Es herrscht reger Betrieb vor dem Verwaltungsgebäude im Ankerzentrum. Für eine größere Gruppe von Bewohnern steht die Verlegung in Anschlussunterkünfte an. Frauen, Männer, Kinder drängeln sich vor einem großen Reisebus, in den die Koffer und Taschen mit den Habseligkeiten der Asylsuchenden verladen werden. Wohin die Reise geht, ist ganz unterschiedlich. Die Verteilung erfolgt bayernweit.
Seit Mitte des Jahres steigen die Flüchtlingszahlen im Ankerzentrum wieder. Schon jetzt haben sie annähernd den Stand von 2016 erreicht. Damals, im Jahr der Flüchtlingskrise, waren 3392 Asylsuchende aufgenommen worden, heuer sind es – Stand 21. Dezember – bereits 3285 (inklusive Wiederaufnahmen). Zum Vergleich: 2020 waren es mit 1689 Personen nur halb so viele.
"Der starke Zugang hängt mit der Situation in Afghanistan zusammen", erklärt der Leiter des Ankerzentrums, Benjamin Kraus. Seit die Taliban die Herrschaft übernommen haben, fliehen dort vermehrt die Menschen. Das spiegelt sich in den Zugangszahlen der Schweinfurter Ankereinrichtung wider. 33 Prozent der Neuzugänge sind afghanische Staatsbürger.
Bislang führten die syrischen Flüchtlinge die Liste an, sie machen aktuell 23 Prozent der Neuankömmlinge aus. Danach kommen Geflüchtete aus Algerien und Somalia mit 13 und zwölf Prozent Anteil. Die erst seit Herbst verstärkt in Unterfranken ankommenden Flüchtlinge aus dem Irak und Jemen fallen hier kaum ins Gewicht, ihr Anteil an der Bewohnerschaft beträgt vier bzw. drei Prozent.
Von 1500 Plätzen sind aktuell 1208 belegt
Die hohen Zugangszahlen seit Mitte des Jahres sorgen für eine hohe Auslastung der Einrichtung. "Wir sind eigentlich voll", sagt Ankerleiter Kraus. Von den 1500 Plätzen sind aktuell 1208 belegt. Viel mehr geht auch nicht im Sinne einer ordentlichen Unterbringung mit Rücksichtnahme auf familiäre Verbände oder Staatszugehörigkeiten beziehungsweise ohne, dass man Corona-Vorsichtsmaßnahmen außer Kraft setzen würde.
So gibt es zwei isolierte Gebäude ausschließlich für Neuzugänge, die hier verweilen, bis die PCR-Testung und Gesundheitsuntersuchung erfolgt ist. Ein weiteres Gebäude ist für Quarantänefälle reserviert. Hier wird nochmal räumlich getrennt zwischen alleinstehenden Corona-Kranken und Familien mit einem positiven Fall. Auch für besonders gefährdete, vulnerable Gruppen gibt es ein eigenes Gebäude. Die große Liegenschaft lässt dieses Mikromanagement zu.
Trotz der hohen Auslastung bestehe aber kein akuter Platzmangel, sagt der Ankerleiter. Denn es wurden verschiedene Vorbereitungsmaßnahmen getroffen. So kann bei weiterem Bedarf die große Thermohalle zur Notunterkunft für 200 Personen umfunktioniert werden. Die Betten stehen im Lager bereit.
Aktuell ist das noch nicht nötig, weil ankommende Asylsuchende zügig in Anschlussunterkünfte verlegt werden und so wieder Platz für neu Ankommende geschaffen wird. "Die Verweildauer beträgt derzeit etwa drei Monate", informiert Kraus. Aufenthaltsdauern von über sechs Monaten kämen nur in besonders gelagerten Einzelfällen vor.
Manche wollen länger vor Ort bleiben
Asylbewerber sind grundsätzlich verpflichtet, bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Längstens jedoch bis zu 24 Monate. Hintergrund dieser Regelung ist, dass die Antragsteller für die einzelnen Verfahrensschritte jederzeit erreichbar sein müssen.
Das Asylverfahren ist klar getaktet: Ankunft, Registrierung, Gesundheitscheck, Antragstellung, Anhörung. Im Anker sind alle Behörden sowie die Flüchtlings- und Integrationsberatung vertreten, um das Verfahren zu beschleunigen. Gerade in Corona-Zeiten bewähre sich diese Zentralisierung, meint Ankerleiter Kraus. Denn es stehen durchgehend Ansprechpartner zur Verfügung. Auch das medizinische Versorgungszentrum könne jederzeit aufgesucht werden. "Das wissen unsere Bewohner zu schätzen." Manche wollten sogar länger bleiben.
Im Ärztezentrum wurde bereits im Frühjahr ein Impfzentrum für die Bewohner eingerichtet. Jeden Donnerstagnachmittag wird geimpft. Die Vorbereitung übernehmen das Ärzteteam und die Ankerverwaltung, die Impfung führt ein Team des Schweinfurter Impfzentrums durch. Seit 10. Mai hat es 50 gemeinsame Impfaktionen gegeben, bei denen 1800 Corona-Impfungen (Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen) erfolgten. Alleine im Dezember wurden schon über 340 Impfungen verabreicht.
Aktuell gibt es keinen positiven Corona-Fall
"Die Impfbereitschaft unserer Bewohner ist hoch", freut sich Kraus. Vor allem bei den Geflüchteten aus Afghanistan, aber auch bei den Menschen aus Somalia und Syrien. Eine geringere Impfbereitschaft sei dagegen bei den Menschen aus den ehemaligen Teilrepubliken der Sowjetunion erkennbar.
Stand 13. Dezember waren nach Angaben des Ankerleiters von den 1065 an diesem Tag registrierten Bewohnern 75,42 Prozent aller über zwölfjährigen Personen mindestens einmal geimpft. Damit liege man nur leicht hinter der bundesdeutschen Impfquote zurück. Was vor allem auf den hohen Anteil Ungeimpfter unter den Neuzugängen sowie den mit unter 2,5 Prozent geringen Anteil der impfaffinen Gruppe der über 60-Jährigen zurückzuführen sei. Auch der Anteil der Kinder unter zwölf Jahren sei im Anker höher als bei der einheimischen Bevölkerung.
Die Corona-Bilanz fällt folglich zufriedenstellend aus: "Aktuell ist bei keinem unserer Bewohner eine akute Corona-Infektion bekannt", so Kraus. Im vergangenen Halbjahr gab es 18 Corona-Fälle, überwiegend seien dies Neuankömmlinge gewesen. In der Isolierstation der Ankereinrichtung werden allerdings auch Sars-Covid-2-Postive aus anderen unterfränkischen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, wenn dort keine Quarantänemöglichkeit vorhanden ist. Deshalb halten sich im Moment 39 Corona-Positive im Anker auf.
Was den Ankerleiter noch freut: Seit Herbst 2020 gab es keine Quarantäne-Anordnung mehr für das Ankerzentrum. Dank intensiver Kontaktnachverfolgung konnte man solche drastischen Maßnahmen, wie sie das Staatliche Gesundheitsamt noch im vergangenen Jahr mehrfach angeordnet hatte, vermeiden. Und es ist erklärtes Ziel, ohne weitere Quarantäne durch die Pandemie zu kommen.