Der Degu hat Ruh, in seinem neu eingerichteten, sauber und gemütlich wirkenden Refugium: Die kleinen chilenischen Strauchratten fühlen sich sichtlich wohl, in der sogenannten Adoptierstube des "Fressnapf", hinter Glas und Holz. Nebenan mümmeln zwei zufriedene Hasen, im Einkaufsmarkt für Heimtierbedarf und Tiernahrung in der Robert-Bosch-Straße. Die bepelzten "Pet Shop Boys" stehen dort nicht etwa zum Verkauf. Es geht um ein gemeinsames Projekt mit dem Tierheim Schwebheim, das schwer vermittelbaren Vierbeinern eine zweite Chance bieten soll.
"Nagarium" nennt sich das "Aquarium" für Nagetiere. Steckbriefe zeigen an der Wand dahinter Hunde oder Katzen, die Langzeitgäste des Tierasyls sind. Derzeit sind auf dessen neugestalteten Internetseite (https://tierheim-schwebheim.de) elf große Hunde und an die hundert Katzen versammelt. Vor allem den vielen Kleintieren, die sich nun in der Adoptierstube räkeln dürfen, fehlt ein bisschen die Aufmerksamkeit.
Hunderttausende Tiere warten deutschlandweit auf Adoption
Die Idee hinter dem Projekt: Erobert eines der Tiere das Herz eines Kunden, wendet er sich an einen der sachkundigen Mitarbeiter, oder direkt ans Tierheim. Vor der Adoption gibt es ein Informationsgespräch, auch eine Schutzgebühr wird fällig zu Gunsten des Tierheims, bevor die Adoptionsunterlagen und das neue Familienmitglied das Zuhause wechseln. Das neue Domizil muss in jedem Fall artgerecht sein.
Die Betreuung und Versorgungskosten in der Adoptierstube übernimmt "Fressnapf". Natürlich geht es dem europaweit aktiven Franchise-Unternehmen mit 1700 Filialen und Sitz in Krefeld nicht zuletzt um Imagewerbung und längerfristige Kundenbindung. "Tierisch engagiert" lautet das Motto. Das Unternehmen wolle aber auch bewusst ein Zeichen setzen und verzichte gleichzeitig auf den Verkauf von Hamstern, Mäusen oder Meerschweinchen im Markt, so Franchise-Nehmer Dirk Winter, Geschäftsführer der Röhrdanz-Unternehmensgruppe/Fressnapf Mainfranken.
Nur in der Aquarienabteilung schwimmen weiterhin die Fische. Mitte Oktober wurde im Schweinfurter Gewerbegebiet die zehnte bundesdeutsche Adoptierstube der Fachhandelskette eröffnet, die ganz offiziell als Außenstelle des Tierheims fungiert. Gemäß Pressemitteilung wird auch das mit Futter und anderen Sachspenden unterstützt, vom Team rund um Marktleiter Roman Häntsch. Kooperationspartner ist dabei der Deutsche Tierschutzbund. Laut "Fressnapf" warten in den 550 Mitglieds-Tierheimen jährlich 370 000 Vierbeiner auf ein Happy End, davon mehr als 150 000 Katzen, etwa 75 000 Hunde sowie 50 000 Kleinsäuger.
"Haustier-Hype" während der Lockdownzeit
"Es soll ein niedrigschwelliges Angebot sein", sagt Johannes Saal als Chef des Schweinfurter Tierschutzvereins, der das Tierasyl in Schwebheim betreibt. Dort ist man froh ist über jede Erleichterung bei der Unterbringung und Weitervermittlung: "Die Adoptierstube ist die erste ihrer Art in der Region, Schweinfurt ist da ein Vorreiter." Man habe intern schon über das Projekt diskutiert. Letztlich erhalte das Tierheim mit der Außenstelle die Möglichkeit, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen.
Nach dem "Haustier-Hype" während der Lockdownzeit sei die Zahl der abgegebenen Tiere schon etwas nach oben gegangen: "Derzeit haben wir besonders viele Vögel." Die Adoptions-Kandidaten würden auf jeden Fall tierärztlich untersucht, bevor sie kleine und großen Herzen in der Filiale höher schlagen lassen; hinter einer Absperrung, die das "beliebte" Klopfen an der Scheibe und andere Störungen verhindern soll. Den Schlüssel hat Dirk Winter parat, der zu diesem Termin eigens aus Wolfsburg angereist ist.
Der Standard des Nagariums muss in den eigenen vier Wänden erstmal erreicht werden, mit Spielzeug, Hängebrücke und Häuschen: Es hat seine Vorteile, bei einem Heimtier-Großausrüster untergebracht zu sein. Die Mäuseabteilung über den Degus ist gerade verwaist, auch zwei Vorgängerkaninchen wurden schon vermittelt. Von Degus in Kinderhand würde Saal eher abraten, die klassischen Versuchslabortiere sind relativ empfindlich. Ein Häschen, Meerschweinchen oder eine Ratte täte es für den jungen Einsteiger oder die Einsteigerin auch. Ratten seien possierlicher als ihr Ruf und vor allem pflegeleicht, sagt der Fachmann.