Seit November 2021 arbeitet Anna Wagner als Jugendsozialarbeiterin des Landratsamtes Schweinfurt an der Ludwig-Derleth-Realschule in Gerolzhofen. Für die Realschuldirektorin Elisabeth Grimanelis ist dies ein "absoluter Glücksfall". Wagner stammt aus Mönchstockheim und war früher selbst Schülerin an der Schule. Im Gespräch stellt sie ihre Arbeit vor.
Anna Wagner: Ich bin seit November 2021 an der Schule tätig. Nach der Geburt meiner Tochter haben wir beschlossen, wieder zurück aufs Land in die Heimat zu ziehen, nachdem ich über zwölf Jahre in Städten beziehungsweise im Ausland gelebt habe. Aus diesem Grund war ich auf der Suche nach einem neuen Job und bin durch Zufall hier an meiner alten Schule gelandet.
Wagner: Indem man wie ich Sozialpädagogik beziehungsweise Soziale Arbeit studiert hat. Ich habe bereits eine Ausbildung zur Delfintherapeutin in der Türkei absolviert. Nur leider kann ich diesen Beruf hier in Deutschland nicht ausüben. Irgendwann möchte ich unbedingt noch die Weiterbildung zur systemischen Paar- und Familientherapeutin machen. Wir Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sind Teil des Förderprogramms der Bayerischen Staatsregierung "Jugendsozialarbeit an Schulen", kurz JaS. Der Landkreis Schweinfurt entschied sich erstmalig 2012 zur Teilnahme an dem Förderprogramm und stellt seitdem jährlich die nötigen Mittel zur Verfügung, um die Jugendsozialarbeit an Schulen erfolgreich fortsetzen zu können.
Wagner: Meine Aufgabe ist es, schnelle und individuelle Hilfe zu leisten, indem ich als Schnittstelle zu Familie, Schule, Umfeld und Berufseinmündung fungiere. Dabei berate ich in Einzel- oder auch Gruppengesprächen die Schülerinnen und Schüler und bespreche mit ihnen ihre Probleme im Alltag, in der Familie, in der Schule oder auch im Übergang in die Ausbildung und entwickle gemeinsam mit ihnen Lösungswege.
Zu meinen Aufgaben zählt jedoch auch die soziale Gruppenarbeit zur Stärkung sozialer Kompetenzen, insbesondere der Kommunikations- und Konfliktfähigkeit. Eine ganz wichtige Aufgabe für mich ist auch die Elternarbeit, da schulische oder erzieherische Probleme eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern erfordern, um gemeinsam Wege zur Verbesserung zu finden.
Wagner: Ich möchte als JaS sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützen und fördern. Ich wünsche mir, dass alle Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, ihre Ressourcen voll ausschöpfen zu können, um ihr Wissen und Können an der Realschule zu zeigen beziehungsweise zu verbessern, um damit eine Chancen- und Bildungsgerechtigkeit zu ermöglichen. Viele wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass der soziale und familiäre Hintergrund junger Menschen sowie eine positive Persönlichkeitsentwicklung in einem wertschätzenden Umfeld in hohem Maße mitentscheidend sind für den schulischen Erfolg.
Wagner: Zu den allgemeinen Methoden zählen in meiner Arbeit die Einzelfallhilfe, Krisenintervention, sozialpädagogische Gruppenarbeit, die Elternarbeit sowie die Kooperation mit anderen Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe und der Schule, des Gesundheitswesens sowie die Kooperation mit den Akteuren am Arbeitsmarkt, insbesondere der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter, sowie mit der Justiz und der Polizei.
In Einzelgesprächen mit den Schülerinnen und Schülern arbeite ich unter anderem mit Hilfe eines Familienbretts - dem Scribility Board - sowie Impulskarten für eine gelingende Selbstfürsorge, ein aufrichtiges Selbstbild und ein starkes Selbstwertgefühl.
Wagner: Es kommen zum Beispiel Schüler und Schülerinnen zu mir, die unter schwierigen Bedingungen aufwachsen und denen es an Unterstützung durch die Eltern mangelt. Viele haben mit psychischen Problemen zu kämpfen und leiden unter Depressionen, Essstörungen, Suizidgedanken und selbstverletzendem Verhalten. Einige haben auch Probleme aufgrund von Trennung und Scheidung der Eltern, Mobbing, Mediensucht etc.
Häufig benötigen Schülerinnen und Schüler auch meine Unterstützung aufgrund eines mangelnden Selbstwertgefühls oder aufgrund von Versagensängsten in der Schule. Weitere Probleme können sein: problematisches Sozialverhalten, Verhaltensauffälligkeiten, zum Beispiel Fernbleiben vom Unterricht, Schulverweigerung, erhöhtes Aggressionspotential und Gewaltbereitschaft, Belastung auf Grund eines Migrationshintergrunds, keine gelungene altersgemäße gesellschaftliche Integration, Gefährdung des Schulabschlusses.
Jugendsozialarbeit an Schulen richtet sich also nicht an die gesamte Schülerschaft.
Wagner: Die Netzwerkarbeit ist in meinem Job von großer Bedeutung, da nur gemeinsam etwas bewirkt werden kann. Ich arbeite deshalb eng mit den Lehrkräften, der Rektorin und dem Sekretariat zusammen. Die Zusammenarbeit mit dem Amt für Jugend und Familie und mit verschiedenen Einrichtungen der Jugendhilfe, wie zum Beispiel Erziehungsberatungsstellen, ist ebenfalls wichtig und funktioniert sehr gut. Ich hatte auch schon Kontakt zum Gesundheitswesen, wie zum Beispiel der Drogenberatungsstelle sowie zur Polizei und der Justiz.
Weiterhin vermittle ich die Schülerinnen und Schüler an Kinder- und Jugendpsychiater und stehe deshalb im Austausch mit Therapeuten und Psychologen. Auch die tolle Zusammenarbeit mit der Nachbarschaftshilfe in Gerolzhofen hat schon Positives für einzelne Schülerinnen und Schüler bewirkt.
Wagner: Das hoffe ich doch. Anfang des Jahres habe ich zum Beispiel den Theaterpädagogen Dirk Bayer für die 6. und 7. Klassen zum Thema Cybermobbing engagiert. Zur Prävention eignen sich vor allem auch immer Projekte in einzelnen Klassen oder Gruppenarbeiten. Ein ganz tolles Konzept ist auch der Klassenrat, den ich gerne an der Schule etablieren möchte.
Wagner: Mittlerweile ja, da ich schon viele Jahre in der Kinder- und Jugendhilfe tätig bin. Als Berufsanfängerin ist es mir jedoch sehr schwer gefallen, am Abend abzuschalten. Und es gibt immer noch Fälle, bei denen ich auch noch Jahre später an die Kinder und Jugendlichen zurückdenke und mich frage, wie es ihnen heute wohl geht.
Wagner: Dass sie auch weiterhin so offen und engagiert mit mir zusammenarbeiten.
Wagner: Puhh, das ist eine sehr gute und wirklich schwierige Frage, da unsere Arbeit schwer zu bewerten ist. Für mich persönlich ist es zum Beispiel sehr viel wichtiger, dass die Menschen mir vertrauen und ich ihnen das Gefühl vermittle, dass sie immer offen mit mir über alles sprechen können. Ich kann fachlich noch so gut sein, wenn ich als Sozialarbeiterin jedoch keinen Zugang zu den Menschen finde, bringt mir meiner Meinung nach noch das beste Fachwissen nichts.