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SCHWEINFURT
Als nächster kommt Beethoven
Interview: Christoph Hagel, Regisseur von „Breakin' Mozart“, über die Begegnung zwischen HipHop und Hochkultur, die Fortentwicklung von „Breakin' Mozart“ und mögliche Cross-Over-Projekten mit einem weiteren klassischen Komponisten.
Poesie und Akrobatik: Szene aus „Breakin' Mozart“ mit der Schweinfurter DDC.
Foto: DPS Photography | Poesie und Akrobatik: Szene aus „Breakin' Mozart“ mit der Schweinfurter DDC.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 26.04.2023 22:07 Uhr

Vom 3. bis 5. Oktober kehrt die Schweinfurter Breakdance-Truppe DDC – Dancefloor Destruction Crew ins Theater der Stadt Schweinfurt zurück – mit „Breakin' Mozart“, einem abendfüllenden Tanzstück zu Musik von Wolfgang Amadeus Mozart. dedr Vorverkauf läuft. Die Urversion hatte im vergangenen Jahr beim Würzburger Mozartfest Premiere, dann trat die Company vier Monate lang mit einer überarbeiteten und um die Auftritte von Artisten ergänzten Fassung im Berlinger Varieté Wintergarten auf. Die Handlung: Mozart wird aus dem 18. ins 21. Jahrhundert katapultiert.

Die Tänzerinnen und Tänzer, eine Sopranistin und ein Pianist erzählen eine tragikomische Geschichte: Junge trifft Mädchen, Mädchen möchte aber lieber einen anderen, anderer Junge möchte Mädchen auch – kurz, Liebe ist zu allen Zeiten eine hochkomplizierte Angelegenheit.

Inszeniert hat das Stück der Dirigent, Regisseur, Produzent – und Pianist – Christoph Hagel, der bei zwei der drei Schweinfurter Vorstellungen selbst am Flügel sitzen wird. Im Gespräch berichtet er von der Begegnung zwischen HipHop und Hochkultur, von der kontinuierlichen Fortentwicklung von „Breakin' Mozart“ und von möglichen Cross-Over-Projekten mit einem weiteren klassischen Komponisten.

Frage: Wie geht's? Sie waren viel unterwegs. . .

Christoph Hagel: Ich habe neben „Breakin' Mozart“ mit der DDC im Berliner Wintergarten um die Osterzeit noch 15 mal die Johannespassion in verschiedenen Städten dirigiert. Außerdem gab es ein paar wichtige Aufführungen von „Flying Bach“, so im Großen Festspielhaus in Salzburg, beim Bachfest in Schaffhausen und fünf Abende in Zürich. Für diese Termine wurde ich im Wintergarten ersetzt. Insofern war's für mich eine unheimlich aufregende Zeit. So viel habe ich selten gleichzeitig gemacht. Wie früher Karajan (lacht). Und am Sonntag war die letzte Vorstellung von Breakin' Mozart. Am Montag sind die Jungs und Mädchen von der DDC abgereist. Ich war da – das war intensiv.

Wie lief's die vier Monate im Wintergarten?

Hagel: Es war ein großer Erfolg – wir waren voll. Nicht immer ausverkauft, aber voll bis zum Schluss.

Hatten Sie damit gerechnet?

Hagel: Wir haben das alle gehofft. Der Wintergarten war sehr unsicher, weil er zum ersten Mal ein Programm hatte, bei dem Tanz eine so zentrale Rolle spielt. Es war zwar auch Artistik dabei, sehr gute Artistik, dafür haben wir die Aufführung vom Würzburger Mozartfest eigens umgearbeitet. Aber da es in Berlin viel Tanz gibt – Friedrichstadtpalast, die berühmten Compagnien wie Sasha Waltz oder die Flying Steps –, war die Leitung des Wintergartens sehr aufgeregt. Kurz vor der Premiere kam es noch zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen mir und dem Theaterleiter, mit dem ich mich sonst prima verstehe. Ich habe gesagt, wieso macht er eine Tanzshow, wenn er Angst hat, Tanz zu zeigen? Aber im Nachhinein musste er mir recht geben: Der Tanz kam fabelhaft an.

Wie waren die Reaktionen des Publikums?

Hagel: Es gab tatsächlich jeden Abend viel Jubel. Spätestens bei der Jupitersymphonie ist das Publikum explodiert. Dass gerade diese Choreografie so beeindruckte, hat mich am meisten gefreut. Breakin' Mozart war auf jeden Fall ein Gesprächsthema in Berlin. Daher der sehr gute Besuch. Es kam auch immer mehr Hochkulturpublikum – wegen Mozart. Und andererseits kamen viele Kinder, Jugendliche und Hiphop-Fans – das Publikum der Jungs. Und natürlich das klassische Wintergartenpublikum. Das alles hat sich dann gemischt. Und die Presse war einfach fabelhaft. Das ist in Berlin oft anders.

Haben Sie selbst auch mit Zuschauern gesprochen?

Hagel: Ja, sehr viel. In der Show überzeugt der Gesamt-Mix, hörte ich oft. Meine These ist nach wie vor: Dadurch, dass der Abend mit Mozart eine sehr ernsthafte Grundlage hat, kann man fast alles machen, ohne dass es platt wird. Die DDC hat jede Menge Späße in ihre Tänze eingebaut – und es hat funktioniert. Insgesamt entsteht eine sinnvolle Spannung zwischen dem, was man sieht, und der Musik. Konflikt und Spannung – das ist abendfüllend. Und dann kam eben noch die Artistik dazu. Wir haben darauf geachtet, dass die Artisten auch so jung waren wie die Jungs von der DDC. So ist eine homogene Gruppe entstanden. Und mein Ziel war, die Tänzer und die Artisten zusammenzubringen, zu „integrieren“ – mit Mozart.

Breakin' Mozart wird Anfang Oktober dreimal im Schweinfurter Theater zu Gast sein. Welche Version werden wir sehen – die Mozartfest-Version, oder gibt es noch einmal eine Weiterentwicklung?

Hagel: Wir haben in Berlin parallel auch an der reinen Tanzshow weitergearbeitet und sie im Mai bei der „Musica Bayreuth“ gezeigt. Ich glaube, das Stück ist jetzt viel klarer, dichter, intensiver als die Würzburger Fassung. Es gibt zwei neue Stücke: die Ouvertüre zu „Figaros Hochzeit“ und ein nagelneues Swingstück. Die Duos sind überarbeitet. Ich glaube, das ist jetzt eine dritte Stufe. Für die Tänzer ist es natürlich härter, einen ganzen Abend alleine zu machen.

Entwickelt so ein Stück irgendwann ein Eigenleben?

Hagel: Ein Eigenleben nicht, das muss man schon alles selbst erledigen. Wir sind natürlich viel klüger als damals in Würzburg. Wenn man eine Aufführung so oft sieht wie ich – wir haben fast 100 Mal gespielt, und ich saß bestimmt 75 Mal am Klavier –, dann sieht man sehr genau die Stärken und die Schwächen. Es gab jeden Abend auch Nachbesprechungen. Die Jungs und Mädchen haben das durchgehalten, es gab kaum Schwankungen. Im Gegenteil: Die DDC hat sich in diesen Aufführungen noch gesteigert. Hochachtung! Und es gab nur kleine Verletzungen – anders als bei den Artisten, wo zwei Künstler wegen Verletzungen zeitweise ausgetauscht werden mussten.

Sie haben mal im Gespräch über Ihre Arbeit an Flying Bach erzählt, dass sie am Anfang ein Stück komplett durchchoreografiert hatten, was aber mit den Tänzern dann nicht funktionierte. Die Lösungen mussten gemeinsam gefunden werden. Hat sich über die vier Jahre, die Sie nun mit Breakdancern arbeiten, Ihre Art zu arbeiten verändert?

Hagel: Ich habe inzwischen tatsächlich mit sehr vielen Breakdancern sehr viele Proben gemacht. Dadurch weiß ich jetzt mehr und habe mehr Ideen, was möglich ist. Aber es gibt immer Überraschungen.

Hat sich Mozart für Sie entwickelt?

Hagel: Ich habe ja schon einige verrückte Sachen zu Mozart gemacht. Beispielsweise hatte ich in meiner U-Bahn-Zauberflöte vor fünf Jahren einen berühmten Rocksänger dabei. Ich war immer davon überzeugt, dass Mozart viel mit Unterhaltung zu tun hat. Im Gegensatz zu Bach. Mozart ist in gewissem Sinn Entertainment, und davon verstehen die Jungs wirklich was.

Wie haben die sich denn Mozart angenähert?

Hagel: Die Bearbeitungen waren fabelhaft, aber mit dem originalen Mozart haben sie sich lange sehr schwergetan. Noch im Wintergarten bin ich manchmal fast verzweifelt. Die erste große Krise gab es, als ich mich einfach nicht mehr verstanden fühlte. Später hat sich das dann entwickelt. Sie sind halt noch sehr jung. Für die Jungs bestand der Abend aus Breakdance. Für den Wintergarten zählten nur die Artisten. Mit der Integration dieser beiden Genres auf der Grundlage Mozart habe ich mich dann doch etwas verlassen gefühlt. Erst die Kritiken nach der Premiere haben den Mozart-Zusammenhang und -Zusammenhalt als wichtiges Element hervorgehoben.

Sie haben jetzt Bach und Mozart gemacht. Mir fällt auf Anhieb kein dritter Komponist ein, der mit seinem Gesamtwerk so für ein Projekt geeignet wäre. Fällt Ihnen noch einer ein?

Hagel: Ja.

Und zwar?

Hagel: Raten Sie mal? Bach – Mozart – – – – Beethoven.

Ja, natürlich!

Hagel: Wild, rebellisch, radikal.

Das heißt, das nächste Projekt ist schon mit Beethoven geplant?

Hagel: Erstmal sage ich nur, Beethoven ist eine Option.

Jetzt hören Sie sich an wie ein typischer Fußballtrainer. Mal ganz hypothetisch gesprochen: Der Reiz wäre dann aber wohl nicht, jetzt auch noch Beethoven mit Breakdance zu machen?

Hagel: Es gibt eine gewisse Verwandtschaft. Man darf natürlich nicht noch einmal dasselbe machen. Aber trotzdem: Ich habe gewisse Ansätze zu Beethoven, die gehen von bestimmten Stücken aus. Mehr kann man jetzt noch nicht sagen. So etwas dauert lange.

Breakin' Mozart – Freitag, 3., bis Sonntag, 5. Oktober, 19.30 Uhr, Theater der Stadt Schweinfurt, Freiverkauf außer Abo, der Vorverkauf läuft, Tel. (0 97 21) 51 49 55 oder 51 0 – Internet: www.theater-schweinfurt.de

Christoph Hagel und die DDC

Christoph Hagel, Jahrgang 1959, Dirigent, Produzent und Opernregisseur, ist Schüler von Leonard Bernstein und Sergiu Celibidache. Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählen Inszenierungen an ungewöhnlichen Orten, etwa „Don Giovanni“ im E-Werk 1997 mit Katharina Thalbach, „Zirkus um Zauberflöte“ 1998, mit George Tabori, „Apollo und Hyacinth“ 2006 zur Wiedereröffnung des Bode-Museums und später dort „Orpheus und Eurydike“ und „Die Hochzeit des Figaro“, „Die Zauberflöte“ 2008 in der Baustelle der U-Bahnstation „Bundestag“, 2011 „Die Schöpfung“ und die Johannespassion im Berliner Dom als Tanztheater und „Red Bull Flying Bach“, das Breakdance-Crossover mit der Truppe Flying Steps, das 2010 in der Neuen Nationalgalerie Premiere hatte und beim Nachsommer 2012 in Schweinfurt zu sehen war. Als Auftragsarbeit des Würzburger Mozartfests entstand 2013 „Breakin' Mozart“ mit der Schweinfurter Breakdance-Truppe DDC.

Dancefloor Destruction Crew: Seit 2002 geben die Mitglieder Breakdance-Kurse in der Tanzschule Pelzer. Seit 2007 errang die DDC eine ganze Reihe Meistertitel auf nationaler, europäischer und globaler Ebene. Im November 2012 spielte sie ihre abendfüllende Show „Weg der Elemente“ zweimal im ausverkauften Theater. Nun kehrt sie mit drei Vorstellungen „Breakin' Mozart“ zurück.

Treffen der Generationen: Christoph Hagel im Mai 2013 bei der Probenarbeit mit der DDC.
Foto: Josef Lamber | Treffen der Generationen: Christoph Hagel im Mai 2013 bei der Probenarbeit mit der DDC.
 
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