„Ach ja, der Commodore 64, das muss Mitte der 1980er-Jahre gewesen sein, damit hat alles begonnen.“ Hanne Braun-Schur lächelt. Der Computer hat sie fasziniert. Bis zu acht Stunden am Tag saß sie davor, und nicht selten ist sie mit dem EDV-Buch ins Bett. Es hat sich gelohnt, seit rund 25 Jahren gibt die Autodidaktin Handy- und Computerkurse, unter anderem für Senioren im Mehrgenerationenhaus. „Ich bin halt ein neugieriger Mensch, und das hat mich interessiert.“
Aber an diesem Tag ist sie nicht zum Arbeiten hier. Sie ist 65 Jahre alt geworden und hat sich einladen lassen. Immer am letzten Montag im Monat gibt es im Mehrgenerationenhaus einen liebevoll gedeckten Tisch und Torte für die Geburtstagskinder des Monats über 65 Jahren. Die Torte ist aber nicht das Wichtigste, sondern die Lebensgeschichte, die das jeweilige Geburtstagskind zu erzählen hat. Monika Hofmann von der Diakonie schreibt eifrig mit. Es soll ein Buch entstehen über „Schwebheimer Geschichten, die das Leben schrieb“. Die Aktion ist ein vom Landratsamt mit 900 Euro gefördertes Leader-Projekt.
Und so wird in der gemütlichen Atmosphäre der alten Wirtsstube im Bürgerhaus erzählt und geschrieben. 5,25 Zoll hatten die großen Disketten, weiß Hanne Braun-Schur. Und sogar der erst 43-jährige Bürgermeister Volker Karb erinnert sich noch an den alten Commodore, allerdings mehr an die Joysticks und daran, dass er die Disketten immer gelocht hat, um so ein Überschreiben zu verhindern. Meist aber seien sie dann zerstört gewesen.
49 Mark Handygebühr im Monat
Hanne Braun-Schur erinnert sich an das erste CD-Rom-Laufwerk. „Ein Rohlinge dafür hat 20 Mark gekostet.“ Überhaupt die Preise, früher sei alles schrecklich teuer gewesen. Für ihr erstes Handy – „das war so ein Knochen“ – habe sie 49 Mark Grundgebühr im Monat gezahlt. „Und zum Telefonieren musste man noch eine Antenne ausziehen.“ Die Erinnerungen sprudeln nur so.
Der Seniorenbeauftragte der Gemeinde, Herbert Holzmann, setzt sich an die Kaffeetafel. Auch seine Kindheitserinnerungen stehen schon im Geschichtenbuch. Es sind richtige Lausbubengeschichten aus einer Zeit, in der der Kindergarten noch eine „Bewahranstalt“ war und die Schwestern es „mit der Nächstenliebe ganz heftig hatten“. Bei jedem Vergehen habe es kräftig „geraucht“.
In dem kleinen Dorf Kirchschönbach wurden in den 1960er-Jahren noch 60 Kinder von der ersten bis zur achten Klasse gemeinsam unterrichtet. Es war eine Zeit, in der der Lehrer streng und die Pädagogik oft wenig sinnvoll gewesen seien, meint Holzmann angesichts der Schläge, die Schüler mitunter bekamen. So wurden sie beispielsweise bestraft, weil sie die Erdbeerfelder der Flüchtlinge geplündert hatten.
Mit 50 Kilogramm Gepäck zwangsausgewiesen
Zu den Flüchtlingen damals, wenn auch nicht in Kirchschönbach, gehörte Edda Stauber-Hildebrand. Sie und ihr Mann haben sich in Unterfranken kennengelernt und festgestellt, dass ihre Familien im Böhmerwald in Nachbardörfern gelebt haben. Es verband sie eine gemeinsame Geschichte. Sie war gerade einmal drei Jahre alt, als die Familie mit 50 Kilogramm Gepäck zwangsausgewiesen wurde. „Doch unsere Familien haben hier wieder angepackt und geschuftet und sich so wieder ein neues Leben aufgebaut.“
Dann ein Zeitsprung: Edda Stauber-Hildebrand erzählt von ihrem geschäftstüchtigen Sohn, der sein Taschengeld mit dem Abschreiben-Lassen der Hausaufgaben aufbesserte und der Mutter anbot, ihr gegen Zinsen gerne auch mal was zu leihen.
Auch Hanne Braun-Schur springt in die Gegenwart. Sie hat ihren Enkeln ein altes Telefon mit Wählscheibe gezeigt und in staunende Gesichter geschaut. „Die wussten damit gar nichts anzufangen.“ Der sechsjährige Enkel habe ihr dann großzügig angeboten: „Oma, wenn du dich mit dem I-Pad nicht auskennst, ich erklär dir alles.“
Lausbubengeschichten aus der Schule
Holzmann denkt ebenfalls an die jüngere Vergangenheit zurück. Als Rektor einer Realschule war er weiter mit „Lausbuben“ konfrontiert. Eine Geschichte blieb ihm nachhaltig in Erinnerung. Ein Schüler hatte alle Zutaten für einen Kuchen einfach in eine Plastikschüssel geworfen und diese dann auf den Ofen gestellt. Als sie begann zu schmoren, habe er alles in einen Kochtopf umgefüllt und diesen sich selbst überlassen. Aus dem Kuchen wurde natürlich nichts, der Topf war kaputt und ein ganz besonderer Geruch zog durchs Schulhaus. „Daran kann doch nur der Thermomix schuld gewesen sein“, meint Holzmann lachend.
Bürgermeister Karb freut sich schon auf das Büchlein mit den Schwebheimer Geschichten. „Wenn die 80- bis 90-Jährigen aus ihrem Leben erzählen, dann geht es immer darum, dass man mit wenig zufrieden war.“ Es seien „berührende Geschichten“ von „mutigen Menschen“.