
30 Jahre New York Hardcore, 30 Jahre „Agnostic Front“. Im Schweinfurter Stattbahnhof knallen die US-amerikanischen Metal-Punk-Urväter den 300 Fans ein richtiges Brett vor den Latz und werden frenetisch gefeiert. Durchnässte T-Shirts, verschwitzte Haare und ein paar blaue Flecken vom Pogo – auch die Fans geben alles und sind nach drei Kapellen und zweieinhalb Stunden so k.o. wie zufrieden.
Kurze Hosen, Tattoos ohne Ende, schnelle Gitarren und aggressive Shouts – auch wenn die in die Jahre gekommenen fünf Herren nicht mehr so ganz als Bürgerschreck durchgehen, wirklich ruhiger sind sie in drei Jahrzehnten nicht geworden. „Agnostic Front“ – das ist immer noch ein knüppelharter Mix aus Thrash-Metal und Hardcore-Punk. Dass das zusammengefunden hat, ist auch auf ihren Mist gewachsen. Heute nennt man so etwas Metalcore und der erlebt gerade seine Blüte unter den Fittichen solch wortgewaltig benamter Combos wie „We butter the bread with butter“, „August burns red“ oder „Bring me the Horizon“.
Diese Jungs haben noch in die Hosen gemacht, als „Agnostic Front“ zu Viert anfing, die Metal-Welt zu revolutionieren. Übrig geblieben aus alten Tagen sind Sänger Roger Miret und Brachial-Gitarrero Vinnie Stigma, Bassist Mika Gallo ist immerhin schon 13 Jahre an Bord. Pokey Mo trommelt seit 2009, Joseph Porfido sorgt seit 2007 an der zweiten Gitarre für noch mehr Dampf beim jetzigen „AF“-Fünfer. Vieles klingt heute druckvoller, bei den sensationellen Breakdowns auch metalliger, ohne freilich die Oi!-punkige Rotzigkeit eingebüßt zu haben.
In Schweinfurt rasen die fünf Amis durchs 60-Minuten-Programm, als gäb's keinen Morgen. Die Stücke sind nicht wirklich komplex, aber auch nicht simpel. Dafür sorgen schon die sauber gespielten Metal-Riffs des immer zum Späßchen bereiten Vinnie Stigma, der seinen Hang zu Speed- und Thrash-Metal nicht leugnen kann. Schwamm drüber, dass das Schlagwerk ein bisschen knöchern klingt.
Was wiederum der nicht merkt, der trotz Herumtollerei auch den Texten Aufmerksamkeit schenkt. Immer feste den Finger in die Wunde, immer feste drauf aufs Maul der Gesellschaft. Dass sich die Band in den Achtzigern zwischendurch mal dem Vorwurf rechtslastiger Gedanken erwehren musste, ist purer Hohn: Ob's die kurzen Haare waren, das „Front“ im Namen oder ein paar missverständliche Zeilen – Quatsch! „Agnostic Front“ machen sozialkritischen Punk, aber halt mit der Brechstange.
Die Fans in Schweinfurt verstehen alles richtig, treiben die Fünf von einem Kracher zum nächsten. Beim brandaktuellen „My Life my Way“ drehen die ersten Circle-Pits, gehen 600 Arme hoch zum „Oi!“, ein Stagediver nach dem anderen wirft sich in die Menge. „New York Police State“, „Crucified“, „Peace“ – und dann dieser Vierer-Zugabenblock mit Stigmas ulkiger Solo-Einlage „Pauly, the Beer drinking Dog“ und dem „Ramones“-Klassiker „Blitzkrieg Bop“. Famos!
Dann noch ein kleines Schmankerl zum Schmunzeln: Am 1. April treten die „AF“-Punker in New York im – aufgepasst – Ethical Humanist Center auf. Das ist kein Aprilscherz, das steht so im Tourprogramm.