oder Einbrecher im Camp Robertson gewütet haben.

Enslein ist beim Bundesforstbetrieb Reußenberg (Hammelburg) für das größte bayerische Natur-Erbe-Projekt zuständig – der ehemalige Truppenübungsplatz der Amerikaner im Norden von Schweinfurt auf den Gemarkungen von Üchtelhausen, Dittelbrunn und Maßbach. Die 1230 Hektar Wald und offenes Land haben sich seit der Enteignung der Bauern im Jahr 1933 (ab 1945 Übungsplatz der Army) eigenständig unter Abschirmung von der Öffentlichkeit bei gleichzeitigem Verzicht auf Düngung der Böden und ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln entwickelt.

Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren

Heute leben etwa 350 gefährdete und geschützte Tier- und Pflanzenarten im Brönnhof, dreizehn vom Aussterben bedrohte, darunter Hirschkäfer, Bechsteinfledermaus und Kammmolch, aber auch Brutvögel wie der Halsbandschnäpper und der Wendehals; Schmetterlinge und Falter; Gelbbauchunke und Zauneidechse; die Türkenbundlinie und die Trollblume sowie das bärtige Hornkraut.

Zur Eigentümergemeinschaft gehören heute die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die Hospitalstiftung der Stadt Schweinfurt und die Waldschutzgemeinschaft Schweinfurt. Betraut mit dem Schutz des Natur-Erbes und mit dessen Entwicklung ist der Bundesforst in Hammelburg.

Solarkraft aus Camp Pobertson

An diesem feuchten und kalten Dienstag trifft sich die Redaktion mit Enslein, Forstamtsleiter Godfried Schwartz und dessen Stellvertreter Christian Stoewer am Rande des großen Naturschutzgebietes am Wasserturm von Pfändhausen. Über die schweren tonigen Lehmböden und die lehmigen Tonböden (darunter ist Muschelkalk und Keuper) fahren wir das Camp Robertson im Norden des Freigeländes an.

Das Camp (zwölf Hektar) gehört wie die beiden Bunker-Areale nicht zu dem Flora-Fauna-Habitat-Gebiet, für das strenger Natur- und Landschaftsschutz gilt. Für das Camp laufen Verhandlungen über den Bau eines Solarkraftwerkes. Dort ist der Boden weitgehend versiegelt, einige Gebäude warten auf den (wahrscheinlichen) Abriss, die früheren Leichtmetallhallen sind bereits verkauft und abgebaut. Auch gibt es einen Starkstromanschluss – aber auch den Milan, weswegen die Idee, Windkrafträder zu bauen, verworfen ist.

Rundblick von der Feldherrnhalle

Eine zweite Photovoltaikanlage könnte auf dem Bunkergelände (drei Hektar) zwischen dem Camp und Pfändhausen am Rande der zentralen Freifläche des ehemaligen Panzerübungsplatzes – auf dem übrigens niemals ein scharfer Schuss abgefeuert wurde – entstehen. Als ungeeignet für die Stromerzeugung ist die große Bunkeranlage im Süden (nach der Schranke auf der Heeresstraße) eingestuft.

Anschließend besuchen wir gleich neben dem Camp die Feldherrnhalle auf dem Feldherrnhügel, von dem keine militärischen Übungen mehr beobachtet werden, der aber weiterhin einen exzellenten Rundblick bietet. Wir sehen die Rinder und Wildpferde auf der verpachteten Koppel (erlaubt ein Tier pro zwei Hektar). Ein halbes Dutzend Kälber wurden seit Sommer 2015 auf dem Brönnhof geboren. „Die stehen gut im Futter“, sagt Schwartz über die Pferde und Rinder. Das Futter für den Winter ist jetzt längst eingebracht, stammt ebenfalls vom Brönnhof, vor einer rund 60 Hektar großen Mähfläche, die an den Tierhalter verpachtet ist. Beweidet wird auch das Grünland im Westen der Freifläche (80 Hektar). Zweimal im Jahr macht hier eine Wanderschäferei Station.

Rückbau der Heeresstraße

Auf der Fahrt durch das Freigelände erzählt Schwartz, dass die Heeresstraße auf dem Übungsplatz in der jetzigen Größe nicht mehr gebraucht wird, man an einen Rückbau (zur Fahrradtrasse) denkt. Doch dieser Würfel ist noch nicht gefallen. Für das Jahr 2017 ist eine Biotopkartierung in Auftrag gegeben, die zeigen soll, was wo möglich, was wo anzuraten ist. Die Kartierung wird die Grundlage für das Entwicklungskonzept und für das Besucherlenkungskonzept (nicht vor 2019) sein. Zu klären ist nach der Bestandsaufnahme noch vieles, auch ob die Wassertümpel und Seen um Flachwassergebiete und Uferzonen zu erweitern sind.

Verschwinden werden im Freiland wohl einige der geschotterten Wege, von denen es viele gibt, die nicht mehr gebraucht werden, was nicht alle der im Sommer zahlreichen Radfahrer freuen wird. Vorbei führen die Wege an unterschiedlich beweideten Flächen. Dort steht das Gras hoch, hier nicht. „Absicht“, sagt Schwartz. Vielseitigkeit sei gewollt.

Naturwaldreservat

Bei der Fahrt nach Norden zu einem bereits eingerichteten Naturwaldreservat macht Enzlein auf die Waldränder aufmerksam. Diese sind abgestuft. Der Förster hat Buchten in den Hochwald einschlagen lassen. Ökologisch wertvoll ist dieser Übergangsbereich. Die Fledermaus findet hier Unterschlupft. Doch genau in diesen Bereichen sind allenthalben die wild angelegten Trails der Motocrossfahrer zu finden.

In den Wäldern im Westen und Norden (die Wälder im Osten, einst Teil des Truppenübungsplatzes, gehören nicht zum Natur-Erbe, sind an die Eigentümer zurückgegeben) stehen noch große Nadelholzbestände. Diese werden in den kommenden Jahren durchforstet und sollen zum standortgerechten Laubwald durch Naturverjüngung umgewandelt werden.

Eichenwald vom Menschen gemacht

Auf dem Brönnhof ist die Eiche zwar standortgerecht, doch von Natur aus würde die Buche dominieren. Bereits bestehende Buchenwälder hat der Forst bereits aus der Nutzung genommen. Sie bleiben sich selbst überlassen. Anders sieht es in den Beständen mit einem hohen Eichenanteil aus. Der Eichenwald auf dem Brönnhof ist vom Menschen gemacht und gehört seit Jahrhunderten zur hiesigen Kulturlandschaft. Ihn zu erhalten, fordert der europäische Naturschutzgedanke, der damit im Widerstreit zum Naturwald steht.

Der Bundesforst schützt die Eichenbestände und hilft nach, damit sich die jungen Eichen gegen die schneller wachsenden Buchen behaupten können. Dies passiert auch und gerade bei den Waldstücken, die der traditionellen Mittelwaldbewirtschaftung zugeführt werden, die ökologisch wegen dem Artenreichtum an Insekten und Vögeln als besonders wertvoll gelten.

Schüsse im Schutzgebiet

Weil die Förster vereinzelt große Bäume (des bisherigen Hochwaldes) im künftigen Mittelwald stehen lassen, spricht Schwartz von einer „mittelwaldartigen“ Bestockung, die viel Licht, aber auch die Jagd braucht, denn das Reh würde ansonsten die jungen Eichen verbeißen.

Enslein, Schwartz und Stoewer sehen auf dem Brönnhof ihre Aufgabe im Schutz der Natur, nicht in einer ertragreichen Waldbewirtschaftung. Letzteres war im Bundeswald noch nie das vorrangige Ziel, denn auf den militärisch genutzten Flächen waren die Belange der übenden Truppen stets stärker als der Gewinn von Wertholz gewichtet.

1000 Obstbäume

Die Rückfahrt wird mit einem Abstecher auf das insgesamt 200 Hektar große Freigelände unterbrochen. Die kleinen Waldstücke oder Gehölze, die das Landschaftbild mitbestimmen, sollen erhalten und sich selbst überlassen bleiben. Geholzt wird dagegen in den auf einen ersten Blick nicht mehr zu erkennenden Streuobstflächen. Rund 1000 Obstbäume stehen auf dem Brönnhof. Die Waldbäume, welche Apfel, Birne oder Kirsche überwuchert haben, werden gefällt. Der anschließende Obstbaumschnitt soll die Streuobstwiesen fit für kommende Jahrzehnte machen.

Förster Matthias Enslein hat alles im Blick.
Foto: Anand Anders | Förster Matthias Enslein hat alles im Blick.
Totholz bringt Artenvielfalt, weshalb an einigen Bäumen die Saftbahnen durchtrennt sind.
Foto: Anand Anders | Totholz bringt Artenvielfalt, weshalb an einigen Bäumen die Saftbahnen durchtrennt sind.
Totholz bringt Artenvielfalt, weshalb an einigen Bäumen die Saftbahnen durchtrennt sind.
Foto: Anand Anders | Totholz bringt Artenvielfalt, weshalb an einigen Bäumen die Saftbahnen durchtrennt sind.
 
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