Ankommen, aussteigen, zum See laufen, auf die Liege legen, durchschnaufen – wer braucht schon Nordsee, Ostsee oder das Mittelmeer wenn er den Ellertshäuser See, Unterfrankens Meer, hat? Natürlich ist er kein Meer, per EU-Definition noch nicht mal ein echter See, sondern nur ein großes „Stillgewässer“. Doch Menschen, die sich vom Wasser angezogen fühlen, werden verstehen, dass dieser 33 Hektar große See im Landkreis Schweinfurt zwischen Stadtlauringen und Hofheim gelegen, Erholung pur bietet.
Wüstung aus dem Mittelalter
Der Name kommt von einer Wüstung namens Ellertshausen, die im 14. Jahrhundert aufgelassen wurde, nachdem die Bewohner von der Pest dahin gerafft worden waren. Wie gut, dass diese Zeiten lang, lang vorbei sind. Heute herrscht auf und rund um den See im Sommer ein wunderbarer bunter Stimmen-Mix von Kinderjauchzen, wenn sie baden, Segel-Anweisungen, wenn die Neulinge in den kleinen Booten erste Stunden auf dem Wasser verbringen, Fachsimpeleien unter Anglern und Ratschen unter Freunden, die sich abends auf ein kleines Picknick am Ufer treffen. Ein Tag am Ellertshäuser See, für viele Menschen aus der Region ist das seit Jahren im Sommer ein Muss.
Sehnsüchte eines Weltumseglers
Der Marktsteinacher Weltumsegler Stefan Antl, der mit seiner Frau vor gut acht Wochen seine vier Jahre dauernde Tour mit einem Katamaran begonnen hat, lernte als Jugendlicher am Ellertshäuser See in der Segelschule am Nordufer, wie man wendet, halst und anlegt. Schon damals saß er mit einem Kumpel bei Sonnenuntergang am Ufer, schaute auf das Wasser und träumte davon, einst die Weltmeere zu befahren.
Mitte der 1950er Jahre gebaut
Antl war schon lange nicht mehr am Sehnsuchtsort seiner Jugend, er dürfte ihn kaum wiedererkennen, so viel wurde in den vergangenen Jahren investiert. Die Gemeinde Stadtlauringen, die sich seit 1997 um den zwischen 1955 und 1960 als Speicher des „Wasser- und Bodenverbands im ehemaligen Landkreis Hofheim“ angelegten See kümmert, hat in den vergangenen Jahren die Infrastruktur massiv ausgebaut und erneuert, auch gefördert durch EU-Programme. Am Nordufer gibt es neue Toiletten-Anlagen, Kiosk, Wasserspielplatz, einen kleinen Strand, Liegewiesen und auch in die Gaststätte mit Seeblick am großen Parkplatz wurde investiert.
Dass der ursprüngliche Plan, den aufgestauten Speicher als Beregnungsanlage zu benutzen, aus Kostengründen schon vor über 40 Jahren aufgegeben wurde, hat sich heute als Segen erwiesen. Denn statt Beregnung, entschied sich der Freistaat Bayern 1970 die Uferzonen komplett zu kaufen, weite Teile des Areals sind für Baden, Tauchen, Segeln und Angeln freigegeben, der Rest ist als Biotop und Naturschutzgebiet ausgewiesen. Nur so konnte sich in den vergangenen Jahren der See zu dem Anziehungspunkt entwickeln, der er heute ist.
Rundweg um den See
Am besten erschließt man sich das Areal über den 4,4 Kilometer langen Rundweg. Der Spaziergang dauert nur etwas mehr als eine Stunde und bietet ungewöhnliche Einblicke. Start ist am Kiosk und Wasserspielplatz vor der großen Liegewiese am Nordufer. Während unten am See Vater und Sohn an der archimedischen Schraube drehen und voller Begeisterung das Wehr am Sandkasten mit Wasser füllen, steht oben ein Radfahrer und macht ein Selfie: Seht her, ich bin am Ellertshäuser See.
Immer entlang dem schilfbewachsenen Ufer schlängelt sich der Weg, mal breiter, mal schmäler. Nach wenigen hundert Metern kommt die erste Bucht, zahlreiche Segelboote liegen hier, es ist das Revier des Segelclubs Ellertshäuser See Schweinfurt.
Ein Stück weiter wird der Wald dichter, am Wegesrand hat sich ein Pärchen, Mitte 30, auf einer Decke ein nettes Picknick bereit gelegt, während an der nächsten Ecke Vater und Sohn zum Angeln an dem mittlerweile erstaunlich fischreichen Gewässer sich niedergelassen haben und mit professionellem Gerät aufwarten – mehrere Angeln sind ausgeworfen, der Käscher steht bereit, das Zwei-Mann-Zelt auch.
Links der still ruhende See, rechts der Eichen-Hainbuchen-Wald, es wird regelrecht idyllisch auf dem weiteren Weg – eine Hummel brummt vorbei, eine Biene summt hinterher, die Vögel zwitschern und das Wasser plätschert sanft. Am Himmel sieht man den Kondensstreifen einer Linienmaschine, ihr Brummen ist auch zu hören, wahrscheinlich ein Ferienflieger auf dem Weg an irgendeinen Mittelmeer-Strand. Aber jetzt und hier will man nicht wirklich weg von diesem Ort.
Alleine in der Natur
Auf dem Rundweg Nummer zwei kommt der Obere Damm des rund 1300 Meter langen und bis zu 14 Meter tiefen Sees in Sicht. Hier ist man mit sich und der Natur ganz alleine, das Kinderschreien, die Segelanweisungen, die Gespräche auf der Liegewiese am Nordufer sind ganz weit weg. Der Friedrich-Rückert-Wanderweg und der Fränkische Marienweg führen hier auch entlang, bieten Wanderern und vor allem Radlern in der dahin gehend gut erschlossenen Region auch ein Teilstück am Ellertshäuser See entlang.
Nach dem kurzen Weg über den Damm, geht es wieder zurück am anderen Seeufer. Natur pur, man ist mitten drin im hier ausgewiesenen Biotop, fast das gesamte Südufer ist Naturschutzgebiet – kein Fischen, kein Baden, kein Segeln, kein Rudern. Ist das schlimm? Ganz und gar nicht, es ist die richtige Mischung, um das menschliche Bedürfnis nach Freizeitausgleich und das tierische Bedürfnis nach Ruhe in Einklang zu bringen. Ob Herr Hecht und Frau Schleie auch wissen, dass hier extra eine ganze Bucht nur ihnen und ihren Artgenossen vorbehalten ist, sei mal dahin gestellt.
Nett ist es trotzdem und man sollte nicht nur wegen der vielen Radfahrer auf dem gut ausgebauten Schotterweg lieber den Trampelpfad am Ufer entlang laufen, denn man findet ständig neue nette Ausblicke durch das Gebüsch auf den See und kann sie auf zahlreichen Bänken entlang dem Ufer auch genießen.
Ab ins Wasser
Je weiter man in Richtung Seemitte kommt, desto mehr kehrt das Leben zurück. Man hört die Kinder vom anderen Ufer am gegenüberliegenden Strand, man hört die Segellehrer auf den Booten, die nur wenige Meter entfernt vorbei fahren. Schnell kommt der untere Damm in Sicht, auch hier eine großzügige Liegewiese. Handtuch raus, die Badehose ist schon an, ab ins gut 20 Grad warme Wasser, ein wenig Erfrischung nach der kleinen Wanderung. Nach EU-Zertifizierung ist die Wasserqualität übrigens hervorragend. Auf der Wiese ein vierblättriges Kleeblatt – jetzt trägt er aber ganz schön dick auf, der Ellertshäuser See.
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