zurück
SCHWEINFURT
afz-Verein als Rettungsanker der GmbH?
Es soll weitergehen für die meisten afz-Bereiche und etwa 150 Mitarbeiter der insolventen afz Service GmbH, auch wenn diese abgewickelt wird. Im Bild: Ausbildung in der Metallwerkstatt, aufgenommen vor einem Jahr, im Juli 2016.
Foto: Anand Anders | Es soll weitergehen für die meisten afz-Bereiche und etwa 150 Mitarbeiter der insolventen afz Service GmbH, auch wenn diese abgewickelt wird.
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:50 Uhr

Im Jahr 2002 wurde die afz GmbH gegründet als Tochterunternehmen des Bildungsträgers afz e.V., der sich bei seiner Gründung 1985 auf die Fahnen geschrieben hatte, Arbeitslosen, insbesondere Jugendlichen, durch Ausbildung und Qualifizierung zu ordentlichen Jobs im ersten Arbeitsmarkt zu verhelfen. Der e.V.-Betriebsrat hat die tariflose GmbH mit ihrer Gewinnorientierung nie gewollt, weil sie seiner Meinung nach überhaupt nicht zum gemeinnützigen Bildungsträger gepasst hat. Jetzt soll der e.V. 150 von 184 Mitarbeitern der Pleite-GmbH einstellen und den Job retten.

Die GmbH wird abgewickelt

Diesen Plan hat Rechtsanwalt Klaus-Christof Ehrlicher bei der Mitarbeiterversammlung der GmbH-Beschäftigten am vergangenen Freitag verkündet und Zuversicht verbreitet, dass er gelingt. 25 Beschäftigte kommen darin nicht vor, sie waren laut Insolvenzverwalter in unwirtschaftlichen Bereichen angestellt: im Garten- und Landschaftsbau, im Möbellager (Umzüge/Transporte), bei den „zentralen haushaltsnahen Dienstleistungen“ (Reinigungskräfte).

Das Schicksal der fünf Mitarbeiter der Heilpädagogischen Tagesstätte in Schweinfurt Am Markt ist derzeit dagegen noch offen. Die Sparte „Beschichtungen“ will der Insolvenzverwalter wohl verkaufen. Das bestätigten die Betriebsräte des afz e.V., Berthold Schatz und Mareile Müller, gegenüber dieser Redaktion.

Die Geschäftsführerin profitiert nicht vom Rettungsversuch

Wer von dem Jobrettungsversuch auf keinen Fall profitiert, ist die bisherige Geschäftsführerin beider afz-Firmen, Monika Urlaub. Sie erhielt am Freitagnachmittag ihre Kündigung vom Insolvenzverwalter, soweit es die GmbH betrifft. Und: Ihre Vorstandskollegen Artur Gaus und Kerstin Mack im afz-Verein haben ihr als Geschäftsführerin des afz e.V. fristlos gekündigt. Aus wirtschaftlichen Gründen, wie sie sagen. Gaus und Mack wollen die Geschäfte des e.V. künftig als Vorstand ehrenamtlich führen, sagen sie. Monika Urlaub selbst will sich auf anwaltliches Anraten dazu derzeit nicht äußern, wie es aus ihrem bisherigen beruflichen Umfeld heißt.

„Unglaublich, was die sich da einbilden“

Betriebsrätin Müller findet es „unglaublich, was sich der Insolvenzverwalter und die Unternehmensberater von Rödel & Partner da einbilden, was sie Großartiges geleistet haben“ . Sie spricht von dem Eigenlob in der Pressemitteilung vom Freitag, wonach es ihnen „unter Hochdruck gelungen“ sei, den Geschäftsbetrieb der insolventen GmbH „zu stabilisieren und fortzuführen“ – und den afz e.V. als Retter auszumachen. Seit Wochen habe der Betriebsrat Transparenz gefordert und nie etwas erfahren. Er habe bislang keine Ahnung, wie die einzelnen GmbH-Bereiche wirtschaftlich dastehen. Dass der e.V. die meisten GmbH-Beschäftigten nun weiterbeschäftigen soll, habe der Betriebsrat am Freitag auf der Mitarbeiterversammlung erfahren.

Unterlagen wurden angefordert - es kamen keine

In einem aktuellen Beschluss des fünfköpfigen Betriebsrates heißt es, eine Mitte Mai und Anfang Juni zugesagte Einbindung des Betriebsrats in ein Konzept des e.V. zur Übernahme von Mitarbeitern der GmbH sei bis zum 30. Juni „in keiner Weise erfolgt“. Er habe Unterlagen angefordert und Vorschläge zur Neuaufstellung der GmbH gemacht – jedoch ohne Reaktion.

„Schwarzer Peter“ unerwünscht

Mitte Juni schon habe er für den Fall eines Übergangs der GmbH-Beschäftigten des Campus-Hotels in Bad Kissingen auf den e.V. angekündigt, dass der Betriebsrat auf absoluter Transparenz und Abbau der Ungleichbehandlung insbesondere bei der Arbeitszeit und der Entlohnung bestehen werde. Seine Aufgabe sei es auch, bei jeder Neueinstellung zu prüfen, ob dadurch kein bestehender Arbeitsplatz gefährdet werde.

Wörtlich heißt es in dem Betriebsratsbeschluss: „Insofern ist völlig offen, wer aus der GmbH in den e.V. übernommen werden kann“. Bisher wissen die Arbeitnehmervertreter „von keinen ,profitablen und zukunftsträchtigen Bereichen', die der e.V. übernehmen könnte, weil ihm keine aktuellen Zahlen vorliegen“. Den „Schwarzen Peter“ jedenfalls will sich der Betriebsrat nicht zuschieben und schon gar nicht unter Druck setzen lassen.

150 dringliche Einstellungen

Am Montagmittag hat der bisherige Verwaltungsleiter der afz Service GmbH, Artur Gaus – gleichzeitig Vorstandsmitglied im afz e.V. – rund 150 personelle Meldungen der afz-Beschäftigten übergeben, alle mit Dringlichkeitsvermerk. „Eine Unverschämtheit, so einen Druck aufzubauen“, findet Mareile Müller. „Die ganze Zeit haben wir gar nichts erfahren, vier Wochen lang keine Antworten auf unsere Fragen bekommen, und jetzt kann es nicht schnell genug gehen.“

Der Betriebsrat will Zahlen sehen

Gesprächen mit dem Insolvenzverwalter und e.V.-Vorstand werden sich Schatz und Müller nicht verweigern, vor Entscheidungen über Neueinstellungen aber Zahlen einsehen. Schließlich sei der Betriebsrat in erster Linie den 80 e.V.-Beschäftigten verpflichtet und müsse verhindern, dass es diesem so ergeht wie der Service GmbH. Diese Sorge wollen die e.V.-Vorstände Mack und Gaus dem Betriebsrat nehmen. Kerstin Mack: „Wir wären dumm, wenn wir dem e.V. defizitäre Abteilungen zuschustern würden.“ Das Ziel sei ja nicht, dass der e.V. auch noch insolvent werde. Gaus ergänzt: „Wir haben auch dem Insolvenzverwalter immer gesagt: keine Übernahme von Abteilungen, die unwirtschaftlich sind.“

Die wirtschaftliche Misere der GmbH reicht weit zurück

Unter Druck wolle der Vorstand den Betriebsrat keineswegs setzen, so Gaus und Mack. Wobei diesem die Wirtschaftspläne vieler bisheriger GmbH-Abteilungen, die seit Langem als „Dienstleister“ ausschließlich im Auftrag des e.V. gearbeitet hätten, bekannt sein müssten, sagen sie.

Gaus meint im Übrigen, dass die wirtschaftliche Schieflage der GmbH keineswegs die beiden letzten Geschäftsführer zu verantworten hätten. Die sei vom vorvorletzten Verantwortlichen verursacht worden, als dieser ab 2004 bundesweit Zeitarbeitsfilialen aufgebaut habe, diese grandios gescheitert seien und zu einem Millionenverlust geführt hätten. Damals musste der e.V. der GmbH-Tochter mit einem Millionen-Darlehen beispringen.

Leuten eine Perspektive geben

Gaus und Mack wünschen sich, dass baldmöglichst über die Neueinstellung der Ex-GmbH-Beschäftigten beim e.V. entschieden wird, um Kosten zu sparen und den Leuten eine Perspektive zu geben. Einen konkreten Zeitpunkt wollen sie nicht nennen, das sei in Gesprächen mit dem Betriebsrat zu klären. An diesem Dienstag war das erste Treffen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Stefan Sauer
Abteilungen
Betriebsräte
Bildungsträger
Geschäftsorganisation
Insolvenzverwalter
Klaus Christof
König Artus
Millionenverluste
Neueinstellungen
Rettungsanker
Rettungsversuche
Ungleichbehandlung
Wirtschaft in Schweinfurt
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • I. F.
    Ich kann mir nicht vorstellen, das der Bereich Garten- und Landschaftsbau unwirtschaftlich ist, wenn er vernünftig geführt wird. Im Moment ist es jedenfalls fast unmöglich eine Firma für die Gartenpflege zu finden. Jetzt muss ich mich wohl wieder auf die Suche machen. Wirklich sehr schade, die AFZ hat immer hervorragende Arbeit geleistet.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten