
Der Apfel gilt als Lieblingsobst der Deutschen. Laut Statistik verzehrt jeder Einwohner zwischen Flensburg und Garmisch im Durchschnitt pro Jahr rund 22 Kilogramm davon. Für genügend Nachschub ist in diesem Jahr gesorgt. Die Ernte fiel dank der günstigen Witterung mit viel Regen das ganze Jahr über sehr gut aus. Das freut Erich Rößner. Der Naturmensch aus Alitzheim beschäftigt sich gerne und intensiv mit den Früchten. Er ist Pomologe, also ein Fachmann auf dem Gebiet der Obstsorten. Rößner kann viele Apfelsorten bestimmen, was er auf Nachfrage auch gerne macht.
Ein mitgebrachter Apfel lässt Erich Rößner kurz überlegen. Er mustert das Exemplar von allen Seiten, den Stiel und die Rückseite, den sogenannten Kelch. "Das dürfte ein Brettacher sein, weil er so schön glänzt", lautet sein Urteil.
Blick auf Stiel und Kernhaus
Beim Bestimmen der Apfelsorten mustert er zunächst die verschiedenen Farben und Formen. Ist er platt, hoch, kugelrund oder spitz? Zusätzlich schaut der Experte auf den Stiel, ist er lang oder kurz? Wie sieht die sogenannte Stielgrube aus, wie die Kelchseite des Apfels heißt. Auch ob das Kernhaus groß oder klein ist, oder die Kerne selbst können Aufschluss bringen über die vorliegenden Apfelsorte. Und natürlich probiert er den Apfel. "Der Geschmack gehört auch dazu", sagt Rößner.

Beim zweiten Exemplar zieht er bei der Bestimmung zunächst mehrere Möglichkeiten in Betracht. Roter Danziger, Winterrambur – in diese Richtung geht es. Rößner schneidet den Apel an und probiert ihn. "Der schmeckt sehr gut! Das ist ein Jonagold." Damit wäre auch diese Frage gelöst für den einst in der Landschaftspflege tätigen Diplom-Ingenieur und Landwirt. Von jeher kümmert er sich ehrenamtlich um die Natur, nicht nur als Vorsitzender der Ortsgruppe des Bund Naturschutzes in Gerolzhofen.
Bis zu den ersten Äpfeln braucht es Geduld
Äpfel haben es Rößner eben angetan. Bei sich zuhause in Alitzheim hat er 30 Bäume. Dazu betreut er eine 5000 Quadratmeter große Streuobstwiese. Seine eigenen Bäume zog er meist aus den Kernen von Äpfeln groß. Dies dauere zwar 15 bis 20 Jahre, bis die Bäume ihre ersten Früchte tragen. Dafür seien die Bäume robuster, weil sie den Wildcharakter haben, erklärt er.

Zuhause hütet Rößner seine "Schätze", wie er sie nennt, im früheren Stall. Dort liegen drei, vier Exemplare von gut 50 verschiedenen Sorten, jeweils mit Beschriftung versehen. Um zu sehen, wie lange die Früchte haltbar sind, hat er sie dort gelagert.
Beim Schütteln lösen sich die Kerne
Die verschiedenen Apfelsorten zu sammeln, ist ein Hobby von ihm. "Gerade über Exoten, die man noch nie hatte, freut man sich riesig." Hierzu zählt Rößner etwa einen Roten Herbstkalvill, den er bei bei Dingolshausen entdeckt hat. Einen ebenfalls seltenen Schlotterapfel fand er in der Nähe des Arlesgartens in Gerolzhofen – ein besonderes Fundstück für Rößner. Beim Schlotterapfel führt er vor, warum dieser so heißt: Er schüttelt ihn leicht, dann hört man es schlottern, also klappern. Der Apfel-Experte erklärt auch, weshalb das so ist: Sobald die Sorte reif ist, lösen sich die Kerne im Inneren.

Besonders interessant sind für ihn Straßenränder oder Bahndämme. Hier stößt er bisweilen auf wild gewachsene Bäume oder Büsche, die ihn neugierig machen, wie er zugibt. "Dort sehe ich öfters welche. Da überlegst du dann, ist es eine Edelsorte, oder sind es Wildlinge?"
Es ist faszinierend, was Rößner über Äpfel zu erzählen weiß. Die Stammform unserer heutigen Äpfel etwa kommen vom asiatischen Wildapfel aus Kasachstan. Die Römer brachten die Äpfel über die Seidenstraße mit, um sie später auch in Germanien zu verbreiten, erzählt er. Dort gediehen damals nur recht sauer schmeckende Früchte.
Auf Empfehlung des Kaisers
Ohne Zutun des Menschen, ohne den Baumschnitt, würde das Gehölz keinen Hochstamm bilden, es wüchse wie ein Strauch, sagt der Fachmann. Nach wie vor seien in Deutschland die zehn Sorten, die einst im Deutschen Kaiserreich zum Anbau empfohlen wurden, prägend, fährt Rößner in seinem Exkurs fort. Allerdings gebe es in Deutschland weit über 2000 Sorten. Und es kämen viele neue Züchtungen und Kreuzungen hinzu.
Natürlich kennt er nicht alle, jedoch die geläufigsten. Manche Apfelsorten, sagt Rößner, könne er bereits seit der Kindheit benennen. "Das sind die besten, die kannst du nicht verwechseln, wie bei den Pilzen. Ich kenne fast alle, die bei uns am Wegrand stehen. Wenn mal ein Unbekannter dabei ist, fällt der mir gleich ins Auge." Da werde er unruhig, das beschäftige ihn, so dass er dann daheim in seinen Büchern nachschaut.

Rößner lobt die Vielseitigkeit der Früchte, die seit eh und je beliebt sind. "Der Apfel steht schon hoch im Kurs. Bei Kindern dürfen sie nicht zu groß sein, man muss sie am besten in kleine Stücke schneiden, oder schälen", rät er. Es gibt viele Möglichkeiten, sie zu verarbeiten: Kuchen backen, Saft pressen, Dörren und so weiter. Lediglich der einst nahezu überall typische Apfelmost sei etwas aus der Mode gekommen.