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SCHWEINFURT
Alfred Dorfer – ein Mann, der mit den Elfen spricht
Der mit den Elfen spricht: Alfred Dorfer in der Disharmonie.
Foto: Uwe Eichler | Der mit den Elfen spricht: Alfred Dorfer in der Disharmonie.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 03.02.2017 03:47 Uhr

Ein Kabarettist, der im Pinguinkostüm in die ausverkaufte Disharmonie watschelt, kann nicht schlecht sein. Oder? Nach etwas über einer Stunde, als es ums Thema „Erinnern und Vergessen“ geht, stellt sich doch die Frage: Hat Alfred Dorfer sein Einmann-Theater wirklich mit derart lächerlichem Mummenschanz begonnen? Kann oder will sich das Publikum einfach nicht mehr erinnern? Ein typischer Fall von „Demokratismus“: Oben auf der Bühne wird entschieden, was in unseren Köpfen real ist und was nicht.

Glückliches Austria: Der Wiener Schauspieler, 55, zählt zu Österreichs Kult-Kabarettisten. Im letzten Jahr gab es den Deutschen Kabarettpreis. Für urpolitisches Kabarett, voll Schmäh, Charme und geradezu freudianischen Ausflügen in die Metaebene menschlichen Denkens (siehe Pinguin). Bekannt ist Dorfer aus Filmen wie „Indien“, wo er zusammen mit Josef Hader ein Duo korrupter Wirtshausinspekteure gespielt hat. Im tragisch-komischen Road Movie gab er den übergescheiten Yuppie, der (vermutlich) als Gemüse wiedergeboren worden ist.

„Und...“ nennt sich sein kaum weniger verrätseltes Soloprogramm. Der Protagonist erhält von einem geheimnisvollen Theaterdirektor den Auftrag, ein neues Bühnenstück zu entwickeln. Sein altes Leben loszulassen. Aufzubrechen, anzukommen. Fragt sich nur wo. Auch der Zuschauer tut sich mit dieser Reise schwer, soll er auch. Es entspinnt sich eine Abfolge aus Spielszenen, voll menschlicher Karikaturen und haltloser Weisheiten wie aus Glückskeksen und Abreißkalendern. A la: „Im Wald kann man nicht daneben brunsen.“ Oder: „Wer nur einen Hammer hat, für den sieht jedes Problem plötzlich wie ein Nagel aus.“

Klingt wie eine Anspielung auf „Trumpismus“. Aber ganz so einfach, streng nach Links-Rechts-Schema, macht es sich der Bühnenphilosoph nicht. Satiriker ziehen selbst bloß über Menschen her, die sich nicht wehren können, sagt er: „Auf politischer Ebene nennt sich Satire Rechtspopulismus.“ No-no-no, mahnt da der aufgeklärte, zeitungsbelesene Linksliberale. Was heißt Aufklärung? „Die Rettung aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit hat in einer infantilen Instanzgläubigkeit geendet.

“ Siehe „neueste Studien, aus den USA“. Und das ist da noch die Hirnforschung, die uns Dinge, die wir längst wissen, so erzählt, dass wir sie endlich glauben. Aber wenn alles nur noch im Kopf entsteht, was wissen wir dann wirklich darüber, fragt Alfred. Zu deutsch der, „der mit den Elfen spricht.“

Freiheit? Auch nur der „Zwang zu Entscheidungen“. In Deutschland zudem die Möglichkeit, ohne Tempolimit im Stau zu stehen. Rassismus fängt für Dorfer da an, wo Frauen herabgewürdigt werden – wenn sie für jeden Mann als archaischem Jäger und Stammler das Urbild „der Anderen“ sind. No-no-no?

Für den Mainstream wiederum ist Leben und Lieben ohne Kontakt geradezu das Ziel: Dorfer malt sich den „Love Drive In“ aus, wo man sich Küsse im Vorbeifahren bestellt. Mexikanische Wochen heißt dann wohl, dass es am nächsten Tag immer noch brennt?

„Und . . .“ ist eine Reise zum eigenen Ich. Urlaub für alle, die sich selbst fremd und damit einfachen Antworten fern geblieben sind. Es geht um Übermütter, Minderväter, Erziehung durch Erpressung, hin zu Alternativlosigkeiten: Man kann Kinder gar nicht früh genug auf die Wählerrolle vorbereiten, weiß Dorfer, der seine Dissertation über Satire in totalitären Systemen verfasst hat. Da sind wir im „Demokratismus“ ein gutes Stück weiter. Zum Schluss wird das Abendland bei anderen untergegangenen Kulturen sitzen, den alten Indern, Griechen, Ägyptern. Nicht mal eine echte Schriftsprache haben wir hinterlassen, wird es heißen, mit mitleidigen Blick auf dauergrinsende gelbe Köpfchen in flachen Kästchen. Das Licht verlöscht, es bleibt ein „Und . . .“ Nur den Pinguin, den gab's am Anfang wirklich nicht. Oder?

 
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