Die Geschichte von Dido & Aeneas ist vermeintlich schnell erzählt und doch so komplex, wie es nur ein antiker Stoff sein kann: Dido, Königin und Gründerin von Karthago, liebt Aeneas, einen trojanischen Prinzen. Dieser erwidert zwar Didos Zuneigung, muss jedoch einsehen, dass er gegen die Götter machtlos ist.
Jupiter selbst soll ihm nämlich aufgetragen haben, Karthago wieder zu verlassen, um in Italien ein neues Reich zu gründen. Aeneas fühlt sich dem Göttervater verpflichtet und macht sich auf die Reise. Dido verkraftet den Verlust ihres Geliebten nicht. Sie ergibt sich dem Schicksal und stirbt schließlich in unendlicher Trauer.
Der englische Komponist Henry Purcell (1659-1695) ist der Verfasser dieser leidenschaftlichen Barockoper in drei Akten, welche vermutlich 1689 erstmals aufgeführt wurde. Das Libretto (verfasst von Purcells Zeitgenossen Nahum Tate) basiert auf dem Epos „Aeneis“ des antiken römischen Dichters Vergil. Die 1984 in Berlin gegründete Lautten Compagney brachte Dido & Aeneas kürzlich ins Theater im Evangelischen Gemeindehaus in Schweinfurt.
Publikum von Beginn an verzaubert
Das Barockensemble verzaubert das Publikum von Beginn an mit seinem hervorragend eingespielten Orchester und den bestens aufgelegten Sängerinnen und Sängern. Der Chor, in seiner Funktion als Sprachrohr des bereits Gesagten, nimmt eine ganz besondere Stellung ein. Denn dieser ist nicht wie gewohnt von den Mitwirkenden auf der Bühne getrennt, sondern Teil des Geschehens. Die einzelnen Darsteller übernehmen – mit Ausnahme von Dido – die Funktion des Chores.
Prunkvoll und tief berührend ist die Musik dieser Oper. Auch wenn sie nur etwa eine Stunde dauert, so findet sich darin dennoch die Vielfalt menschlicher Gefühle, von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Und so endet Purcells Meisterwerk schließlich mit Didos Lamento „When I am laid in earth – Wenn ich in der Erde liege“. Sie scheidet aus dem Leben und der Chor hat das letzte Wort.
Time Travel: Zeitreise im zweiten Teil des Abends
Im zweiten Teil des Abends haben die Götter allerdings keinen Einfluss mehr auf die Protagonisten. Das Schicksal liegt einzig und allein in den Händen der Musikerinnen und Musiker, die nach einer kurzen Umbaupause auf den vorderen Teil der Bühne umgezogen sind. Die Zeitreise beginnt, prompt landen wir in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, als eine Band namens The Beatles ihre größten Erfolge feierte. Mehr als 300 Jahre sind vergangen, aber es scheint, als ob die Zeit in der Barockepoche stehengeblieben wäre.
„Time Travel“ heißt das Programm, das nun folgt. Die Lautten Compagney verbindet sehr gekonnt die Musik von Henry Purcell und den Beatles. Wer jedoch die Hits der Liverpooler zum Mitsingen erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein. Denn was es hier zu hören gibt, ist weitaus größer. Die Songs tragen allesamt ein barockes Gewand und sind ohne Gesang. Durch die historischen Instrumente und die Eigeninterpretationen entsteht ein Klangerlebnis der ganz besonderen Art.
Verstärkt wird das Orchester durch eine Musikerin am Saxophon. Das Instrument fügt sich wunderbar in die barocken Klänge ein, also ob es schon immer dazugehört hätte. Die Auswahl der Songs ist kein Zufall: Another girl, Because, Blackbird, Girl und Yesterday lassen sich wunderbar neu arrangieren. „Norwegian Wood“ verschmilzt regelrecht mit dem bekannten englischen Volkslied „Green Sleeves“, und als Zugabe gibt es dann noch einen Gassenhauer in Form von „I want to hold your hand“.
Bemerkenswert ist, dass die Musik der Beatles zu keinem Zeitpunkt die Oberhand gewinnt. Der Star des Abends ist und bleibt die Lautten Compagney mit ihren experimentellen und kreativen Kompositionen im Wechsel mit der Musik Henry Purcells.
Wolfgang Katschner, der musikalische Leiter, Gründer und Dirgent des Orchesters (er spielt übrigens die Laute) präsentiert Dido & Aeneas // Time Travel dieses Jahr noch einmal, am 9. Dezember im Schlosstheater in Fulda.