Ansgar Zänglein ist der Chef im Dorfwirtshaus von Hambach und der selbst ernannte „letzte fränkische Kreuzritter“, der nicht mit Schild und Schwert, sondern mit dem Kochmesser und mit Bratwurstrezepten auf Reisen geht. Foodwarrior, also Kämpfer für (gutes) Essen, nennt sich der Wirt der Dorfkneipe, die seit 1846 in Familienbesitz ist.
Erlernt hat der 53-Jährige den Beruf des Metzgers und nennt auch einen Meistertitel sein eigen. Boss in der Küche wurde er, weil er „gerne gutes Essen zubereitet“, und weil er umsetzen will, was er irgendwo gesehen hat. Gelernt hat Ansgar von vielen, auch von seinem Cousin, dem Fernseh- und Sternekoch Nelson Müller, der – in Ghana geboren – mit vier Jahren nach Deutschland und alsbald in die Hambacher Pflegefamilie von Elmar Müller (Bruder von Ansgars Mutter) kam.
Bis zur Jahrtausendwende wurstelte Ansgar Zänglein in der Wurstküche, briet mittags und abends Schweinebraten und Schnitzel, drehte Kartoffelklöße und zwischendurch ging es raus auf die Felder der zur „Goldenen Flasche“ gehörenden Landwirtschaft.
Dann wurde Ansgar Boss in der Fleischerei, in der Wirtshausküche und im Cateringbetrieb. Ansgar suchte und fand Herausforderungen, darunter die Herstellung von Bisonschinken. Das Fleisch kam von Amerika. Den Schinken schickte er nach Amerika. Richtig rentabel war das Ganze nicht.
Irgendwann kam dem Vater zweier Kinder dann die Idee der Auslandseinsätze. Ansgar Zänglein fand einen Headhunter (Personalberater). Raus in die Welt, viele Länder sehen, mit dem verdienten Geld das Dorfwirtshaus herrichten – so hatte er sich die Zukunft vorgestellt.
„Was hinter dem Berg ist“ sah der Ansgar dann 2012 zum ersten Mal. 2012 wollte Alex Lytras mit deutscher Wurst seine Metzgerei auf Zypern und vor allem deren Umsatz auf Vordermann bringen. Ansgar kam, sah und zeigte, wie fränkische Brat-, Brüh-, Koch- und Rohwürste, wie Pökelware in Franken hergestellt werden. „Ich habe alle Register gezogen, habe den Betrieb flott für Eventveranstaltungen gemacht“, sagt der Hambacher Metzgermeister. Eine Woche war Zänglein 2012 auf Zypern. Gesehen hat er die Wurstküche von innen und die Landschaft aus dem Auto. Alex Lytras ist heute ein „wirklich guter Freund“, in dessen Ferienhaus Ansgar Zänglein später mehrfach schöne Tage erlebt hat.
Weil es „Spaß gemacht hat“, ging Zänglein 2013 wieder auf Tour, diesmal nach Riad, Hauptstadt des Königreichs Saudi-Arabien. In der Fleischfabrik Four Sun war der Hambacher als Fleischfachberater gefragt. Schnell habe er gemerkt, dass die Saudis keine große Küche haben. Die Suche nach landestypischen Spezialitäten sei im Sande verlaufen, sagt er. Zänglein steckte Fleisch auf kleine Holzspieße, würzte unterschiedlich, brachte Farbe ins Geschnetzelte und in den sterilen Verkaufsraum, der an ein Krankenhaus erinnert habe. Zurückgelassen hat Zänglein die Rezepturen für 30 Schnellgerichte – alle ohne Schweinefleisch. Von Riad ging es nach einer Woche direkt nach Dubai. In zehn Tagen wurde er durch drei Betriebe des Emirats gereicht.
Zur Folge hatte der Beschnupperkurs einen sechswöchigen Dubai-Einsatz im folgenden Jahr 2014. Ansgar konnte über sieben Mitarbeiter, allesamt Gastarbeiter aus Tibet, bestimmen. Hergestellt wurde, was die deutsche und internationale Fleischküche hergibt. Und wieder war die Freizeit knapp bemessen, der Lohn bescheiden. Am meisten freut sich Zänglein, dass er eines Tages die Tibeter mit einem Bus raus aus der Stadt „geschmuggelt“ und zum Strand gebracht hat, den seine Mitarbeiter in zwei Jahren noch nicht einmal gesehen hatten.
Bei den Rezepten ist Zänglein erfinderisch geworden, wozu vor allem das fehlende Schweinefleisch genötigt, das „super Angebot“ in den Einkaufsmärkten verführt habe.
„Rein privat“ war 2016 ein erster Besuch auf Hawaii bei einem Kumpel aus den Zeiten des US-Standortes Schweinfurt. Ansgar Zänglein hatte ein paar Gewürze mit im Gepäck, und so wurde alsbald die erste Original Schweinfurter Schlachtschüssel mit Sauerkraut und Meerrettich auf Hawaii begangen. Die Gäste revanchierten sich ebenfalls schweinisch und luden zu einem Festmahl aus dem Erdofen ein.
Am ersten Tag wurde die Grube ausgehoben und das Feuerholz eingeschichtet; am zweiten Tag wurde angezündet und die aufgeschichteten Lavasteine zum Glühen gebracht, ehe das in Bananenblätter gehüllte Schwein auf die Glut kam und mit Folie und Erde abgedeckt wurde. Am dritten Tag fand die eigentliche Feier statt, bei der man das gezupfte Schweinefleisch kalt verspeist. Der Dampfgarer überzeugte den Franken, der sich jetzt überlegt, wie in Hambach ein Schwein in Bananenblätter, auf Lavasteine und in den Boden kommt.
Um Auslandseinsätze als Foodwarrior hatte sich Ansgar Zänglein nach 2014 nicht mehr gekümmert. „Eigentlich wollte ich einen ruhigen Lebensabend mit meiner Freundin Kristina im Dorfwirtshaus verbringen“, sagt er. Doch dann piepste 2017 das Telefon. Ein Headhunter sprach von China, und vor dem geistigen Auge von Ansgar Zänglein bauten sich die Bilder von der großen Mauer auf, von Marco Polo, vom Boxeraufstand und von Mao. Schon beim ersten Telefonkontakt sagte Zänglein zu.
Im Sommer ging es dann nach Wuzhen, eine Großgemeinde der kreisfreien Stadt Tongxiang in der Provinz Zhejiang. Das Wasserdorf Wuzhen liegt 120 Kilometer südwestlich der Stadtmitte von Shanghai, ungefähr auf halbem Weg zwischen Suzhou und Hangzhou. In dem Museumsdorf wird ein ehemaliges Landgut der Ming-Dynastie zu einem Hotel für „richtig reiche Chinesen“ umgebaut, so Zänglein. Zwischen den Gebäuden und direkt am Pool wirkte der Botschafter der fränkischen Küche, der ganz schnell herausgefunden haben will, was der Chinese will: „Essen mit Messer und Gabel, nicht immer nur das zusammengeschnittene Zeug.“
Bei 40 Grad im Schatten und 60 Grad in der Küche brutzelte der Hambacher zehn Tage lang Steaks, Haxen, Bratwürste und Schäufele für den Hauptgang. Zehn Mitarbeiter (Studenten) unterstützten Zänglein – auch beim Drehen bayerischer Kartoffelklöße. Und am Abend, wenn die Hoteläste aus den klimatisierten Zimmern kamen, gab es zu den Drei-Gänge-Menüs mitunter bayerische Blasmusik, die Zänglein nebst der eigenen Kochmesser, Mixer, Kartoffelpresse und den weißblauen Servierten auf einem Stick mitgebracht hatte. Besonders gut kamen die Soßen an, die das Team herstellte – auch nach Rezepten von Cousin Nelson.
Die Kartoffelpresse und den Mixer hat der Hambacher nicht mit zurück nach Franken genommen. Mit ein paar Packungen der weißblauen Servierten wanderten beide in einen Karton, der im Hotel deponiert ist. Ob er wiederkommt, weiß Zänglein nicht, denn ein Foodwarrior gehe immer an einen neuen Ort, aber wie heißt es schon bei James Bond: Sag niemals nie!