Die Kulturförderung durch die Stadt, sie hat im Rathaus neuerdings einen kleinen Haken.
Die rund 190 Gäste, die bei der KulturPackt-Gala 2015 in die Rathausdiele strömten, durften eben diesen am altehrwürdigen Dachbalken des Renaissance-Prachtbaus bestaunen. Ein Haken, an dem wiederum ein Akrobatenreifen hing, über den Köpfen von Sebastian und Monika Remelé sowie den vorderen Reihen: später ging hier tatsächlich noch eine Artistin in die Luft.
Nach der Eröffnung durch KulturPackt-Sprecher Ingo Schäfer übernahm OB Remelé selbst die „Anmoderation“, einen Tag vor Silvester. Der Rathauschef freute sich vor allem über die vielen jungen Künstler am Start.
Vorneweg „Passion4Saxxes“, mit denen er Schweinfurt beim Besuch der schwedischen Königin Silvia vertreten durfte – in der Würzburger Residenz.
Die Celtis-Schüler Anna-Christine Brand, Maria Maier, Anna-Lena Weigand und Christof Kern kamen mit Saxofon auf die Bühne und brachten den Saal in Stimmung, spätestens beim Glenn Miller-Klassiker „In the Mood“. Dazu gab's einen flotten Ausflug auf einen afrikanischen Marktplatz oder zu den Blues Brothers: Wow.
Jungstars
Gala-Moderatorin Erna Rauscher, selbst Musikerin, die im zweiten Jahr in die Fußstapfen von Hans Driesel getreten ist, hatte mit den Beasty Boys gleich die nächsten Jungstars auf dem Programmzettel: „Junges Gemüse, das schon einiges auf dem Kasten hat.“ Die Breakdancer Fabian, Miguel, Leon, Tim, Salim, Lukas und Diego sorgten für einen fliegenden Wechsel, als amtierende deutsche Meister in der Altersklasse bis elf Jahre: wie der „große Bruder“ DDC ein Gewächs der Tanzschule Pelzer.
Die Poetry Slammerin Hannah Felicitas Conrady, 17, steuerte Wortakrobatik bei – in der Stadt der Dichterschlachtschüssel, die im Dezember zuletzt Poet Martin Hönl aus Dietenhofen errungen hat und 2016 ihren zehnten Geburtstag feiern wird. Bei der Münnerstädterin ging es um Träume, die im Lauf des Lebens oft „verschmutzt“ werden wie maritime Lebensräume durch Öl.
Gut geölt waren die Stimmen des polyglotten Duos DuDett, Claudia Dettmar und Andreas Duft, ein Pfarrer, der mehr in petto hat als nur das Gesangbuch: „Auf Kurs“ und „Kleiner Glaube“ nannten sich die Spirituals, in denen es um mehr Selbstvertrauen im Alltag geht, dazu gab es ein Liebeslied von Bob Dylan.
Im Anschluss durfte „Quoten-Erotiker“-Manfred Manger ran, Gründer der Schweinfurter Poetry Slam-Szene. Das heißt, eigentlich durfte der Poet nicht ran, an eine ungemein sinnliche Krankenschwester, deren drallen Liebreiz er wortgewaltig huldigte.
1000 Euro Spende
Es folgte, in entlarvender Zeitlupe, die „Wahl der Weinprinzessin von Schnepfenbach“, ohne Worte auf die Bühne gebracht durch das Theater Bianco e Nero, unter Leitung von Babs Günther: ein pantomimisches Dorfdrama rund ums Machtgerangel einer Jury.
Bevor dann Silke Ebert vom Duo Firlefanz an die Decke ging, mit atemberaubender Artistik in der „Papageienschaukel“ – die vorderen Reihen wechselten dazu als Zuschauer auf die Bühne. Nach Pause und Büffet gab es 1000 Euro zur Unterstützung der Flüchtlingsarbeit der Diakonie. Ermöglicht wurde dies durch einen Aufschlag von fünf Euro auf den Eintritt und eine Aufstockung von Johanna Bonengel seitens des KulturPackts – Diakoniechef Jochen Keßler-Rosa nahm sichtlich erfreut die Spendenbox entgegen.
Es folgte eine atemberaubende Lichtkugel-Jonglage des Duos Firlefanz, bevor der Chor ConSonare Aufstellung nahm, mit klassischen Klängen von Leo Hassler bis Max Reger, und zeitlosen Botschaften wie: „Ein jeder tue, was er kann.“
Zum Beispiel Slammen: Jungpoetin Paula Steiner (16) sorgte für heftige Beifallsstürme, mit dem Lebenslauf einer große Liebe, von der Jugend bis ins hohe Alter. „Ein Platz für Dich“, nannte sich der Beitrag von Aurelia Scheuring, mit 13 Jahren ebenfalls schon ein Phänomen in der Szene: Mit ihrer Vision einer Stadt im Jahr 2050 hat sie bereits einen Bundeswettbewerb gewonnen, auch hier gab es lautstark Applaus. „Motherlode“ nennt sich ein junges, funkiges Gesangstrio aus der Schule von Canan Semel: Luisa Reith, Franziska Dummer und Paula Geith brachten frischen Wind in den Saal, unter anderem mit dem Namen-gebenden Titel, und Gitarrist Christoph Haas.
Über'm Schoppen schon etwas nachgereift sind die beiden „Altersehrenweinköniginnen“ Inge & Rita, alias Angelika Scheidig und Bettina Hümmer-Dünninger. „This land is Mainland, this land is Weinland“: Die Frankenkabarettistinnen hatten eine süffige Kostprobe ihres Programms „Spätlese XXL“, dabei. Ann-Helena Schlüter nennt sich eine 28 Jahre junge Pianistin und Musikwissenschaftlerin aus Würzburg, ein phänomenales Multitalent mit deutsch-schwedischen Wurzeln: Hier tanzten Bach und Beethoven geradezu über der Tastatur, ganz nebenbei ist Schlüter Dichterin, zu den Himmelsliedern gesellten sich zarte Flügelworte.
Einen Hauch von schwedischem Lichterfest gab es bei Bauchtänzerin Moona, die diesmal mit Kerzentablett statt Säbel auf dem Kopf tanzte. Ansonsten herrschten Orient-Rhythmen pur, mit Stocktanz, Trommelsolo und goldenen Schwingen. Bevor Matthias Ebert vom Duo Firlefanz für den mitreißenden Abspann sorgte: Wirbelnde Leuchtstäbe ließen als LED-Matrix noch einmal die Namen oder Porträts aller Künstler aufleuchten. Eine buchstäblich bewegende Gala, dank zahlreicher Helfer so vielseitig und überraschend wie die Schweinfurter Kunstszene selbst.