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Dittelbrunn
Angebliches "Kriegsfoto" könnte aus Dittelbrunn stammen
Ein Foto, das gerne als Symbol für das Kriegsende genutzt wird, ist wohl erst viel später entstanden. Das ergaben Recherchen dieser Redaktion.
Das Geschenk eines afroamerikanischen US-Soldaten an deutsche Kinder: Helmut Winkler mit einem Buch von Guido Knopp, das die Szene zeigt - die für ihn in Dittelbrunn spielt.
Foto: Helmut Winkler | Das Geschenk eines afroamerikanischen US-Soldaten an deutsche Kinder: Helmut Winkler mit einem Buch von Guido Knopp, das die Szene zeigt - die für ihn in Dittelbrunn spielt.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 11.02.2024 05:37 Uhr

Es ist eine schöne Geste, die weltweit als Symbolbild für die neue Zeit gezeigt wird: Ein schwarzer US-Soldat reicht aus dem Jeep heraus Kindern Süßigkeiten, irgendwo bei Kriegsende in Deutschland. Der Fotograf des Bildes ist unbekannt, das Foto selbst befindet sich im Besitz der "Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte "(bpk), als Teil der "Stiftung Preußischer Kulturbesitz". Im Online-Bildarchiv wird es auf 1945 datiert.

Seitdem wird die ikonische Szene immer wieder einmal veröffentlicht: Beim fernsehbekannten Historiker Prof. Guido Knopp sogar auf der Titelseite, bei seinem Buch zur ZDF-Serie über "Die Befreiung". Helmut Winkler, Jahrgang 1958 und Lehrer aus Deggendorf, hat allerdings Zweifel, was das Aufnahmedatum angeht. Zu entspannt säßen die Soldaten im Jeep, für eine Begegnung in den letzten Kriegstagen. Die Rassentrennung, die in der Army erst nach dem Krieg aufgehoben worden ist, scheine ebenfalls keine Rolle zu spielen.

Vor allem glaubt Winkler, dessen Familie aus Dittelbrunn stammt, seine älteren Schwestern Helga und Gerda zu erkennen. Die Mädchen hätten Mitte der 1950er-Jahre die Sommerfrische öfters im Marienbachtal verbracht. Helga Spitschka, geborene Winkler, glaubt sich ebenfalls an die Begegnung auf der früheren Dittelbrunner Hauptstraße zu erinnern. Ihre mittlerweile verstorbene Schwester Gerda habe sie auf das Foto, damals in der Zeitschrift "Stern", aufmerksam gemacht.

Eine Dittelbrunnerin erinnert sich

Die Szene auf dem Foto sei ihr auch deswegen gut in Erinnerung, weil der Geber ein Farbiger war und sie zehn Pfennige erhielt: "Auch dieses runde und freundliche Gesicht ist in meiner Erinnerung. Ein anderes Mal bekamen wir Äpfel. Da war ein Abhang und der Apfel für mich rollte den Abhang hinab. Ich bekam einen neuen. Ich hab den weggerollten Apfel später noch geholt". Süß, etwas künstlich, sei der Geschmack des Apfels gewesen: "Für mich war er typisch amerikanisch."

Winkler ließ die Geschichte keine Ruhe. Er hat beim Pentagon nachgefragt (ohne Reaktion), ebenso bei Guido Knopp, bekannt von der Sendung "ZDF History". Vom "Detektiv der Geschichte" gab es eine freundliche Rückantwort, allerdings wies der 73-Jährige darauf hin, dass er solchen Rätseln nicht mehr aktiv auf der Spur sei.

Fest steht, dass die Schwestern in den Sommerferien oft zu Besuch bei Großvater Paul Winkler waren, in dessen separat stehendem Jägerhaus am heutigen Quellenweg. Oft seien sie auch in der Nachbarschaft zu Besuch gewesen, bei Tante Meta Gößmann. Der Junge auf dem Foto könnte einer der beiden Cousins, Otto oder Rainer Gößmann sein, glaubt Winkler. Bis zum Übungsplatz Brönnhof war es nicht weit, als Manövergelände der US-Army.

Vater Ludwig Winkler, ein Gymnasiallehrer, war schon vor dem Krieg in die Oberpfalz versetzt worden. Sein Familie kam gelegentlich zu Kurzbesuchen nach Unterfranken. Das Jagdhaus wurde offenbar 1921 errichtet, unterhalb eines Gebäudes, das als "Fichtel & Sachs-Villa" bekannt war. Helmut Winkler vermutet, dass dies im Zusammenhang mit dem Jagdrevier der Industriellenfamilie stehen könnte. Nach dem Tod des Großvaters 1970 stand das Grundstück leer. Mittlerweile wurde das Gebäude abgerissen, nur noch die Grundstückseinfassung ist zu sehen.

Die Schwestern Gerda und Helga Winkler mit den Großeltern Katharina und Paul in Dittelbrunn.
Foto: Archiv Winkler | Die Schwestern Gerda und Helga Winkler mit den Großeltern Katharina und Paul in Dittelbrunn.

Wie könnte nun eine Straßenszene aus dem Dittelbrunn der Adenauerzeit als Weltkriegsfoto zu einer Berliner Agentur gelangen, die Millionen historischer Fotos verwaltet? Dort wird vermutet, dass die Aufnahme aus dem privaten Bildarchiv Handke stammt, das in den 1960ern übernommen worden ist. Leider seien die Beschriftungen oft unzureichend gewesen. Das Pressebild der US-Army fände sich auch in vielen anderen Sammlungen.

Die Jeeps sind offenbar Fahrzeuge aus den 1950ern.

Zumindest die Datierung 1945 dürfte nicht zu halten sein. Die Jeeps auf dem Bild sind offenbar Fahrzeuge aus den 1950ern. Der farbige Soldat sitzt in einem Willys MC M38, der, anders als die Weltkriegsmodelle, Lüftungsschlitze unter dem Fenster hatte, für die Fahrt mit verschlossenem Verdeck. Neben anderen Details weist auch die Nummer an der Kühlerhaube auf die Zeit der frühen NATO-Manöver in Westdeutschland hin.

Wes Knettle und Ryan Miller, die ein Internetforum für amerikanische Willys-Sammler betreiben (www.willysmjeeps.com), haben eine schnelle Mailantwort zur "Hood Number" parat: "Sehr wahrscheinlich lässt sich das Foto zeitlich zwischen Juli 1951 und 1960 einordnen. Die Kühlerhauben-Nummer – 20897236 – dürfte von einem M38 stammen, der im Juli oder August 1951 gefertigt worden ist".

Dann gibt es noch die markante Strumpfhose, die die mutmaßliche Gerda, Jahrgang 1950, auf dem Foto trägt. Auf einem Familienbild der Winklers trägt die ältere Helga offenbar das gleiche Kleidungsstück. In einem Punkt hegt Helmut Winkler einen leichten Zweifel: "Helga scheint im Soldaten-Bild nicht größer als ihre um knapp drei Jahre jüngere Schwester Gerda zu sein." Womöglich handelt es sich dabei um eine perspektivische Verzerrung. Echt war auf jeden Fall die Freude, die auch Dittelbrunner Kinder an süßen Geschenken aus der neuen Welt hatten. 

 
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