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SCHWEBHEIM
Als die Menschen Gras kochten und Ratten aßen
Zwei engagierte Botschafter der Geschichte, berichteten aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Günther Birkle (links) und Elmar Geus ließen bewegte Zeiten wieder aufleben.
Foto: Ursula Lux | Zwei engagierte Botschafter der Geschichte, berichteten aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Günther Birkle (links) und Elmar Geus ließen bewegte Zeiten wieder aufleben.
Ursula Lux
Ursula Lux
 |  aktualisiert: 17.03.2018 02:34 Uhr

Gleich zwei kompetente Referenten hatte der Ortsgeschichtliche Arbeitskreis eingeladen, um sich mit dem Thema „Der Dreißigjährige Krieg“ auseinanderzusetzen.

Während der Historiker Dr. Elmar Geus die großen Zusammenhänge, die eigentlichen Ursachen und die europäische Dimension des Geschehens deutlich machte, zeigte der Ehrenvorsitzende des Ortsgeschichtlichen Arbeitskreise, Günther Birkle, die Auswirkungen der andauernden Scharmützel auf das kleine Bauerndorf Schwebheim.

Für Geus ist der Prager Fenstersturz eher Anlass als Ursache des Kriegsgeschehens. Nach dem Augsburger Religionsfrieden war das Deutsche Reich zersplittert, die ohnehin stark nach Unabhängigkeit strebenden Territorien hatten jetzt auch noch die religiöse Oberhoheit. Im Grunde war es der Erbstreit um das böhmische Königreich, und die Rekatholisierungsversuche des römisch-deutschen Kaisers Ferdinand II aus dem Hause Habsburg, der auch König der Böhmen war, die 1618 zum Fenstersturz und zum Ausbruch des Krieges führten.

Was dann folgte, waren gleich mehrere Kämpfe um die Vormachtstellung in Europa. Da war zum einen der Konflikt zwischen dem Haus Habsburg und dem Königreich Frankreich, weshalb das katholische Frankreich beispielsweise auch den Kriegseinsatz des evangelischen schwedischen Königs Gustaf-Adolf zahlte. Die österreichischen und spanischen Habsburger kämpften zudem gegen die Niederlande, Dänemark und Schweden. All dies hatte mit Religion noch wenig zu tun. Es ging um Macht und Vormacht.

Im Reich selbst stießen die katholische Liga und die protestantische Union aufeinander. Detailliert und spannend schilderte Geus die einzelnen Konfliktherde und schaffte es, die große politische Linie in dieser komplexen Materie herauszuarbeiten. „Der Dreißigjährige Krieg war das entscheidenste Ereignis in Mitteleuropa bis zum Ersten Weltkrieg“, machte der Historiker klar. Sechs Millionen Menschen starben im Kriegsgetümmel oder an dessen Folgeerscheinungen, weite Teile Europas wurden total verwüstet.

Die Auswirkungen dieses Krieges schilderte Birkle am Beispiel Schwebheims. Dabei war der Gewaltstreich mit dem Bischof Philipp Adolf von Ehrenberg 1631 mit 100 Musketieren die Gemeinde rekatholisierte nur ein trauriger Auftakt. Denn noch im selben Jahr sorgte der Schwedenkönig Gustav Adolf dafür, dass die Gemeinde wieder evangelisch wurde.

Viel dramatischer für die Bevölkerung war „die unsagbare Brutalität, mit der Söldnerheere die Landbevölkerung behandelten“, so Birkle. Bis 1628 blieb die Gemeinde mit ihren damals 185 Einwohnern unbehelligt, dann aber zogen fast jährlich Heere durchs Dorf.

1625 beispielsweise 600 Hatzfeldsche Reiter mit rund 2000 Soldaten als Fußvolk. Über das Jahr 1631 berichtet Pfarrer Schwarz in seiner Chronik: „Das Frankenland wurde von den kaiserlichen Soldaten so verderbt und verwüstet, dass die Bauern ihres Viehs beraubt sich selbst an den Pflug spannten.“ Die Menschen ernährten sich von „Kleien, Wicken, Eicheln, gekochtem Gras, von Pferde- und Rinderaas, Ratten, Katzen und Hunden.

Die Bewohner flohen in die umliegenden Städte und in die Wälder. Von 1635 bis 1638 war das Dorf fast menschenleer. Erst 1641 kehrten etwa 100 Menschen ins Dorf zurück, zwei Pfarrer die versuchten wieder Ordnung zu schaffen, gaben auf, „die Menschen waren aller Zucht und Ordnung entwöhnt und verwildert.“

Erst dem Lehrer Rosenfeld gelang es, bis 1645 wieder einigermaßen geordnete Verhältnisse im Ort zu schaffen. Drei Jahre später wurde die Blockade Schweinfurts aufgehoben und die Bayern zogen ab. Steine, aus dem Schwebheimer Schloss abgebrochen, dienten zur Befestigung der Stadt Schweinfurt. Die Zustände im Ort blieben trostlos. Erst im Sommer 1650 zogen die letzten Soldaten ab.

Angesichts dieser Schilderungen kommentierte Birkle die Tatsache, dass Deutschland seit einem Dreivierteljahrhundert in Frieden, Wohlstand und politischer Stabilität lebt, mit einem „Gott sei Dank“.

 
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