Der Stand von Haibike war dicht belagert. Auf der weltweit größten Fahrradmesse, der Eurobike in Friedrichshafen am Bodensee, stellte das Sennfelder Unternehmen mit dem neuen Flyon eine spektakuläre Systemintegration vor, samt starkem Motor. Das Publikumsinteresse war entsprechend groß. Und auch sonst punkteten die unterfränkischen Firma beim großen, wichtigsten Branchentreffen mit Innovationen. ZF zum Beispiel mit seinem starken Sachs-Motor und ABS für das Fahrrad, Schaeffler mit einem ausgefeilten Drehmoment-Sensor-Innenlager für die Leistungsmessung und einer automatischen Fahrradschaltung. Und nicht zuletzt SRAM mit der Adler-Schaltung, die es jetzt auch und speziell für das E-Bike gibt.
Obwohl einige Große der Fahrradbranche wegen des vorgezogenen Termins – bislang fand die Eurobike immer Ende August statt – und dem gestrichenen Publikumstag der Messe abgesagt hatten, waren die zwölf Hallen gänzlich ausgebucht und die Freiflächen zum großen Teil. 1400 Aussteller aus 50 Ländern – bei der jährlichen Produktparade zeigten sie technische Innovationskraft. Denn im Fokus standen Sport- und Lastenräder, neue Antriebssysteme und Batterietechnologien sowie digitale Lösungen.
Markt für das E-Bike boomt
Als innovativer Beitrag zur allgemeinen Verkehrswende präsentierten sich alle Fahrradgattungen in elektrifizierter Version, wobei die Eurobike heuer dem analogen Fahrrad wieder mehr Raum gab als noch vor Jahresfrist. Zwar hat bereits jedes fünfte in Deutschland verkaufte Rad einen Motor (in 2017 wurden 720 000 E-Bikes verkauft) und im E-Bike-Segment lagen die Zuwächse zuletzt bei 20 Prozent, doch das heißt eben auch, dass bei vier von fünf verkauften Rädern noch allein Muskelkraft gefragt ist. Bei den Umsätzen der Branche freilich ist der Anteil der E-Bikes weit höher anzusetzen.
Was auffiel beim Rundgang durch die Hallen: Im Schaufenster für 2019 standen so viele Cargo-Bikes wie noch nie. Nicht nur für die gewerblichen Nutzung sind Zwei-, Drei und Vierrad-Transporter mit und ohne Anhänger im Angebot, die 300 Kilogramm Last bewegen können und Platz für bis zu zwölf Bierkästen haben. Auch an das Familienradeln ist gedacht.
Motorisierte Rennräder
Spartanisch ausgestattet bleiben dagegen die Rennräder, bei denen langsam aber sicher die Scheiben- die Felgenbremse ablöst. Die Motorisierung hat indes auch bei ihnen begonnen. In allen anderen Bereich gilt, dass man gefedert komfortabler unterwegs ist.
Überhaupt: Der Komfortgewinn ist immens. So steuert eine neue Unterstützungsautomatik den E-Motor ganz nach der Trittfrequenz des Radfahrer. Im Winter wärmen beheizte Überschuhe die Füße, es gibt die Fahrradbrille mit integrierten Rückspiegeln, Anhänger sind inzwischen faltbar und lassen sich auf dem Gepäckträger verstauen. Auf Zweisitzern sitzt man hinter-, aber auch nebeneinander. Und so mancher Regenschutz hält gleichzeitig Radler, Rad und Gepäck trocken. Für mehr Sicherheit sorgen nicht nur neuartige Kindersitze, die festen Halt geben. Sondern auch leuchtende Pedale, für die der Strom beim Treten erzeugt wird.
75 Millionen Fahrräder haben die Deutschen laut Branchenschätzung im Bestand. Und durch die E-Bikes kommt Bewegung ins Spiel: 38,5 Prozent der im vergangenen Jahr verkauften E-Räder gehören in die Sparte Cityrad oder urbanes Radeln, 35,5 Prozent sind Trekking-Bikes, 21,5 Prozent Mountainbikes, drei Prozent Lastenräder und ein Prozent schnelle Pedelecs mit Motorunterstützung bis 45 km/h.
Das Fahrrad wird vernetzt
Zu den Trend auf der Eurobike gehörten die Vernetzung des Fahrrads mit dem Internet, Elektroroller auch für Erwachsene, die Bestückung von Geländerädern mit gleich zwei Akkus, Fahrräder, die wie Motorräder aussehen, Räder mit Holz- oder Bambusrahmen, Falträder, Nostalgieräder, aber auch Räder im futuristischen Design. Und nicht zuletzt mischen auch die großen Autokonzerne mit ihren Fahrrädern mit.
Um Neues für die E-Bikes ging es in Halle A 1. Schaeffler zeigte dort sein Drehmoment-Sensor-Innenlager für komfortables Radeln. Dieses ermittelt komplett wartungsfrei die optimale Motorunterstützung für den Fahrer. Und mit der automatischen Schaltung von Schaeffler fährt man immer und überall im richtigen Gang.
Antiblockiersystem
In der gleichen Halle stellte ZF den Pedelec-Anrieb Sachs RS vor, ein robuster und dynamischer Antrieb für das Elektro-Mountainbike. Mit maximal 110 Newtonmeter Drehmoment gehört der Motor zu den Kraftpaketen. Neu ist auch das Sachs ABS, ein Anti-Blockier-System für Vorder- und Hinterrad. Die Module sind jeweils 300 Gramm leicht.
Der Fahrradkomponentenhersteller SRAM aus Schweinfurt hatte dieses Mal nichts Brandneues mit nach Friedrichshafen gebracht. Das Publikumsinteresse war gleichwohl groß: Am SRAM–Stand interessierte vor allem die Eagle-Technologie. Die Adlerschaltung ohne Umwerfer und mit zwölf Gängen ist jetzt auch auf das E-Mountainbike abgestimmt und wird von vielen Fahrradherstellern bereits verbaut. Die Kosten für die hoch exakte und ebenso beanspruchbare Schaltung liegen bei 500 bis 2000 Euro. Bei den Federgabeln ist RockShox von SRAM weiterhin Weltmarktführer. Zipp, die Laufräder von SRAM, punkten mit einer Lösung für das schlauchlose Rennradfahren.
Der Hingucker
Mit Flyon stellte Haibike von der Winora Group in Sennfeld seine nächste Generation ePerformance vor: neuer Motor, innovatives Bedienkonzept und neues Design. Das Haibike Twin Tail Lights lässt Touren auch nachts bewältigen. Der Akku wird der Länge nach in den Carbonrahmen geschoben, wo er stabil sitzt. Der Motor ist ein extrastarkes Kraftpaket, der gemeinsam mit dem Technologiezulieferer TQ entwickelt wurde und mit bis zu 120 Newtonmeter Drehmoment zu den leistungsstärksten Motoren auf dem Markt zählt. Dazu passt der 48 Volt-Energiespeicher mit 630Wh Kapazität. Speziell für Frauen bringt Haibike 17 neue E-Mountainbikes auf den Markt. Und Winora stockt seine Sinus i-Serie auf: Erstmals bietet die E-Bike-Reihe neben Herren- und Damen-Modellen auch Einrohr-Varianten mit komfortablen Durchstieg.
Nicht auf der Eurobike zeigte sich das neue Schweinfurter Fahrradunternehmen Pexco, das im August 2017 gegründet wurde. Die frühere Geschäftsführerin der Winora Group, Susanne Puello, steht an der Spitze des Unternehmens. Am Samstag, also am Tag vor der Eröffnung der Eurobike, hatte Pexco nach Schweinfurt zum „Grand Opening“ eingeladen. Dort stellte man im neuen Bike-Center das Vollsortiment der Eigenmarke Raymon und die neun Modelle der zur Pexco-Gruppe zählenden Husqvarna-Bicycles vor.