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Amerikanische Zeiten: Ausstellung im Konferenzzentrum
Made in Schweinfurt XIII: Die Ausstellung „Schweinfurt und seine Amerikaner“ vom 24. Juli bis 20. September in der Glashalle am Konferenzzentrum würdigt ein zentrales Stück Zeitgeschichte
Osterüberraschung: Elfriede Lichte von der Schweinfurter Verkehrswacht übergibt einem Militärpolizisten im Chevrolet ein Osterei, 1956/57.
Foto: Elfriede Lichte, Gerolzhofen | Osterüberraschung: Elfriede Lichte von der Schweinfurter Verkehrswacht übergibt einem Militärpolizisten im Chevrolet ein Osterei, 1956/57.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 15.08.2014 17:57 Uhr

Das 150-seitige Buch zur Ausstellung nennt Daniela Kühnel ausdrücklich nicht Geschichtsbuch, sondern Geschichtenbuch. Denn es sind eben vor allem die Geschichten von und zwischen Menschen, die sie erzählt. Beziehungsweise die Menschen, die sie befragt hat für die 13. Ausgabe der Ausstellungsreihe „Made in Schweinfurt“, die diesmal den Titel „Schweinfurt und seine Amerikaner“ trägt und vom 24. Juli bis 20. September in der Glashalle am Konferenzzentrum zu sehen sein wird.

Genau einen Aufruf veröffentlichte das Schweinfurter Tagblatt auf Bitte des Kulturamts: Leser sollten von ihren Erinnerungen an die Amerikaner berichten. Es bedurfte nur dieses einen Aufrufs, um die Kunsthistorikerin Kühnel über Wochen und Monate zu beschäftigten. In stetem Strom gaben Menschen in der Kunsthalle Fotos und Briefe für sie ab, baten sie zu sich nach Hause oder ins Café, um ihre Geschichten zu erzählen. Bis nach Hawaii sind Kontakte entstanden.

Wenn Ende September der letzte Angehörige der US-Militärgemeinde in Schweinfurt das Licht ausmacht, geht eine Koexistenz zu Ende, die die Stadt über Jahrzehnte mitgeprägt hat. Im Buch werden die Zeugnisse von rund 60 Personen gewürdigt, nicht zu reden von einer Fülle nie zuvor veröffentlichter Bilder. Da sind die Aufnahmen vom Einmarsch der Amerikaner in Schweinfurt, von ersten Begegnungen zwischen Kindern und GIs. Kurt Köhler, Jahrgang 1932, bekam den ersten Kaugummi seines Lebens und erkannte, dass das ungeliebte Englischlernen doch nicht umsonst war. Abends klebten die Kinder ihren Chewinggum an den Bettpfosten, um ihn am nächsten Tag weiterzukauen.

Da gibt es Bilder von Schutträumungsaktionen, von der Abnahme eines der Schilder „Adolf-Hitler-Straße“ oder von ersten sportlichen Begegnungen zwischen Siegern und Besiegten. Denn zunächst war dies der Status beider Seiten. Es gab Ausgangssperre und Fraternisierungsverbot, bevor Essen, Musik und Mode des American Way allmähliche ihre Anziehungskraft entfalteten.

Die Ausstellung ist in die vier großen Themenbereiche „Besatzung“, „Demokratisierung“, „American Way“ und „Was bleibt“ eingeteilt. Viele Schweinfurter begegneten bei Kriegsende zum ersten Mal einem Amerikaner. Diese begannen zunächst, der vom Krieg gezeichneten Stadt eine neue Ordnung zu geben und eine Verwaltung aufzubauen. Die amerikanische Flagge auf dem Schweinfurter Rathaus zeugte davon. Dazu kamen Hilfsmaßnahmen wie Care-Paket oder Schulspeisung mit Kakao und Weißbrötchen.

Hauptziel der Amerikaner war die Erziehung zur Demokratie. Dazu gehörten die Einrichtung eines Amerika-Hauses, die Förderung von Austauschprogrammen für Schüler oder die Organisation von Sportveranstaltungen wie beispielsweise Seifenkistenrennen. Eine originale „Soap-Box“ wird in der Ausstellung zu sehen sein, eine „kleine“ Seifenkiste gibt es zum Nachbauen für Zuhause.

Im Kalten Krieg waren die Amerikaner als Sieger- und Schutzmacht besonders präsent. Jazzmusik und neue gastronomische Konzepte wie die „Milch-Bar“ hielten Einzug. In einer nachgebauten Milchbar können die Besucher dem Lebensgefühl der 1950er-Jahre nachspüren.

Sportliche Veranstaltungen, Vereine und Feste boten Gelegenheiten, Freundschaften zu knüpfen und Kontakte mit den Amerikanern zu pflegen. Diese werden auch nach dem Abzug Bestand haben, sagt Daniela Kühnel. „American Football wird auch nach der Verlegung der Soldaten ein Stück amerikanischer Kultur in Schweinfurt aufrecht erhalten.“ Die Besucher können sich in der Ausstellung mit den Grundregeln vertraut machen und auch das Cheerleadern ausprobieren.

Das Buch ergänzt die Ausstellung mit einer Fülle vertiefender Beiträge. Etwa den Erfahrungen, die der junge Kurt Petzold, nachmaliger Oberbürgermeister von Schweinfurt, als einer der ersten Austauschschüler des American Field Service während seines Jahres in Oklahoma City machte. Im August 1954 wurde die Schülergruppe sogar von Präsident Eisenhower in Washington empfangen.

Doch neben all der Förderung gab es durchaus auch Härten für die Bevölkerung. So beschlagnahmte die Army neben Ämter- und Schulgebäuden auch Wohnungen, Häuser und ganze Wohnviertel in der stark zerstörten Stadt, die ohnehin ein massives Wohnungsproblem hatte. Die Wohnungsinhaber durften nichts mitnehmen und mussten oft jahrelang auf engstem Raum in Notquartieren zusammenleben.

Zudem hatten nationalsozialistische Erziehung und Propaganda durchaus ihre Spuren bei den Menschen hinterlassen. Es gab Vorurteile und Ablehnung gegenüber den schwarzen Soldaten. Diese fielen jedoch – anders als hin und wieder betrunken randalierende und schlägernde GIs – durch ihre Freundlichkeit und Freigebigkeit auf. Auf vielen Ebenen entstanden Kontakte, Freundschaften und schließlich auch Liebesbeziehungen: Die erste deutsch-amerikanische Ehe in Schweinfurt wurde am 31. März 1947 geschlossen.

Waltraud Schrott, Jahrgang 1942, wuchs in enger Nachbarschaft zu einer amerikanischen Familie auf. Sie freundete sich mit deren Tochter Sandy an. Und während Waltraud bald Maiskolben und Hersheys-Schokolade zu schätzen lernte, liebte Sandy Schweinefettbrote. Zu einem ganz besonderen Kontaktmotor entwickelte sich die Gastronomie beziehungsweise das Clubleben: Anfangs befanden sich die Clubs nicht nur in der Kaserne, sondern auch in früheren Restaurants, im Sachs-Bad, im „Saal der Jugend“ bei Kugelfischer, im Wallbräu oder im Brückenbräu. Hier spielten auch deutsche Bands, deren Musiker begierig die neuen Klänge des Jazz – live oder auf Platten oder per Musikbox – für sich entdeckten.

So nahm manche Karriere ihren Anfang in den amerikanischen Clubs, auch die des Schweinfurters Ed Sperber. Er wurde 1937 in Bergrheinfeld geboren und stieg bereits mit 16 Jahren beim Orchester von Oskar Emmert ein. Er erzählt: „Man hatte amerikanische Freunde und schaute, wie sie sich kleiden, zum Beispiel, was Krawatten anbelangt. Die haben immer super Krawatten gehabt.“

Einen weiteren Beitrag liefert die von Max Kidd und dem Team von Y-Concepts erstellte Dokumentation „The American Way of Schweinfurt“. Der Film über den Abzug der Amerikaner wird während des gesamten Ausstellungszeitraumes zu sehen sein und kann auch auf DVD erworben werden – als Erinnerung an „amerikanische Zeiten in Schweinfurt“.

Erste Schritte zur Demokratisierung: Amerikanischer Soldat beim Entfernen eines Straßenschilds.
Foto: Ruhl | Erste Schritte zur Demokratisierung: Amerikanischer Soldat beim Entfernen eines Straßenschilds.
Die neue Zeit: Rock'n'Roll-Einlage von Ed Sperber und seiner Band im amerikanischen Club.
Foto: Ed Sperber, Schweinfurt | Die neue Zeit: Rock'n'Roll-Einlage von Ed Sperber und seiner Band im amerikanischen Club.
Schweres Gerät: Manöver bei Bergrheinfeld.
Foto: Sammlung Edgar Kolb | Schweres Gerät: Manöver bei Bergrheinfeld.
Weltläufig: Kurt Petzold (vorne) in seiner amerikanischen Austauschklasse in Oklahoma City.
Foto: Kurt Petzold | Weltläufig: Kurt Petzold (vorne) in seiner amerikanischen Austauschklasse in Oklahoma City.
 
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