Am 18. November jenen Jahres wurde das letzte Mal Rohmilch in der Kolpingstraße zur Verarbeitung angeliefert. Danach wurden die Betriebsräume nur noch einmal kurzfristig für die Herstellung der sogenannten "Weihnachtsbutter" von den Milchwerken genutzt, ehe die Werksuhr endgültig stillstand und sich hier neue wirtschaftliche Aktivitäten entwickelten. Mit der Stilllegung verschwanden auch die Verpackungen mit der Aufschrift "Gerolzhöfer Butter" für immer aus den Kühltheken der Läden und Supermärkte.
Die Stadt Gerolzhofen verlor mit dem Butterwerk nicht nur die Arbeitsplätze, sondern auch den größten Strom- und einen der bedeutendsten Wasserabnehmer der Stadtwerke, der zudem stets für eine ordentliche Gewerbesteuerzahlung gut war.
Ein Baulöwe um 1900
Privatier Adam Hufnagel - heute würde man ihn als Immobilienmakler und Baulöwen bezeichnen - hatte 1904 gegenüber vom Bahnhof an der neu eröffneten Strecke nach Kitzingen das Grundstück erworben, um darauf eine Molkerei zu errichten, jedoch nicht selbst zu betreiben.
Offiziell nahm die "Zentralmolkerei Gerolzhofen" 1907 ihren Betrieb auf. Die Zeiten waren allerdings schlecht. Die Anlieferungen blieben hinter den Erwartungen zurück. Der Erste Weltkrieg versetzte dem Betrieb den endgültigen Todesstoß.
1915 erwarb der Gastwirt Josef Härterich das Grundstück samt der darauf befindlichen Gebäude. Die Betriebsräume erlebten eine wechselvolle Zeit, dienten als Getreidespeicher, Turnhalle und schließlich als Fabrikationsräume der 1. Gerolzhöfer Fahrradfabrik "Winco".
1930, mitten in der Wirtschaftskrise, machten sich mutige Männer an die Arbeit, um die Räume wieder ihrem ursprünglichen Zweck zuzuführen. Die Initiative für die Wiedergründung der Molkerei ging von dem Bergrheinfelder Bürgermeister und Landwirt Adam Göb aus, der in den Bürgermeisterkollegen August Wolf (Heidenfeld) und Josef Kunzmann (Frankenwinheim) zwei Mitstreiter fand.
Die Eröffnung des Butterwerks erfolgte am 19. März 1931 durch die so geannte Milchverwertungsgenossenschaft e.G.m.b.H. Schweinfurt. Zu diesem Zweck hatte man sich mit Franz Niederle einen jungen Molkereifachmann aus dem Allgäu geholt. Zusammen mit drei Mitarbeitern machte er sich unter den schwierigsten Bedingungen ans Werk. Die Butter- und Eierhöken aus Stadt und Umland erwiesen sich als erbittertste Gegner. Die erste Tagesanlieferung betrug 1200 Kilogramm, die Kapazität rund 25 000 Liter.
Das größte Problem: Man hatte 80 000 Reichsmark Schulden und ganze 80 Mark Bargeld. Viele Anteilseigner hafteten mit ihrem gesamten Hab und Gut. Der Fürsprache des damaligen Reichstagsabgeordneten Franz Herbert (Kolitzheim) war ein Kredit in Höhe von 40 000 Reichsmark zu verdanken. Doch Risiko und Einsatzbereitschaft sollten sich bald auszahlen.
Die Milchlieferung war bis zum Jahr 1939 auf 39 000 Kilogramm gestiegen, die Belegschaft von vier auf 20 Mann. Auch der Zweite Weltkrieg konnte dem Aufschwung keinen Abbruch tun. 1949 war schon wieder von 35 000 Litern Milch die Rede, die täglich aus 71 Gemeinden angeliefert wurden.
In dieser Zeit, von 1947 bis 1952 erweiterte sich der Betrieb beträchtlich. Es entstanden der Längsbau mit der Milchannahme, ein Querbau mit der Butterei und ein neues Kesselhaus. 1960 kam ein neues Produktionsgebäude hinzu. Die Milchannahme lag zu dieser Zeit bei 50 000 Litern am Tag. Bis zu 50 Beschäftigte fanden nun Brot und Arbeit. Zahlreiche Auszeichnungen und Preise zeugten von ihrer Qualitätsarbeit in Sachen Milch, Butter und Käse.
Im Zuge der allgemeinen Konzentration in Wirtschaft und Landwirtschaft hatte 1971 das Butterwerk in Gerolzhofen wie auch die Molkereien Schweinfurt, Arnstein, Bad Brückenau, Hammelburg, Bad Königshofen, Mellrichstadt, Miltenberg mit Würzburg fusioniert. Anfang der 80er Jahre fällten die Milchwerke Mainfranken, so der Name des Zusammenschlusses, den Beschluss, in Würzburg eine neue, zentrale Molkerei zu errichten. Das war das endgültige Aus für das Butterwerk Gerolzhofen.