Adventszeit. Der erste Schnee legt sich bereits über das Steigerwaldvorland. Noch vor wenigen Jahrzehnten bedeutete dies, die Vorbereitung auf das Weihnachtsfest und zwar ohne den inzwischen fast notorischen Weihnachtsstress. Zuvor hatte die Landbevölkerung aber noch alle Hände voll zu tun, um den eigenen Betrieb für den Winter vorzubereiten.
Der Broterwerb der Dorfbevölkerung wurde zur damaligen Zeit fast ausschließlich aus der Landwirtschaft generiert. Vor allem in den Erntemonaten September und Oktober waren alle Familienmitglieder gefordert um die Ernte in Keller und Scheunen einzufahren. „Bis zur Martini-Kirchweih Mitte November sollten die Feldarbeiten in Vögnitz abgeschlossen sein“, das war ein unausgesprochenes Gesetz im Ort, so Rita Hußlein.
Um die Arbeiten problemlos zu bewältigen, war es wichtig ein eingespieltes Team von Mensch und Tier zu haben. Die Kühe liefen im Gespann und mussten an Joch und Arbeitsgerät gewöhnt werden, was zwischen wenigen Wochen bis zu einem dreiviertel Jahr dauern konnte. Um die Tiere nicht zu überlasten, hatte man normalerweise zwei Gespanne im Stall stehen.
Im Hause Hußlein mussten Rita und Anna nach dem frühen Tod ihres Vaters bereits als Jugendliche die Mutter in Haus und Hof voll unterstützen. Die schwere Arbeit mit den Kühen die als Zug- und Ackertiere eingesetzt wurden, machte Rita besonders Spaß. Größte Sorgfalt legte sie beim Ackern an den Tag. „Gerade Furchen waren mein ganzer stolz“, so Hußlein.
Bereits im Alter von zwölf Jahren ackerte sie erstmals mit Unterstützung, drei Jahren später war sie selbstständig auf dem Feld unterwegs. Ihre Schwester Anna wurde meist zum Führen der Tiere eingesetzt. Im Schwerpunkt baute man damals Getreide und Hackfrüchte an. Anfang der 50er Jahre begann der Anbau der Zuckerrüben im Gerolzhöfer Umland.
Viele Arbeitsgänge waren notwendig, um die Feldfrucht für den Abtransport per Lkw zur Zuckerfabrik nach Ochsenfurt vorzubereiten. Nach dem Entfernen des Blattwerks mit einem sogenannten Zuckerrübenschieber – dieser sah aus wie eine Heugabel, nur dass am vorderen Ende eine Art Klinge quer lief – wurde das Grünzeug auf einen Anhänger gegabelt. Am Acker wurde das Blattwerk auf Haufen gesammelt, abgedeckt und nach und nach als Tierfutter verwendet. Dann kam das Gespann zum Herauspflügen der Feldfrüchte zum Einsatz. Im Anschluss wurden die Rüben per Hand gereinigt und auf Haufen geworfen.
Kam der Lkw zum Abtransport in die 1951 eröffnete Zuckerfabrik Ochsenfurt wurden die Rüben per Hand auf die Ladefläche geworfen. Meist half man sich in der Nachbarschaft untereinander. In Zeiten vollautomatischer Zuckerrübenvollernter für jüngere Semester kaum noch vorstellbar. Auf leichteren Sandböden konnten Hußleins ihre Kühe zur Bodenbearbeitung einsetzen. Die kräftigeren Pferde und Ochsen, welche man mit Gespannführer anforderte, mussten bei schweren Böden ran. „Immerhin neun Zugpferde gab es nach Kriegsende in der 119-Seelengemeinde“, erinnert sich Rita Hußlein.
Wegen der überwiegenden Sandböden baute man viele Kartoffeln in Vögnitz an. Diese wurden auch ins Umland verkauft. Vor dem Winter stand auch noch das Einsilieren der „Grumbern“ für die Schweinemast an. Dies war notwendig um die Haltbarkeit der Erdknolle, die anfällig für Fäulnis und Frost ist, über den Winter zu gewährleisten. Die hierfür notwendige Dämpfkolonne betrieb die Raiffeisengenossenschaft für die Orte Dingolshausen, Bischwind und Vögnitz in Eigenregie. Das fahrbare Monstrum umfasste drei große Kessel, welches Unmengen an Brennstoff benötigte. Vor allem für die Kinder immer ein besonderes Erlebnis.
Neben den Tieren sollten natürlich auch die Menschen nicht zu kurz kommen. Der damals sehr beliebte Apfelmost wurde zubereitet. Nach Feierabend wurden die Äpfel in einer Mühle gemahlen, in der sogenannten Kalter ausgepresst und in Fässern im Keller eingelagert.
Als Anfang der 50er-Jahre das erste „Dieselross“, ein 15er Fendt bei Familie Wüst in Vögnitz Einzug hielt, sorgte dies für Aufruhr. Eine Arbeitserleichterung aber auch eine kostspielige Angelegenheit, die sich viele Bauern erst Jahre später leisten konnten oder einfach noch nicht überzeugte. Auch wenn Rita Hußlein lieber mit ihren Kühen weiterarbeiten wollte, wurde 1963 ein Traktor angeschafft. „Wir fuhren Porsche. Einen mit 14 PS“, ergänzt sie süffisant.
Die Liebe zu den Rössern ist den Vögnitzern, trotz der immer weiter fortschreitenden Maschinisierung, erhalten geblieben. „Inzwischen kommt in Vögnitz auf jeden zweiten Einwohner ein Pferd“, so Hußlein.