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Schweinfurt
Abziehbilder des Wilhelmismus
Karl-Heinz Körblein
Karl-Heinz Körblein
 |  aktualisiert: 19.02.2023 02:24 Uhr

Von Stücken aus dem klassischen Kanon war das Theater im Evangelischen Gemeindehaus in der Übergangszeit der letzten fünf Monate nun wahrhaftig nicht geprägt. Für Theaterleiter Christof Wahlefeld war auf einem gut verteilten Markt in der Kürze der Zeit wohl auch nicht viel mehr zu buchen.

Nun "Der Biberpelz" von Gerhart Hauptmann, eine sichere Bank, könnte man vermuten. Und ist nach zwei temporeich gespielten Stunden doch enttäuscht. Um es kurz zu sagen: Die Inszenierung von a.gon Theater München ist brav, weitgehend frei von Ideen, klebt am Text.

Keine Individuen

Regisseur Stefan Zimmerman belässt die Komödie in ihrer Entstehungszeit, Anfang der 1890er Jahre. Steven Koop hat dafür eine Bühne gebaut, die das ärmliche Zuhause der Familie Wolff schön zeigt. Ein Tisch, ein paar Hocker, ein Bullerofen, eine Waschschüssel, Handtücher an der Wand. Auf offener Bühne wird mit viel Aufwand zum Büro des Amtsvorstehers umgebaut, hinter seinem dominierenden Schreibtisch erscheint der Reichsadler.

In diesem Rahmen bewegen sich die Figuren. Sieht man von den Wolffen ab, keine Individuen, sondern Abziehbilder des Wilhelmismus: Der schwadronierende Amtsleiter (mit Strumpfhalter Oliver Severin), der so arrogant wie faul die Dinge möglichst ungestört vom Tisch haben will. Sein grenzdebiler Schreiber Glasenapp, den Gregor von Holdt dankbar und mit größtem Genuss auskostet. Der nervende Intellektuelle Dr. Fleischer, der einfältige Fischer, die Spießer, die Rechthaber.

Im Zentrum stehen natürlich Mutter Wolffen und ihr Mann Julius. Die bodenständige Waschfrau Wolffen, die "ehrbare Diebin", hält mit großer Energie die Familie zusammen. Die mit ihr nach Berlin, die Großstadt, immigrierte Schlesierin, kämpft um das Nötigste, stiehlt, wildert, schachert, trickst raffiniert.

Den Frust herausschreien

Die äußerst erfolgreiche TV- und Filmschauspielerin Diana Körner ("Das fliegende Klassenzimmer", "Liebling Kreuzberg") füllt das gut aus. Warum nur muss sie ständig schreien, muss sich ihre Stimme überschlagen, so dass man den durchaus gekonnt berlinernden Text oft nicht versteht? Ihr Mann Julius (Lutz Bembenneck), an dem die Zeit vorbei gegangen ist, fügt sich resignierend in sein Schicksal und schreit dann immer wieder einmal seinen Frust laut heraus.

Bei alle dem gehen die Hauptmannschen Pointen weitgehend verloren, geht die "Diebeskomödie" nicht wirklich auf. Dennoch im gut besuchten Gemeindehaus: viel Applaus und einige Bravos.

 
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