Gebietsreform: Acht Dörfer aus drei Altlandkreisen wurden 1978 zur Gemeinde Wasserlosen zusammengefügt. Die finanzschwache Kommune kämpft bis heute mit der Entscheidung.
Von den 29 Gemeinden, die seit 50 Jahren den Landkreis Schweinfurt bilden, hat Wasserlosen am westlichen Rand ein schweres Los gezogen. Aus acht Ortschaften in drei Altlandkreisen – Hammelburg, Karlstadt und Schweinfurt – wurde die Gemeinde damals zusammengefügt. Bis heute hat die finanzschwache Kommune mit dieser Entscheidung zu kämpfen.
Drei Landkreise mit unterschiedlicher Infrastruktur, acht weit auseinanderliegende Dörfer, ohne ein besonderes Gewerbe und ohne besondere Finanzkraft, außerdem mit getrennten Schulsprengeln: Die Voraussetzungen für die Neubildung der Gemeinde Wasserlosen waren schwierig. Dass sie aber dem Landkreis Schweinfurt zugeschlagen wurde, hält Bürgermeister Anton Gößmann für stimmig. Zumal die Richtung zu den Arbeitsplätzen in der Stadt ging. "Karlstadt wäre viel zu weit weg gewesen und Bad Kissingen auch".
Orte aus drei Landkreisen zusammengefügt
Erst zum Ende der Gemeindegebietsreform (1972 bis 1978) wurde die westlichste Kommune im Landkreis Schweinfurt gebildet: Aus Wasserlosen und Greßthal aus dem vormaligen Landkreis Hammelburg, der im Landkreis Bad Kissingen aufging, aus Burghausen, Kaisten, Rütschenhausen, Schwemmelsbach und Wülfershausen aus dem früheren Landkreis Karlstadt, der in den Großlandkreis Main-Spessart integriert wurde, und aus Brebersdorf, das schon vorher zum Landkreis Schweinfurt zählte.
Alle Dörfer lagen zuvor am Rand ihrer jeweiligen Landkreise, "acht Habenichtse", noch dazu vernachlässigt, wie es der frühere Bürgermeister Günther Jakob (2002 bis 2014) bezeichnet. Aus ihnen die größere, leistungsfähige Einheit zu bilden, wie von Bayerns Innenminister Bruno Merk bei der Gebietsreform vorgegeben, war und ist nicht einfach.
Ursprünglich hatte ein Plan vorgesehen, dass sich ein größerer Zusammenschluss mit Orientierung Richtung Euerbach bilden sollte, hat Bürgermeister Anton Gößmann vom 92-jährigen, letzten Bürgermeister der selbstständigen Gemeinde Wasserlosen, Arno Ziegler, erfahren. Eine Zusammenlegung von Wasserlosen, Greßthal, Rütschenhausen, Schwemmelsbach und Obbach, mit Sitz in Obbach, lautete im Frühjahr 1971 der Plan, den der damalige Obbacher Bürgermeister laut Ortschronik aus dem Landratsamt mitbrachte. Was eine Bürgerversammlung dort aber ablehnte.
Neue Entwürfe aus dem Landratsamt vom Februar 1972 zielten auf einen Zusammenschluss von zehn Dörfern ab: den heutigen acht plus Euerbach und Obbach. Verwaltungssitz sollte Euerbach werden, falls dieses nicht zustimmte, dann Sömmersdorf. Doch auch dieser Plan ging nicht auf. "Die hinteren Bürgermeister waren dafür, eine eigene Gemeinde im Verbund zu bilden", hat Gößmann von Ziegler erfahren.
Jeder Ort war noch seine Selbstständigkeit gewohnt und achtete genau auf den Nachbarn
Zum 1. Mai 1978 konstituierte sich dann die Gemeinde mit den acht Ortsteilen und heute etwa 3400 Einwohnern. Bürgermeister wurde der Greßthaler Walfried Kaufmann, der bis 2002 im Amt war. Als Gemeindenamen wählte der Gemeinderat den des größten Dorfes Wasserlosen. Die zweitgrößte Ortschaft Greßthal bekam aber den Verwaltungssitz.
Einfach war die erste Zeit im Gemeinderat nicht, zumal dort die ehemaligen Bürgermeister als Gemeinderäte mitbestimmten. Der Großgemeinde stand man skeptisch gegenüber, jeder Ort war noch seine Selbstständigkeit gewohnt und achtete genau auf den Nachbarn.
Beispielsweise sollte eigentlich in Greßthal die gemeindliche Mehrzweckhalle gebaut werden. "Die Planung war schon fertig, dann ist die Halle nach Wasserlosen gekommen", weiß Jakob, der ab 1984 im Gemeinderat saß und sich an die Abstandszahlung erinnert.
Von gegenseitigem Neid im Gemeinderat sei heute längst nichts mehr zu spüren, versichert Bürgermeister Gößmann. Aber er erkennt auch, dass ein echtes "Wir-Gefühl" für die Flächengemeinde mit 51.300 Hektar fehlt. "Die Dörfer laufen alle woanders hin", sagt er. Die Brebersdörfer nach Werneck zum Einkaufen und zum Arzt, die ehemaligen Karlstädter Dörfer nach Arnstein, die nördlichen haben traditionell Beziehungen nach Sulzthal und Euerdorf und die Rütschenhäuser nach Sömmersdorf.
Grundschüler der Gemeinde sind auf drei Standorte aufgeteilt
Ein Grund für die unterschiedliche Orientierung ist auch der Schulsprengel, der schon vor Bildung der Einheitsgemeinde festgelegt war. So sind die Grundschüler der Gemeinde wegen der kürzeren Entfernung zum Schulort auf drei Standorte aufgeteilt: die Brebersdorfer Kinder gehen nach Schleerieth (Gemeinde Werneck), die Burghäuser, Kaistener und Wülfershäuser nach Schwebenried (Stadt Arnstein, Lkr. Main-Spessart) und die Wasserlöser, Greßthaler, Schwemmelsbacher und Rütschenhäuser in das Schulhaus Wasserlosen. "Wer aus der Gemeinde in eine weiterführende Schule geht, der kennt sich vorher gar nicht", weiß der Bürgermeister.
Bis 2011 waren auch die Haupt- und Mittelschüler verteilt auf Arnstein, Werneck und Poppenhausen. Mittlerweile werden sie in Poppenhausen unterrichtet, bis auf die Brebersdorfer Jugendlichen, die weiter in Werneck beschult werden.
In wirtschaftlicher Hinsicht kann die Gemeinde auf keine großen Gewerbesteuereinnahmen setzen. Gab es anfangs noch Einnahmen dank der Raiffeisenbank Schwemmelsbach, fielen diese mit deren Fusion mit Euerbach, später mit Schweinfurt weg. Ein finanzstarker Ort in der Großgemeinde fehlt bis heute.
Es fehlen große Gewerbebetriebe und ein Lebensmittelmarkt
Ein großes Gewerbegebiet? Ebenfalls Fehlanzeige. "Die Anbindung an die A7 ist lange nicht so als Wirtschaftsstandort gesehen worden wie heute", meint Günther Jakob. Allerdings ist vor allem die Topographie, das hügelige Gelände, "das größte Problem", sagt Bürgermeister Gößmann. Solange es in der Region ebene Flächen für Gewerbe gebe, würden diese eben bevorzugt.
Gößmann bemüht sich derzeit um eine kleine Gewerbeansiedlung für die dringend benötigte Nahversorgung an der A7-Abfahrt zwischen Schwemmelsbach und Rütschenhausen. Denn in der ganzen Gemeinde gibt es keinen Lebensmittelmarkt mehr. Die Fläche an der A7 mit einem Höhenunterschied von zehn Meter liegt geografisch etwa mittig im Gemeindegebiet. Das Vorhaben könnte aber an der SuedLink-Trasse und/oder an der künftigen Landesplanung scheitern, die Gewerbeflächen außerhalb von Orten nicht mehr genehmigen will.
Trotzdem betont Gößmann, dass die Gemeinde finanziell zurechtkomme und die vielen Projekte in den Ortsteilen eben nach und nach bewältige: Neue Baugebiete, Straßenbau, Breitbanderschließung. Sein Amtsvorgänger fordert aber von der bayerischen Staatsregierung, dass solche künstlich gebildeten Flächengemeinden mit schwacher Finanzkraft viel stärker finanziell bedacht werden müssten.