Gleich beim ersten Besichtigungstermin war Roland Kunzmann klar: "Das ist es!" Lange Zeit hat der Architekt aus Hirschaid nach einem alten fränkischen Wohnhaus gesucht. Einem Sanierungsobjekt, an dem er seine Leidenschaft für die kunsthistorische Denkmalpflege ausleben kann. In Stadtlauringen hat er es gefunden. Seit kurzem ist er Besitzer des zweitältesten Gebäudes der Marktgemeinde, des repräsentativ in Ecklage am Marktplatz befindlichen zweigeschossigen Fachwerkhauses. Es wurde 1614 von Amtskeller Johann Krauß als Wohnhaus errichtet. Sein Wappen und die inschriftliche Datierung sind über dem rundbogigen Eingangsportal noch zu sehen.
Kunzmann hat die Immobilie auf der Internetseite des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege entdeckt und sofort zugeschlagen. Nicht nur, weil er das stark sanierungsbedürftige Anwesen mit 264 Quadratmetern Wohnfläche "zu einem Schnäppchenpreis" bekommen hat, sondern weil es genau seinen Vorstellungen entspricht. Die für ein altes fränkisches Bauernhaus ungewöhnlich hohen Räume lassen nämlich modernes Wohnen zu, für das der Liebhaber historischer Bausubstanz das denkmalgeschützte Haus nutzen möchte. Wenn das Denkmalamt mitspielt, will er fünf Wohnungen einbauen, zwei im Erdgeschoss, zwei im ersten Stock und eine im Dachgeschoss, eventuell mit Galerie. Seine Investitionen kalkuliert er optimistisch mit 200 000 bis 500 000 Euro, hofft auf Zuschüsse aus der Städtebauförderung. Ehrgeizig auch sein Zeitplan: In diesem Jahr wird geplant, 2020 gebaut, 2021 vermietet.
Für Bürgermeister Friedel Heckenlauer wird mit der Sanierung dieses Gebäudes das letzte seiner drei selbst gesteckten städtebaulichen Ziele verwirklicht, nachdem die Revitalisierung des Gebäudekomplexes an der Ecke Beckenstraße/Kettenstraße und der Umbau des denkmalgeschützten Gebäudes am Kirchplatz 2 zum Kunsthandwerkerhof bereits erfolgreich abgeschlossen sind. Schon 2011 hatte sich der Markt Stadtlauringen das Ankaufsrecht für das seit Jahren leerstehende Anwesen im Besitz von Fridolin Bauer sichern lassen. Der gebürtige Stadtlauringer, der heute in Großwenkheim im Nachbarlandkreis Bad Kissingen lebt, hatte das Haus von seinem Vater geerbt, der es wiederum vom kinderlosen Bruder überlassen bekommen hatte. Es wurde vorwiegend für Wohnzwecke genutzt, auch die Sparkasse hatte mal ihre Filiale dort eingerichtet. Im Volksmund heißt das Anwesen am Marktplatz 16 deshalb auch "Die Sparkasse".
Gemeinde sicherte sich 2011 ein Ankaufsrecht
Für Fridolin Bauer war die Erbschaft immer ein Klotz am Bein. Selbst dort wohnen wollte er nicht und selbst sanieren konnte er nicht. Also schlug er beim Deal mit der Gemeinde ein und verpflichtete sich, das Anwesen innerhalb einer zeitlichen Frist an den Markt Stadtlauringen zu verkaufen. Das eingetragene Recht ermöglichte der Gemeinde im Gegenzug, Befunduntersuchungen und Machbarkeitsstudien zu erstellen und sicherte sie gleichzeitig bei geeigneten Projekten gegen mögliche Spekulationen ab. Pläne gab es nämlich viele für das repräsentativ am Marktplatz gelegene Haus. So wurde nicht nur über eine Hotelnutzung nachgedacht, sondern auch über einen Umbau zum Tagungszentrum. Und als die Gemeinde das ehrwürdige Anwesen erstmals online zum Verkauf anbot, gab es viele Anfragen. Über 100 Interessenten hätten sich gemeldet, sagt Bürgermeister Heckenlauer. Bei den meisten blieb es aber beim ersten telefonischen Kontakt, ein konkretes Kaufinteresse kam nicht zustande. Bis 2018, als Architekt Roland Kunzmann sich meldete.
Bei der Besichtigung des Hauses mit Vorbesitzer Fridolin Bauer und Bürgermeister Friedel Heckenlauer stellt der neue Besitzer seine Pläne von schicken Wohnungen mit Balkon und Sonnenterrasse anstelle des eingestürzten Nebengebäudes im Hinterhof sowie Autostellplätzen in der von Gerümpel vollgestellten Scheune vor. Noch braucht es dafür viel Fantasie. Denn hier gibt es viel zu tun, auch wenn die Substanz des Gebäudes laut Gutachten in gutem Zustand ist. "Die Zimmererarbeiten werden am teuersten", hat Neubesitzer Kunzmann beim Blick auf die Schäden am historischen Fachwerk und am Dachstuhl schon ausgemacht. Auch Wände müssen stabilisiert werden. Beim Betreten des Hauses durch das zweiflügelige Eingangsportal fällt der Blick zuerst nach oben auf die Rahmenstuckdecke und dann nach unten auf den schönen 120 Jahre alten Terazzoboden im Flur, einem typisch fränkischen Ern. Auch die teilweise noch vorhandene Schablonierung der Holzfußböden in einigen Räumen stammt aus dieser Zeit. Im 19. und 20. Jahrhunderte gab es immer wieder Umbauten im Inneren, Wände wurden versetzt oder neu eingezogen. Auch Fensteröffnungen wurden verändert, 1843 die Schaufassade sogar komplett überputzt. Erst im 20. Jahrhundert wurde das Fachwerk wieder freigelegt. An historischer Ausstattung haben sich nur die Dielenböden mit Eichenfriesen aus der Bauphase 1843 und einige Türblätter aus dieser Zeit erhalten. Vom dazugehörigen Treppengeländer gibt es nur ein kleines Reststück. Die jetzige Treppe zum Obergeschoss ist ein neuerer Einbau. Sie wird abgerissen und ein Zugang zu den Wohnungen von außen über den Hof geschaffen.
Interessante Pläne hat Kunzmann für das Dachgeschoss. Dort soll eine große Wohnung mit Galerie entstehen. Dazu bedarf es aber den Einbau von Dachgauben und damit der Genehmigung der Denkmalbehörde. Bürgermeister Friedel Heckenlauer ist optimistisch: "Wir arbeiten gut mit dem Denkmalamt zusammen."
Gewölbekeller soll wieder nutzbar gemacht werden
Derzeit ist der neue Besitzer des alten Gebäudes aber erst einmal mit der Entrümpelung beschäftigt. Auch der eingestürzte Nebenbau, der das Haus mit der großen Scheune verbindet, muss komplett abgetragen werden. Hier will Kunzmann auf dem Sandsteinfundament eine Sonnenterrasse im begrünten Innenhof schaffen. Hier befindet sich auch der Zugang zum großen Gewölbekeller unter dem Haus. "Dort haben wir unsere Kartoffel gelagert", weiß Fridolin Bauer noch. Nur gebückt gelangt man hinein, weil der Keller in früheren Jahren wegen eindringenden Grundwassers aufgeschüttet wurde. Kunzmann will ihn wieder ausbaggern lassen und nutzbar machen.
Was veranlasst einen Architekten aus Hirschaid, sich so viel Arbeit in Stadtlauringen aufzubürden? "Ich wollte schon immer mal ein altes Haus herrichten", sagt Kunzmann. Die Sanierung des historischen Anwesens sieht er als "Hobby". Natürlich müsse es sich auch rentieren, stellt der 55-Jährige aber klar, dass er die Investitionen mit den Miteinnahmen refinanzieren will und die Immobilie als Altersvorsorge sieht. Für die Gemeinde sieht Bürgermeister Friedel Heckenlauer in dem Verkauf des historischen Anwesens auch eine Win-win-Situation. Wird doch durch die Sanierung des repräsentativen Gebäudes der Marktplatz weiter aufgewertet und gleichzeitig neuer Wohnraum in Stadtlauringen geschaffen. Und Vorbesitzer Fridolin Bauer ist ebenfalls zufrieden, denn "jetzt kann ich wieder besser schlafen".