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Alles hat seinen Preis - Zügel und das Geld
Heinrich von Zügel: Braunes Schaf im Profil, 1870er-Jahre, Öl auf Leinwand. Privatbesitz.
Foto: Museum Georg Schäfer | Heinrich von Zügel: Braunes Schaf im Profil, 1870er-Jahre, Öl auf Leinwand. Privatbesitz.
Von Sigrid Bertuleit Leiterin des Museums Georg Schäfer
 |  aktualisiert: 28.12.2012 18:30 Uhr

Zum Jahresbeginn darf sich der Bürger auf Preissteigerungen einstellen. Kollektiv trifft die monetäre Last ganze Bevölkerungsgruppen. Lagenweise flattern Papiere über Strom, Nebenkosten, über expandierte Mietspiegel und die öffentlich-rechtliche Fernsehgebühr ins Haus. Versicherungstechnisch wird das Mann-Sein gebührenstolzer, die Kommunikation per Brief jetzt mit 58 Cent ohnehin, der blaue Zigarettendunst steigt preislich auf und obendrauf die Kfz-Versicherung. Im steten Galopp wird zudem am Portemonnaie der Bahnfahrer gezerrt und vieles mehr, was selbst zu ergänzen bliebe.

Bei dem aus dem Museum Georg Schäfer scheidenden Maler Heinrich von Zügel spiegelt sich das Auf und Ab von Wert und Würde noch in Goldmark und Reichsmark, besonders in wertlosen Staatsanleihen. Zum Beispiel: 1920 veräußerte Zügel 40 Bilder an einen einzigen Sammler im Gesamtwert von 300 000 Mark Kriegsanleihe. Zweck war nach Zügels Niederlegung der Professur an der Münchner Akademie, Mittel für den Bau eines neuen Atelierhauses zur Verfügung zu haben. Sein Sohn Willy berichtete über Hürden: „Die Ausführung eines von Prof. Theodor Fischer entworfenen Projektes wurde durch die Steuerbehörde verhindert, die meinem Vater 100 000 Mark Kriegsgewinnsteuer abverlangte. Sie musste trotz Protest gezahlt werden. Die Restsumme schwand mit der zunehmenden Inflation ebenso, wie das ansehnliche Vermögen.“

Mit 70 Jahren fühlte sich Zügel in die Enge getrieben: „Mir bleibt nichts übrig als zu sterben, von der Akademie muss ich weg, einen Arbeitsraum kann ich mir nicht schaffen und ohne Arbeit kann ich nicht leben.“ Die Familie sprang ein und half beim Bau des Wohn- und Atelierhauses in München-Bogenhausen. Der Staat griff laut Willy Zügel erneut zu: „Inzwischen hatte mein Vater den gegen das Finanzamt wegen widerrechtlicher Forderung einer Kriegsgewinnsteuer angestrengten Prozess gewonnen. Der Staat wartete aber mit der Rückzahlung so lange, bis die 100 000 Mark so entwertet waren, dass keine Semmel mehr dafür zu kaufen war.“ Die Bitternis der Familie Zügel klingt durch. Dabei war sie bestens an Wertschwankungen gewöhnt.

Ein Kolossalgemälde aus der Reihe Schwere Arbeit verkaufte Zügel im Jahr 1900 nach Amerika für sagenhafte 50 000 Goldmark. 1974 kostete ein großes Gemälde Zügels zwischen 40 000 und 60 000 D-Mark.

Die derzeitige Auktion in München bei Neumeister ließ die Hände der Käufer nach oben fliegen und machte Zügel aktuell hochpreisig.

In der Münchner Szene löste der wissenschaftlich nicht nachvollziehbare Versuch einer Würzburger Lehrassistentin, Zügels Leben und Werk mittels Projektion völkischen Gedankenguts zu stigmatisieren und abzuwerten fachliche Ablehnung und erstaunte Erheiterung aus. Das nicht zu politisierende Bild „Frühling“ aus den 1870er-Jahren stieg dort auf 50 000 Euro (Ausgangswert 6000 Euro). Es ergeht sich im Grün. „Braun“ mögen Kenner dort suchen, wo braun drin ist.

Kosten und Investitionen in die Kultur, in Standortvorteil, Bildung und Lebensqualität sind geringer als vermutet, so nach Hermann Hesse: „. . . dass die Menschheit Dampfmaschinen und Turbinen hat, damit zahlt sie mit unendlichen Zerstörungen im Bild der Erde und im Bilde des Menschen . . . während dagegen dafür, dass der Mensch die Violine erfunden, und dafür, dass jemand die Arien im ,Figaro‘ geschrieben hat, keinerlei Preis gezahlt werden muss. Mozart und Mörike haben der Welt nicht viel gekostet, sie waren wohlfeil wie der Sonnenschein. Jeder Angestellte in einem technischen Büro kommt teurer.“

Die Zügel-Ausstellung im Museum Georg Schäfer geht noch bis zum 6. Januar. Vom 4. bis zum 6. Januar ist der Besuch kostenlos zu haben.

 
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