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GRAFENRHEINFELD
Atomrisiko: Zwischenlager laut BUND vor Terrorangriffen nicht geschützt
Das Zwischenlager am Atomkraftwerk Grafenrheinfeld.
Foto: Anand Anders | Das Zwischenlager am Atomkraftwerk Grafenrheinfeld.
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:14 Uhr

42 Castorbehälter mit hoch-radioaktivem Abfall sind am stillgelegten Atomkraftwerk Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) zwischengelagert. „Jeder enthält soviel Cäsium, wie 1986 bei der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl freigesetzt wurde.“ Bereits die Freisetzung eines Teiles davon würde eine hohe radioaktive Belastung darstellen. Die Analyse von Diplom-Physikerin Oda Becker in ihrer 2017 im Auftrag des BUND erstellten Studie zu den Gefahren und Problemen in deutschen Zwischenlagern für hoch-radioaktive Abfälle sieht Gefahren-Potenzial und Sicherheitslücken.

„Wir müssen hingucken, nicht weggucken“, sagt Babs Günther vom Schweinfurter Aktionsbündnisses gegen Atomkraft. Und damit die Öffentlichkeit hinguckt, hat man die Physikerin zu einer Informationsveranstaltung ins Kolping-Bildungszentrum in Schweinfurt eingeladen. Rund 50 Interessierte sind gekommen. Unter ihnen Bürgermeister, Stadträte und Gemeinderäte der Anliegergemeinden, Vertreter von Vereinen und Verbänden und besorgte Bürger.

88 genehmigte Stellplätze für Castoren mit abgebrannten Brennelementen aus dem Betrieb des AKW gibt es in Grafenrheinfeld. Becker sieht Defizite nicht nur bei der Sicherung, sondern vor allem bei der Sicherheit der Zwischenlager. Als diese gebaut wurden, hatte man Terroranschläge noch nicht auf dem Schirm.

Und als BELLA (Brennelementbehälterlager) im Februar 2006 in Grafenrheinfeld in Betrieb ging, glaubte man noch, dass Castoren kein attraktives Ziel für Terroristen seien. Heute ist das anders. „Das BKA sagt, dass in Deutschland Anschläge auf Atomanlagen nicht mehr auszuschließen sind.“

Eine bewaffnete Terrorgruppe ist in der Lage, in die Halle einzudringen“

Die Atommüll-Zwischenlager sind bei Terrorangriffen nicht geschützt, sagt Diplom-Physikerin Oda Becker. In Schweinfurt stellte sie ihre für den BUND erstellte Studie über aktuelle Probleme und Gefahren bei deutschen Zwischenlagern vor.
Foto: Irene Spiegel | Die Atommüll-Zwischenlager sind bei Terrorangriffen nicht geschützt, sagt Diplom-Physikerin Oda Becker. In Schweinfurt stellte sie ihre für den BUND erstellte Studie über aktuelle Probleme und Gefahren bei deutschen ...

„Man braucht nicht viel TNT, um die 55 Zentimeter starke Decke des Zwischenlagers zu sprengen“, verdeutlicht Becker die Gefahr. 2010 hätten sich Behörden und Betreiber zwar auf die Nachrüstung der Zwischenlager mit zusätzlichen Mauern und Schleusen am Eingangsbereich verständigt, doch der Schutz gegen potenzielle Terrorangriffe sei auch mit diesen baulichen Nachbesserungen nur unzureichend.

Für Grafenrheinfeld seien sie zudem noch gar nicht genehmigt. „Eine bewaffnete und entschlossene Terrorgruppe ist in der Lage, in die Halle einzudringen“, ist Becker überzeugt.

Auch vor einem gezielten Flugzeugabsturz seien die Castoren nicht geschützt. Laut Becker halten sie eine Temperatur von 800 Grad Celsius über 30 Minuten stand. Wenn Kerosin in Brand gerät, entstehen aber Temperaturen von bis zu 1200 Grad Celsius. Die Dichtungen an den Castordeckeln könnten versagen und erhebliche Radioaktivität freigesetzt werden. „Das Risiko ist zu groß, wir müssen jetzt handeln.“

Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die Genehmigungen für die Atommüllzwischenlager auf 40 Jahre befristet sind – für Grafenrheinfeld läuft diese 2046 aus – bis dahin aber kein Endlager in Sicht ist. Bei optimistischer Zeitplanung würde dieses in 70 Jahren zur Verfügung stehen, bei pessimistischer Einschätzung erst im nächsten Jahrhundert, zitiert Becker Experten der Endlagerkommission. „Die Zwischenlagerung der Castorbehälter kann also noch mehr als 110 Jahre andauern.“

10 500 Tonnen hoch-radioaktive Abfälle

Und das wirft ein weiteres großes Problem auf: Die Zwischenlagerung von hoch-radioaktivem Material über mehr als 50 Jahre ist überhaupt nicht erforscht, die Überprüfung des Behälterinnenraums bisher gar nicht vorgesehen und eine heiße Zelle für eventuelle Reparaturen an den Castorbehältern nirgends vorhanden.

Derzeit lagern 10 500 Tonnen hoch-radioaktive Abfälle an zwölf Standortzwischenlagern, in drei zentralen Zwischenlagern und im Zwischenlager Jülich, das obendrein wegen der fehlenden Erdbebensicherheit seit vier Jahren ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde ist. „Und was passiert?“, fragt Becker in die Runde. „Nichts, weil wir keine Alternative haben.“

Die Atomsicherheitsexpertin zieht den Schluss, dass ein erweiterter Strahlenschutz für die Bevölkerung dringend nötig ist. Sie fordert eine Neubewertung des Zwischenlagerkonzeptes, denn bis jetzt basiere dieses auf „Durchmauscheln“.

Drei Optionen werden für ein neues Zwischenlagerkonzept diskutiert: Entweder alle vorhandenen Zwischenlager bleiben bestehen und weitere werden noch gebaut, oder es werden nur an ausgewählten Standorten welche errichtet, oder aber man baut ein großes Zwischenlager als Eingangslager am vermutlichen Endlager. Dort würden dann nach Rückbau aller AKWs 1900 Castorbehälter stehen und auf ihre Endlagerung warten. „Die Leute dort werden durchdrehen“, hält Becker diese Lösung für unrealistisch.

Welche Variante letztlich die risikoärmste für Mensch und Natur ist, das müsse in einem öffentlichen Prozess ermittelt werden, an dem die Menschen an den Zwischenlager-Standorten beteiligt werden. „Wir müssen jetzt, 2018, damit anfangen“, mahnt Becker, „um noch rechtzeitig reagieren zu können.“

 
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    "Wie üblich viel Getöse um Nichts..."
    Sehe ich auch so und wenn man sich noch in Erinnerung ruft dass diese Castoren schon für sich sicher sind, man also gar keine Lager bräuchte, sie einfach unter freiem Himmel abstellen könnte......
    Okay, das versteht ihr wieder nicht und ich höre schon das aufgebrachte ausatmen.... grinsen
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  • G. S.
    Halt wieder die ideologisch geprägte Aufwiegelung und Panikmache der Bevölkerung.

    Aus dem Bericht ist zu entnehmen, dass immerhin 30 (!) Personen den Weg zu dieser Veranstaltung gefunden haben. Das aus einer Region mit mehreren 100tausend Menschen, die ja lt. den gebetsmühlenartigen Aussagen der Veranstaltern in den letzten Jahren alle angeblich ach so tief betroffen sind. Anhand der Aufzählung der Funktionen der Teilnehmer erlaube ich mir sogar zu vermuten, dass diese teilweise auch dort waren, um gesehen zu werden, weniger weil sie voll hinter der Sache stehen.

    Wie üblich viel Getöse um Nichts von einer kleinen, aber lautstarken Minderheit. Für die Mehrheit der Bevölkerung ist das Thema egal bis durch.
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  • B. S.
    weil man sowieso nichts bewegen kann..@redakteur.
    Die Politiker machen was sie wollen und die Interessen der Energielieferanten haben auch einen hohen Stellenwert.
    Die,die am Ende die Rechnungen zahlen-im wahrsten Wortsinn,Bürger,die dort leben,das interessiert doch die Verantwortlichen einen Dreck.

    Die tausende Menschen die auf die Strassen gingen,um gegen Atomkraft zu protestieren in dern 80ern,90ern,hatten leider auch nichts erreichen können.

    Kurzsichtige Denke.
    Mit aller Gewalt musste die ach so tolle Atomenergie gebaut werden vor 30,40Jahren,ohne jegliche Gedanken über die schwerwiegenden Probleme hinsichtlich der Entsorgung.

    Es ist kein schöner Gedanke,da in der Gegend-de facto im Radius 30-40km- leben zu müssen.Beängstigend.
    Warten auf den Supergau muss man nicht mehr aber Freude macht es keine,diese hässlichen Türme weiter betrachten zu müssen.
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  • N. W.
    Hier zeigt sich mal wieder wie unüberlegt erst ideologisch und dann panisch der Atomausstieg von statten ging.
    Beispiel Castoren. Erst wurden sie als unsichere Behältnisse dargestellt, die undicht werden und nicht transportiert noch für Endlagerung genutzt werden dürfen. Die Leute wurden massenhaft von Grünen zu bürgerkriegsähnlichen Protesten aufgewiegelt.

    Dann wurde beschlossen eben diese Castoren in Hallen neben den exAKWs zu lagern. Es war nie eine Lösung – es war reine Augenwischerei für Grüne Wähler! Es war jedem klardenkenden von Anfang an bewusst, dass die Behälter, wenn sie mal in der Halle stehen dort schwerlich wieder weg kommen.

    Und jetzt heulen also die Verursacher der oberirdischen Hallenlager über das was sie angerichtet haben.

    Ein Lager im Berg wäre ja eine Idee....?
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  • H. S.
    Da hätten die AKW Betreiber beim Bau der Zwischenlager wohl besser mal etwas mehr Geld in die Hand genommen, dann wären die Zwischenlager heute auch sicherer! Aber dann hätte EON ja Abstriche bei der Dividende machen müssen...
    Glüchlicherweise ist das AKW nun endlich abgeschaltet und es wird nicht noch mehr "Problemmüll" produziert.
    Wenn Sie die Castoren in einem Berg lagern wollen, dann kann man ja nur hoffen, das die dann nicht genauso absaufen wie der Atommüll in der Asse!
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  • L. W.
    @ mainpostgw

    Der Unfug begann mit dem Bau der Atomkraftwerke ohne für ein sicheres Endlager gesorgt zu haben.
    Würden Sie in ein Flugzeug zu einem Zielort einsteigen, der noch keine Landebahn hat?
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  • N. W.
    Lebenhan &mainmensch,
    Teilweise richtig. Nur:
    Der Spruch "...man hätte vor vierzig Jahren..." nutzt heute und in der Zukunft bis zur Erfindung der Zeitmaschine leider rein gar nichts.
    Er kommt auch meist von Leuten, die damit ihre Unschuld beteuern und damit von der eigenen Konzeptlosigkeit ablenken. Einen praktikablen Lösungsvorschlag für das Problem habe ich aber von der Seite noch nicht einen gehört. Jeder Vorschlag wird ideologisch zerredet damit man sich selbst um eine Entscheidung drücken kann.

    Also wenn ich die Wahl hätte zw. der Lagerung in einem Berg oder in einer Blechhalle, ich würde den Berg nehmen. Auch wenn keiner sicher sagen kann was in 100T Jahren mit dem Berg passiert.
    Und selbst wenn ein Experte jetzt eine entsprechende Garantie aussprechen würde, was wäre die Wert?
    Wie ziehen wir ihn in 100T Jahren zur Rechenschaft?
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  • L. W.
    @ mainpostgw

    Ist denn die von Ihnen favorisierte Partei für ein Endlager in einem Berg auch in Oberbayern bereit?

    Bislang sind diese Atom Befürworter immer nur in Ablehnung zu einem Endlager speziell in Bayern.
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  • N. W.
    lebenhan,
    versuchen sie es doch außnahmsweise mal mit sachlicher Diskussion!

    Also:
    Was spricht ihrer Meinung nach für die Alpen?
    Besonders im Vergleich zu Gorleben?
    Der Salzstock in Gorleben besteht seit gut 200Mio Jahren in seiner heutigen Form.
    Die Alpen sind ein Faltengebirge das sich durch die Kontinentalplattenverschiebung immer noch bewegt...
    Also was spricht ihrer Meinung nach trotzdem für die Alpen?

    Ich denke es wissen hier alle regelmäßigen Mitleser:
    In Wahrheit haben sie keine sachlichen Argumente und es geht ihnen mit ihrer Frage doch nur darum möglichst der CSU Schaden zu zufügen...
    Sie sollten aus den Diskussionen in der Vergangenheit schon bemerkt haben, dass sie mit solch einer billigen Rethorik nicht weit bei mir kommen.
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  • L. W.
    @ mainpostgw

    Was macht aber jetzt den Salzstock in Gorleben sicherer als das Granitgebirge in Oberfranken?

    Es geht doch der CSU nur darum von den Vorteilen zu profitieren und langfristige Risiken zu verdrängen. Nach dem Motto: aus den Augen aus dem Sinn.
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  • N. W.
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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  • H. S.
    Den Vergelich der Atomkraft mit dem Flugzeug ohne Landebahn trift die Sache sehr gut!
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    Wir haben doch echt Glück, dass Terroristen nicht im 20. Jahrhundert angekommen sind. Wer glaubt der westlichen Welt könnte man mit paar Bomben und einen Angriff auf einen 80 Tonnenkolos erschüttern, lebt genau wie die Terroristen im Mittelalter.
    Da gibt es ganz andere Ziele um die Moderne Welt zu "zerstören".
    Tschernobyl, Fukushima, Zwillingstürme......etc. Hat die Grundfesten der westlichen Welt nicht erschüttert.
    Chaos in den geordneten Strukturen einer Zivilisation wäre deren Untergang.
    So gehen die Menschen mit offenen Augen ihrem Untergang entgegen, weil sie den Fokus auf unrelevante Dinge legen.
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