75 Interessierte sind dem Aufruf des Schweinfurter Aktionsbündnis gegen Atomkraft (SWAB) gefolgt, um bei einer Film-Matinee mit dem Film „ Wackersdorf“ im Schweinfurter Programm-Kino KuK des 33. Jahrestages der Atomkatastrophe von Tschernobyl zu gedenken. Babs Günther, Sprecherin des SWAB, erläuterte bei der Begrüßung, dass auch nach 33 Jahren in einigen Gebieten Deutschlands die Auswirkungen des radioaktiven Fallout, der über Europa niedergegangen war, nachzuweisen seien, heißt es in einer Pressemitteilung.
Landrat Florian Töpper sprach in seinem Grußwort von seiner persönlichen Überzeugung, dass die Fortführung oder gar Ausweitung von Atomenergie, wie sie zur angeblichen Sicherung des Energiebedarfs von manchen Kräften propagiert werde, der falsche Weg sei. Töpper verwies darauf, dass Schweinfurt/Grafenrheinfeld auch nach der Abschaltung des AKW Grafenrheinfeld Atomstandort sei und es noch lange bleiben werde.
Claus Bößenecker und Wolfgang Baumann beim Filmgespräch
Landrat Töpper stellte fest, dass es inzwischen deutliche Unterschiede zu den Auseinandersetzungen um den damals geplanten Bau der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) Wackersdorf gebe – man begegne sich mehr auf Augenhöhe. Er begrüßte die Würdigung bürgerschaftlichen Engagements und der Zivilcourage des früheren Schwandorfer Landrats Hans Schuierer durch den Film „Wackersdorf“ von Oliver Haffner.
Zum Filmgespräch konnte Babs Günther mit Claus Bößenecker und Wolfgang Baumann zwei echte Protagonisten und Gegner der WAA Wackersdorf begrüßen. Claus Bößenecker war als juristischer Staatsbeamter Leiter der Abteilung für Bau- und Umweltrecht im Landratsamt Schwandorf. In der Familie gab es eine eindeutige Ablehnung der WAA. Helga Bößenecker, die die Film-Matinee ebenfalls besuchte, war damals Schriftführerin der BI gegen die WAA. Claus Bößenecker musste den Bebauungsplan formal bearbeiten. Die Zweifel, die er an der Rechtmäßigkeit der atomrechtlichen Auswirkungen geäußert hatte, waren für das Bundesverwaltungsgericht später ein Grund für die Aufhebung des Bebauungsplans.
Baumann hat WAA-Gegner erfolgreich vertreten
Auch wenn nicht alles so stattgefunden hat, wie es der Film suggeriert, sind für Claus Bößenecker wichtige Elemente dargestellt, die es zu erinnern gilt: die eingestreuten Originalaufnahmen von Bauarbeiten, Demonstrationen am Bauzaun und massiven Polizeieinsätzen gegen friedliche Demonstranten, die oft mit ihren Kindern unterwegs waren, der Einsatz von Tränengas. „Je brutaler die Polizei vorgegangen ist, umso mehr Unterstützung hat die BI in der Bevölkerung bekommen.“ Bößeneckers Idee war das „ Marterl“ - unter Einhaltung bestimmter Maße ist dessen Errichtung nicht genehmigungspflichtig, und Andachten müssen nicht angemeldet werden. So hat sich die BI regelmäßig zu Andachten versammelt – anschließend haben die Teilnehmer auf dem Nachhause-Weg den Bauzaun umrundet.
In der Einschätzung, dass die eingereichten Unterlagen zum Bau der WAA juristisch nicht haltbar sind, war sich Claus Bößenecker mit dem Würzburger Rechtsanwalt Wolfgang Baumann einig. Wolfgang Baumann hat damals WAA-Gegner, die gegen deren Bau geklagt hatten, erfolgreich vor Gericht vertreten. Wichtig für den juristischen Erfolg war, dass sich bundesweit Wissenschaftler zur Verfügung gestellt und zugearbeitet haben.
Erörterungstermin nach fünf Wochen abgebrochen
Baumann und Bößenecker erinnern an die Erörterungstermine: zum ersten, 1984, waren rund 50 000 Einwendungen eingegangen, zum zweiten, der im Sommer 1988 in Neunburg vorm Wald startete, kamen 881 000 zusammen. Dieser wurde nach fünf Wochen abgebrochen. Das Ende für die WAA wurde schließlich am 31. Mai 1989 verkündet.
Baumann sieht Parallelen zu anderen Großbau-Projekten, zum Beispiel die geplanten Stromtrassen und empfiehlt der Bevölkerung, genau zu hinterfragen, ob diese tatsächlich nötig und sinnvoll sind und wem sie im Endeffekt dienen können. Er beruft sich auf eine Szene des Films, die symbolisch deutlich macht, dass es wichtig ist, auf die Kommunalpolitiker zuzugehen, um diese für den Widerstand „mit ins Boot zu holen“. Babs Günther verweist auf die erschreckende Ähnlichkeit von Bildern im Film mit denen, die 2018 bei Räumungsarbeiten im „Hambacher Forst“ entstanden sind.