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Alitzheim geht durch die Feuerhölle
alitzheim Anfang April 1945 ballte sich über Alitzheim großes Unheil zusammen. Mit dem Näherrücken der amerikanischen Truppen wurde auch das Land zwischen Main und Steigerwald immer mehr zum Frontgebiet.
Von unserem Mitarbeiter Günter Krämer
 |  aktualisiert: 03.12.2006 22:29 Uhr
Wegen des Herannahens der Kampfhandlungen hatte man die ursprünglich für den Weißen Sonntag (8. April) vorgesehene Erstkommunion der Dritt- und Viertklässer auf den Ostersonntag (1. April) vorverlegt. Am Donnerstag, 5. April 1945, wurde dann der Alitzheimer Bahnhof zusammen mit dem im Jahre 1912 errichteten Eisenbahnerwohnhaus bei einem Tieffliegerangriff schwer beschädigt.

Wenige Tage später sollte das ganze Dorf die Schrecken des modernen Krieges in ungewöhnlicher Härte zu spüren bekommen. Am Nachmittag des 9. April, des damaligen "Weißen Montags", waren amerikanische Panzereinheiten in aller Ruhe im benachbarten Herlheim eingerückt. Zu diesem Zeitpunkt wäre einer Besetzung des nur drei Kilometer entfernten Alitzheims nichts im Wege gestanden. Doch wollte es das Verhängnis, dass sich die Amerikaner an diesem Montag offenbar mit dem Besitz Herlheims begnügten und sich Alitzheim für den nächsten Tag "aufhoben".

Dieser Dienstag, der 10. April 1945, sollte als "schwarzer Tag" in die Geschichte Alitzheims eingehen. In der Nacht waren zahlenmäßig starke und kampfkräftige Einheiten einer SS-Junkerschule aus München eingetroffen, die den Vormarsch der Amerikaner zwischen Herlheim und Alitzheim aufhalten wollten. Als die amerikanischen Panzer am Dienstagmorgen gegen 7 Uhr vor Alitzheim auf heftigen Widerstand stießen und dadurch Verluste erlitten, drehten sie mit ihren "Shermans" wieder ab, um erst stärkere Kräfte nachrücken zu lassen. So kam es zu einer bedrohlichen Panzeransammlung an der Westseite des Dorfes. Ein massierter Angriff stand bevor.

Da geschah etwas Unfassbares: Kurz nach 8 Uhr wagten es einige beherzte Einwohner angesichts der ausweglosen Lage, inmitten der SS-Besatzung die weiße Fahne auf dem Kirchturm als Zeichen der Übergabe zu hissen. Das konnte allerdings das Verhängnis nur hinauszögern, war doch die Fahne ohne die Zustimmung des deutschen Kampfkommandanten gehisst worden, so dass von einer kampflosen Übergabe überhaupt keine Rede sein konnte. Die Amerikaner jedoch mussten dies annehmen, da sie sich von der Lage im Dorf kein Bild machen konnten. Als den nunmehr zum zweiten Mal auf das Dorf zurollenden Panzern erneut deutsches Abwehrfeuer entgegenschlug, mussten die Amerikaner zur Überzeugung gelangen, in eine Falle gelockt worden zu sein. Sie zogen sich daher wiederum in ihre Ausgangsstellungen zurück.

Nun nahm das Schicksal seinen Lauf. Die Amerikaner nahmen Alitzheim von 9 bis 10 Uhr unter konzentrischen Beschuss. Ihre Brandgranaten verrichteten ganze Arbeit. An allen Ecken und Enden begann es zu brennen. Ein Wohnhaus und 16 große Scheunen mit Nebengebäuden und Stallungen wurden ein Raub der Flammen, obwohl sich noch während des Beschusses unerschrockene Einwohner aus den Kellern wagten und die Löscharbeiten aufnahmen, um wenigstens das Übergreifen des Feuers auf Nachbargebäude, vor allem auf Wohnhäuser, zu verhindern. Etwa 40 Stück Großvieh, 30 Schweine, zahlreiche Schafe und Ziegen sowie Kleinvieh kamen in den Flammen um.

Mit Schrecken blickte die Bevölkerung der ganzen Umgebung auf die weithin sichtbare Feuersäule, unter der Alitzheim unterzugehen drohte. Im brennenden Dorf gab es noch regelrechte Straßen- und Häuserkämpfe. Die Bewohner der eroberten Häuser im Westteil des Dorfes mussten sich am Lagerhaus, dem Sitz des amerikanischen Kampfkommandanten, zum Marsch nach Herlheim aufstellen. Glück im Unglück war für das Dorf die Tatsache, dass es die Amerikaner noch im Laufe des Vormittags einnehmen konnten. Sonst wäre es vermutlich noch zu dem geplanten Fliegerangriff gekommen, der dann wohl den ganzen Ort dem Erdboden gleich gemacht hätte.

Noch aber war für Alitzheim der Krieg nicht zu Ende. Von ihrem Beobachtungsstand auf dem Mönchstockheimer Kirchturm aus leitete die SS das Feuer auf das Dorf. So lag Alitzheim noch bis zum Mittag des 12. April unter - wenn auch nachlassendem - deutschen Artilleriebeschuss.

 
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