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GRAFENRHEINFELD
„Adolf Hitler war kein Künstlername“
Rasenmäher-Mann: Heinz Becker alias Gerd Dudenhöffer mähte sich durch die deutsche Nachkriegsgeschichte.
Foto: Uwe Eichler | Rasenmäher-Mann: Heinz Becker alias Gerd Dudenhöffer mähte sich durch die deutsche Nachkriegsgeschichte.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 27.02.2016 03:28 Uhr

„Die Realität ist in der Wirklichkeit oft eine Illusion“ – Heinz Becker muss es wissen, ihn gibt es auch nicht wirklich. Trotzdem ist der radikale Spießbürger aus Bexbach bittere Realität.

Nicht ganz voll ist die Kulturhalle. „Vita. Chronik eines Stillstandes“ nennt sich das Programm des Saarländers mit der Batschkapp.

„Familie Heinz Becker“ nannte sich die Comedy-Serie aus den 90ern, in der es unter anderem um Feinheiten des Rasenmähens ging. Im Soloprogramm spiegelt sich die ganze unselige Weltgeschichte in der provinzseligen Familiensaga der Beckers. Das Böse in der Welt ist banal, und schon die Banalität der kleinen Leute ziemlich böse, könnte eine Erkenntnis aus dem Abend lauten.

Becker wie Dudenhöffer sind Jahrgang 1949. Das war die Stunde der „Geburt der späten Gnade“, in den Fünfzigern, als Hitler und die Kriegszeit noch weiter weg waren als heute. Aus der Zeit stammt auch die DDR. „Früher war alles besser“, grantelt der Biedermann, der vom Papa geistig fit gemacht wurde für das, was nach dem Krieg an Schrecklichem kam, die Ehe mit Hilde zum Beispiel.

Motto: „Beim Hitler-Attentat hatten wir Glück, ansonsten haben wir von nichts gewusst.“ Dem Dritten Reich ging es wie der Mondlandung: Auch da waren sich nachher viele nicht sicher, ob das alles wirklich stattgefunden hatte. Sicher ist nur: „Adolf Hitler war kein Künstlername.“ Die Juden wurden offenbar doch nicht in den Urlaub gefahren, und die griechischen Reparationszahlungen stehen immer noch aus.

Knapp zwei Stunden lang dauert der verschmitzte und subversive Monolog, voll erhellender Versprecher, vielsagender Monotonie und brandaktueller Beliebigkeit („Das ist meine Meinung, vermute ich“). Was eigentlich verstaubt wirken müsste, klingt beunruhigend vertraut.

„Wir sind ein Willkommensland“ hieß es schon, als der erste Italiener vor der Tür stand, und seither: „Der Flüchtling will kommen.“ Wie damals das Maß schon voll war, grummelt der Heinz, da sind auch noch die Türken gekommen. Nein, für Pegida ist der Heinz Becker nicht: „Ich hatte schon mit dem ADAC meine Schwierigkeiten.“ AfD? Denen geht's wie den Unterhosen, wenn man die nicht von Anfang an säubert, kriegt man das Braune nie mehr weg.

Was gab's noch die letzten Jahre? Nachkriegsdeutschland hatte Filbinger, Mende und Oswald Kolle – nein, das war nicht der, der Kennedy erschossen hat. Vor dem Mauerfall gab's den Fall mit der Mauer, München 1974 ist grad noch mal gut gegangen, und wegen dem 11. September gab's bei Beckers Tiefkühlkost, zum Einkaufen kam ja keiner: „Wo der erste Turm eingestürzt ist, hab ich zur Hilde gesagt, da passiert nicht mehr viel. Beim zweiten Turm: Das war's.“

Am Ende Applaus, auch wenn im Publikum nicht mehr viele wissen dürften, wer Hans Filbinger (Marinerichter und Ministerpräsident) oder Erich Mende (FDP-Ritterkreuzträger) waren. Wenn sich der Staub über den Trümmern gelegt hat, geht's in Deutschland halt immer irgendwie weiter, in der Chronik des Stillstands.

 
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