„Man wird irgendwie auch abgehärtet“, sagt Celine Sendelbeck während sie über ihre Arbeit nachdenkt. Die 19-Jährige leistet aktuell den Bundesfreiwilligendienst beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) in Schweinfurt. Dort arbeitet sie beim Patientenfahrdienst. „Wir bringen Menschen von A nach B, vom Krankenhaus ins Altenheim zum Beispiel“, so Sendelbeck. Nach ihrem Abitur wusste sie nicht so recht, wie es weitergehen soll. Da kam der Bundesfreiwilligendienst gerade recht und verschaffte ihr Zeit zur Orientierung. „Ich habe jetzt so viel über Krankheiten und Menschen gelernt, dass ich nun weiß, was ich machen will“, sagt sie und plant nach dem Freiwilligendienst eine Ausbildung zur Operationstechnischen Assistentin. Durch ihren ständigen Kontakt zu Krankenhäusern ist sie auf das Berufsfeld gestoßen.
Seit der Abschaffung des Zivildienstes im Jahre 2011, bietet der „Bufdi“ eine freiwillige Alternative. „Gerade für junge Menschen, die nicht wissen, was sie nach der Schule machen sollen, ist das eine hervorragende Option“, sagt Thomas Lindörfer, Kreisgeschäftsführer beim Bayerischen Roten Kreuz in Schweinfurt. Neben dem Patientenfahrdienst, bietet der BRK außerdem den Rettungsdienst, die Flüchtlingsbetreuung und die Ausbildung für Erste Hilfe Kurse und andere Workshops als Arbeitsfeld an. „Den Fahrdienst möchte ich aber besonders hervorheben. Hier haben wir das größte Stellenangebot aber auch den größten Bedarf“, sagt Lindörfer und verweist auf 25 000 Fahrten, die alleine in Schweinfurt in diesem Bereich jährlich durchgeführt würden.
Der Bruch zwischen Zivi und Bufdi
Aktuell leisten in ganz Bayern 3662 Menschen den Bundesfreiwilligendienst. Deutschlandweit sind es über 41 000. In den Jahren vor der Abschaffung des Zivildienstes, wurden noch zwischen 80 000 und 90 000 Menschen zum Dienst einberufen. Die Zahlen berufen sich auf Angaben des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Den Unterschied zwischen Zivi und Bufdi kann sich Lindörfer erklären. „Vorher war es Pflicht, jetzt ist es freiwillig. Ich sehe allgemein ein sinkendes Interesse an sozialen Angeboten“, bedauert der Kreisgeschäftsführer. Dennoch erkennt Lindörfer einen großen Vorteil beim Bundesfreiwilligendienst. Dieser könne nach Absprache jederzeit begonnen werden und hätte eine flexible Laufzeit zwischen sechs und 24 Monaten. Außerdem besteht die Möglichkeit für Menschen über 27, den Dienst in Teilzeit abzuleisten.
Vom Bufdi zum Polizist
Anders als Celine, wusste Adrian Vers genau, was er nach der Schule machen möchte: „Ich wollte zur Polizei gehen.“ Um die Zeit bis zur beginnenden Ausbildung zu überbrücken, entschied er sich ebenfalls für einen Bundesfreiwilligendienst. Er übernahm eine Stelle in der Kleiderausgabe der Flüchtlingsbetreuung. „Das ist Perfekt um Erfahrungen zu sammeln und den Umgang mit Konflikten zu lernen“, sagt Vers. Der 19-Jährige bereut die Entscheidung nicht, kommt aber bei der Arbeit auch an seine Grenzen. „Wenn unzählige Menschen etwas von dir wollen, dann ist das schon eine besondere Erfahrung“, sagt er. Dennoch ist er froh über die Erlebnisse und zeigt sich beeindruckt von der Dankbarkeit in den Augen mancher Flüchtlinge. „Das ist schon Wahnsinn. Ich habe gelernt, dass Schwarz-Weiß-Denken über Flüchtlinge falsch ist“, so Vers.
Doch nicht nur soziale Erfahrungen nimmt der junge Mann aus seiner freiwilligen Tätigkeit mit. „Mein Vorgesetzter achtet extra darauf, dass ich mich schon auf meinen Beruf als Polizist vorbereiten kann“, sagt Vers. Demnach dürfe er gezielt darauf achten, ob es Diebstähle in der Kleiderausgabe gibt.
Mit Blaulicht durch die Stadt
Naomi Dotterweich wollte nach ihrem Abitur ohnehin im Gesundheitswesen arbeiten. Nun ist sie als Bufdi im Rettungsdienst gelandet. „Das ist perfekt, weil ich über den Bundesfreiwilligen Dienst meinen Rettungssanitäter machen kann und diesen auch finanziert bekomme“, so die 19-Jährige. Dotterweich ist vom Bufdi überzeugt und fühlt sich als vollwertiges Teammitglied aufgenommen. „Man wird super empfangen und absolut integriert“, sagt Dotterweich. Ein vollwertiges Mitglied muss man auch sein, wenn man im Notfall sogar mit Sirene durch die Straßen fährt. „Heute war eine Platzwunde zu nähen, wenn ich nicht fahre, bin ich im Rettungswagen auch oft als dritter Mann mit dabei“, so Dotterweich über ihre Tätigkeiten.
Weniger spektakulär, aber nicht minder wichtig ist die Arbeit von Anne Blos. Sie Hilft bei Erste Hilfe Ausbildungen mit, richtet Materialien und leistet Bürotätigkeiten. Für sie war der Bundesfreiwilligen Dienst auch eine willkommene Option, da sie noch nicht wusste, wie es nach der Schule weitergehen soll. „So etwas will ich zwar später nicht unbedingt machen, aber es hilft sehr zu wissen, wie es überhaupt ist, richtig zu arbeiten“, so Blos. Kreisgeschäftsführer Lindörfer lobt alle Bufdis und nennt Anne Blos beispielhaft für eine menschliche Weiterentwicklung. „Wenn ich sie sehe, dann hat sie durch die Tätigkeiten einen großen Schritt gemacht, sie ist viel selbstbewusster“, sagt er. „Unsere Bufdis sind nicht diejenigen, die die Garage sauberkehren“, ergänzt Lindörfer und betont die Stellung und die Wichtigkeit jedes einzelnen.
390 Euro Taschengeld
Grundsätzlich bekommen die Bundesfreiwilligen ein Taschengeld von 390 Euro im Monat. Das Rote Kreuz übernimmt zusätzlich auch die Sozialversicherungsbeiträge. Ab 16 Jahren ist der Dienst möglich, der BRK wünscht sich ein Mindestalter von 18. Genau wie beim BRK, bieten viele weitere Einrichtungen Stellen für Bundesfreiwillige an. Das muss nicht immer im sozialen Bereich sein. Lindörfer findet aber gerade diesen Bereich für junge Menschen wichtig. „Wie soll ich später mal mit meiner Pflegebedürftigen Oma umgehen, wenn ich damit nie Kontakt hatte“, sagt er. Dies gelte auch für ausländische Menschen. „Wir hatten auch mal einen Ukrainer, der seine Deutschkenntnisse verbessern wollte“, sagt Lindörfer. Dieser arbeitete als Bufdi im Patientenfahrdienst mit und „sitzt mittlerweile in Süddeutschland in einer Flugzeugfirma“. Thomas Lindörfer ist also überzeugt von der Sinnhaftigkeit des freiwilligen Dienstes. Deshalb wünscht er sich, dass viele junge Menschen, die kurz vor ihrem Schulabschluss stehen, zu ihm kommen.