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SCHWEINFURT
Adlerauge für den Datenhighway
Glasfaserkabel haben noch einen Plastikmantel, der vor dem Spleißen entfernt wird.
Foto: Anand Anders | Glasfaserkabel haben noch einen Plastikmantel, der vor dem Spleißen entfernt wird.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:34 Uhr

Mein großer Moment lässt zweieinhalb Stunden auf sich warten, aber er kommt. Frank Gutmann, Kommunikationstechniker bei RegioNet und mein überaus geduldiger Begleiter beim Verlegen von Glasfaserkabeln in der Schweinfurter Innenstadt, steht im Verteilerzentrum im Kellergeschoss des Busbahnhofs am Roßmarkt. In der einen Hand ein Funkgerät, die andere hält er an ein Plastikrohr, das aus der Wand kommt. Er prüft, ob er einen Luftzug spürt. Tut er nicht. Aus dem Funkgerät knarzt die Stimme seines Kollegen Johannes. „Kommt Luft“, „Nein“, „Frag mal den Reporter, wo die Stelle vorhin war, wo es gehangen hat, der weiß es.“ Der Reporter strahlt. Er weiß es.

Fotoserie

Auf zum Schacht

Denn eine viertel Stunde vorher hat er mit Gutmanns Kollegen Victor schon eine Stelle gut hundert Meter vom Beginn des Einblasens entfernt gesucht, wo die Glasfaser nicht mehr weiter durchs Leerrohr ging. Es war ein Schacht auf dem Gehweg, Zigaretten oder Silvesterknaller hatten die Enden der zentimeterdünnen Rohre angeschmurgelt. Das schadhafte Stück schnell abgeknipst, neu verbunden, Schutzmantel eingebaut. Nur leider haben wir vergessen, das andere Rohr mitzumachen.

Und deswegen bin ich jetzt gefragt, Frank Gutmann dahin zu führen, wo es beim ersten Mal gehakt hatte. Wir machen uns auf den Weg vom Roßmarkt aus, in der Hohen Brückengasse vor Subway ist der Schacht. Und auf dem steht jetzt ein Auto.

Das hat im eingeschränkten Halteverbot nichts zu suchen, aber das hilft im Moment nicht weiter. Warten ist die Devise. Immerhin habe ich bis dato schon die Erkenntnis gewonnen, dass in einer Stadt nicht nur Wasser- und Abwasserkanäle gebraucht werden. Wo laufen die Stromkabel für Straßenlampen und Ampeln? Im Untergrund, und in diese Schächte der Stadtwerke hat RegioNet auch die Leerrohre für die Glasfaserkabel gelegt. Im Moment werden die Kunden aus der Spitalstraße nach Beendigung der Arbeiten dort an den großen Verteiler angeschlossen.

Ein Schaltschrank im Verteilerzentrum.
Foto: Anand Anders | Ein Schaltschrank im Verteilerzentrum.

Schaden behoben, Luft kommt

Gutmann und ich gehen zurück zum Roßmarkt, wenig später ist der Autofahrer aufgetaucht. Victor repariert den Schaden, das Funkgerät knarzt. „Luft kommt“, „Luft ist da, leg los.“ Sekunden später flutscht erst ein Schwämmchen durch das Leerrohr, das die Leitung reinigt. Danach kommt das Glasfaserkabel, das voll umschlossen von Luft durch das Leerrohr dem Endpunkt entgegen schwebt.

An diesem Tag sind es nur ein paar hundert Meter Kabel, die eingeblasen werden. Die RegioNet-Jungs haben ganz andere Dimensionen verlegt, ihre Firma betreibt eine Glasfaserleitung von Bamberg über Schweinfurt bis Würzburg. Diese und angemietete Leitungen verbinden sie mit dem größten europäischen Internetknoten in Frankfurt.

Daten mit Lichtgeschwindigkeit versandt

Was im Sprachgebrauch Glasfaserkabel genannt wird, ist für den Fachmann ein LWL – ein Lichtwellenleiter. Diese Leitungen sind für die Datenübertragung schneller und stabiler als herkömmliche Kupferleitungen. Per Lichtgeschwindigkeit werden die Daten übertragen – im Idealfall nicht nur bis zum Verteilerkasten in der Straße, sondern in die Wohnung des Kunden. Dort wandelt ein Netzabschlussgerät die Lichtsignale in elektrische Signale um, die der Router an die Endgeräte verteilt – Computer, Laptop, Telefon, Fernseher oder andere Haushalts-Vernetzungen, für die man Internetanschluss braucht.

Der Vorteil bei Glasfaserkabeln gegenüber allen anderen Techniken von Kupferkabeln über Coaxial-Verbindungen bis zu LTE-Funktechnik ist, dass das Volumen fast unbegrenzt ist und es kein Problem gibt, wenn mehrere Nutzer gleichzeitig zugreifen. „Glasfaser geht nicht die Puste aus“, heißt es im Werbefilmchen von RegioNet.

Beim Spleißen: RegioNet-Mitarbeiter Frank Gutmann (links) zeigt, worauf man achten muss.
Foto: Anand Anders | Beim Spleißen: RegioNet-Mitarbeiter Frank Gutmann (links) zeigt, worauf man achten muss.

Ganz genau hinschauen

Mir geht nicht die Puste aus, aber mir tränen fast die Augen vor Anstrengung. Einblasen ist ein wichtiger Arbeitsschritt, das Verbinden der nur Mikrometer großen Glasfaserbündel im Verteilerkasten ebenso. Frank Gutmann erklärt geduldig alle Arbeitsschritte – die verschiedenfarbigen Kabel entwirren, mit einer Spezialzange den Plastikmantel von der hauchdünnen Glasfaser entfernen, die Enden der ankommenden und der weggehenden Faser verbinden, – spleißen im Fachjargon – eine Schutzhülse anbringen und alles in die entsprechenden Plastikgehäuse fummeln. Adleraugen und eine ruhige Hand braucht ein Kommunikationstechniker.

Frank Gutmann hat beides und Routine. Bei ihm dauert es nur wenige Sekunden, bis seine Spleißung fertig ist, ich fühle mich wie der letzte Mensch. Zwei Mal lange ich zu fest hin, die Faser bricht ab, ich muss neu ansetzen. Außerdem habe ich trotz Brille Probleme, die winzigen Kabel zu sehen. Ich kämpfe mich durch, schaffe zwei der nötigen zwölf Spleißungen und bin heilfroh, als das Testgerät später signalisiert, dass das Licht selbst durch Herrn Schikoras Spleißung sich nicht abhalten lässt, Daten rasend schnell von A nach B zu transportieren. Als Frank Gutmann erzählt, dass sie diese Arbeiten einen Tag zuvor auf einem Hochhaus-Dach ausführen mussten, weiß ich, dass das nicht mein Beruf ist. Mein Respekt ist grenzenlos.

Serie Reporter in Betrieb

Mit unserer Serie „Reporter in Betrieb“ wollen wir Zeitungsleute über den Tellerrand schauen. Wir wollen wissen, wie geht es in anderen Berufsfeldern zu? Sie haben einen interessanten Job, den Sie uns zutrauen, dann melden Sie sich. Entweder per Post an Schweinfurter Tagblatt, z. Hd. Oliver Schikora, Schultesstraße 19a, 97 421 Schweinfurt, oder per Mail an red.

schweinfurt@mainpost.de Die Redakteure Katja Beringer, Helmut Glauch, Josef Schäfer, Oliver Schikora, Irene Spiegel und Susanne Wiedemann wählen die Angebote aus und wir krempeln die Ärmel hoch. Wie es uns ergangen ist, lesen Sie dann in unseren Samstagsausgaben.

Daten & Fakten

Die RegioNet Schweinfurt GmbH, eine 100-prozentige Tochter der Stadtwerke, gibt es seit 15 Jahren. Der regionale Telekommunikationsdienstleister verfügt in mehreren Stadtteilen über ein eigenes Netz und bietet Kabelfernsehen, Internet und Telefonie – vom Internet-Anschluss für Privatleute bis zu kompletter Firmen-Ausstattungen. Im Moment hat man 12 000 TV-Kunden und 1000 Internet- und Telefonkunden. Bislang sind in Schweinfurt 416 Kilometer Glasfaser und 1270 Kilometer Leerrohre für die Glasfaser verlegt. 90 Prozent aller Schweinfurter Industrie- und Gewerbegebiete sind durch RegioNet erschlossen, mit bis zu einem Gigabyte Leistung.
 
 
 
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