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LÜLSFELD
Anklopfen wie bei anständigen Leuten
Sie lassen sich durch die Besucher nicht aus der Ruhe bringen: Zwei kleine, nur wenige Wochen alte Schleiereulen, die Paul Wichert aus Frankenwinheim (rechts) und Erich Tröppner aus Lülsfeld betreuen. Ansatzweise sieht man schon den herzförmigen ausgeprägten Gesichtsschleier.
Foto: Karin Sauer | Sie lassen sich durch die Besucher nicht aus der Ruhe bringen: Zwei kleine, nur wenige Wochen alte Schleiereulen, die Paul Wichert aus Frankenwinheim (rechts) und Erich Tröppner aus Lülsfeld betreuen.
ks
 |  aktualisiert: 22.10.2014 16:56 Uhr

„Mein Gott sind die süß“, möchte man ausrufen, wenn man die kleinen flauschigen Federknäuel in der Hand hält. Es sind junge, einige Wochen alte Schleiereulen, die in der Scheune von Lülsfelds ehemaligem Bürgermeister Robert Schemmel ihr Zuhause haben.

Doch so einfach ist es nicht, die niedlichen Vögel zu besuchen. Man muss schon eine Leiter, und dann noch steil nach oben führende Treppen überwinden, bevor man sie besuchen kann. Und von wegen, einfach die Türe öffnen und neugierig hineinschauen. „Das geht überhaupt nicht“, so Paul Wichert, Vorsitzender des Vogelschutzvereins Gerolzhofen.

„Es wird angeklopft, wie bei anständigen Leuten“ erzählt er. Das Anklopfen ist wichtig, denn es könnte ja sein, dass die Eltern da sind, und da könne es schon mal gefährlich werden. Wie andere Eltern lassen auch die Euleneltern nicht jeden an ihren Nachwuchs heran.

Doch in diesem Fall waren sie ausgeflogen und so konnte Paul Wichert gefahrlos die Türe öffnen. Und dann saßen sie da, fünf kleine Schleiereulen, dicht aneinander gedrängt, etwas schüchtern, doch überhaupt nicht verängstigt. Sie ließen sich ohne weiteres von ihren „Ziehvätern“ für ein Bild präsentieren.

Weißer Gesichtsschleier

Manche von ihnen hatten noch den weißen Flaum, bei anderen zeigt sich schon deutlich die wunderschöne Gesichtszeichnung der Schleiereulen. „Schleiereulen waren in den 1980-er Jahren fast ausgestorben und standen auf der roten Liste in Bayern“, so Wichert.

Früher sei es gang du gäbe gewesen, dass in den Scheunen diese Vögel nisteten. Doch sie verursachten auch Verunreinigungen an den Gebäuden. Viele Bauern verschlossen daher alle Öffnungen. Die Nistplätze wurden immer weniger, die Population nahm stark ab. Ein großer Feind der Eulen ist auch der Straßenverkehr, dem viele Vögel zum Opfer fallen.

Aus diesem Grund beschlossen die Mitglieder des Vogelschutzvereins in Gerolzhofen, sich ganz besonders dem Eulenschutz zu widmen. Sie bauen Nistkästen und hängen diese auch auf. Wichert erzählt, dass die Kästen eine bestimmte Höhe haben müssen, denn sonst niste sich ein Eulenmännchen dort gar nicht erst ein.

Anfang März prüft es mit den sogenannten Balzflügen, ob genug Luft nach oben ist, um die Paarung unbeschädigt zu überstehen. Erst danach folgt ihm das Weibchen, das er mit der Übergabe von Beute lockt, meist eine Maus.

Doch nicht immer seien die Nistkasten mit Eulen belegt. Es könne durchaus auch sein, dass sich Falken, Tauben oder Sperber einnisten. Bei Landwirten seien erstere sehr beliebt, denn wo ein Falke ist, da gibt es keine Mäuse mehr. Sogar kleine Ratten gehören zur Beute. Deswegen werden auch diese Kästen von den Vogelschützern betreut.

Die Betreuung ist ein ganz wichtiger Faktor. Zwei Mal im Jahr geht es auf Tour. Im Anhänger sind feine Hobelspäne, Werkzeug, Leiter und eine Seilwinde. Kästen müssen gereinigt werden, das Innenleben wird erfasst und dokumentiert. Im Moment haben Paul Wichert und Erich Tröppner mehr als genug zu tun.

2014 waren es 54 Falken und 30 Eulen, die beobachtet wurden. Doch alle Nistplätze können aus Gefahrengründen nicht kontrolliert werden. Manche sind einfach nicht zugänglich. Ganz gefährlich für die Männer wird es, wenn man plötzlich entdeckt, dass sich Hornissen in den Kästen breitgemacht haben, so wie es Wichert vor kurzem passierte. Ahnungslos wollte er eine Kauzenröhre reinigen. Als er den Hebel öffnete, hörte er plötzlich ein Gesumm um sich herum. Weg von dem Baum, war sein einziger Gedanke. Doch statt den Vorwärtsgang seines Gefährts einzulegen, erwischte er den Rückwärtsgang und stieß gegen den Baum, was den Insekten natürlich erst recht nicht gefiel.

Wichert suchte so schnell wie möglich das Weite und blieb unbeschadet.

Der Vogelschutzverein kommt für die Kosten seiner Aktionen selbst auf. Aus diesem Grund sind ehrenamtliche Helfer so wichtig. Ein kleines Zahlenspiel: Zehn Kilometer muss man pro Eule fahren, 30 Eulen sind zu betreuen, das macht schon 300 Kilometer im Jahr. Material für die Nistkästen ist da noch nicht mitberechnet.

Vogelschutzverein

Der Vogelschutzverein Gerolzhofen besteht aus 78 Mitgliedern, von denen acht aktiv sind. Mit dem Eulenschutzprogramm begann Ende der 1980-er Jahre Walter Gutermut aus Zeilitzheim, zusammen mit dem Schweinfurter Vogelschutzverein. Heute ist der Gerolzhöfer Verein selbstständig. Sein Arbeitsgebiet ist der Altlandkreis Gerolzhofen, von Volkach bis Wustviel, von Järkendorf bis Zeilitzheim. Er betreut insgesamt 51 Eulenkästen, zehn Kauzenröhren, ungefähr 150 weitere Nistkästen und einen Fledermauskeller.

 
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