zurück
SCHWEINFURT
Abstiegsrisiken in der gesellschaftlichen Mitte nehmen zu
Christoph Deutschmann.
Foto: DGB | Christoph Deutschmann.
Martina Harasim
Martina Harasim
 |  aktualisiert: 28.10.2015 03:24 Uhr

Mit seinen Thesen zur Wirkungsweise des Wachstumszwangs im Kapitalismus regte Professor Christoph Deutschmann die Teilnehmer des DGB-Forum Unterfranken im Naturfreundehaus zum Nachdenken an.

Der Tübinger Soziologe präsentierte seine Gedanken zur Überwindung des Wachstumszwangs. Denn dieser ergäbe sich im Kapitalismus automatisch durch das Spannungsfeld zwischen Arm und Reich und die dadurch ausgelösten Auf- und Abstiegsprozesse in der gesellschaftlichen Mitte.

Aus dem Glauben es nach oben schaffen zu können, entstünden Innovationen, die in Produkte und Produktion umgesetzt eine wichtige Voraussetzung für Wachstum seien. Das gelte gleichermaßen für Selbstständige und Unternehmensgründer, wie für innovative Beschäftigte in den Unternehmen. Das Aufstiegsmotiv wirke somit als Motor für Erfindungen und Innovationen auf allen Ebenen des Wirtschaftssystems, heißt es in einer DGB-Pressemitteilung.

Zusätzliche Bedingungen für Wirtschaftswachstum seien die Entgrenzung der Märkte, Bevölkerungswachstum, guter Bildungsstand, eine funktionierende Infrastruktur sowie ein funktionierendes Rechtssystem, das Eigentums- und Freiheitsrechte gewährleistet, so Deutschmann. Nun erlebten die Industrieländer Europas und die USA eine nachhaltige Wachstumskrise. Obwohl einige Wachstumsvoraussetzungen wie ein guter Bildungsstand der Bevölkerung, funktionierende Infrastruktur und die Rechtsstaatlichkeit in den Industrieländern weiterhin gewährleistet seien, fehle das Wachstum. Das liegt laut Deutschmann an zweierlei. Erstens die absehbare Schrumpfung der Bevölkerung und zweitens an der zum Stillstand gekommenen Aufstiegsdynamik. Die Tendenz zur sozialen Polarisierung sei als internationales Phänomen enorm: „Während die Einkommen und Vermögen der reichsten Schichten, unterstützt durch Erbschaften, stark angewachsen sind, nehmen die Abstiegsrisiken in der gesellschaftlichen Mitte zu. Eine extreme Ungleichheit der Einkommen und Vermögen, wie wir sie auch in Deutschland beobachten, beeinträchtigt die Aufstiegschancen und wirkt sich auch negativ auf chancenmotivierte Unternehmensgründungen aus“, sagt Deutschmann.

Ursächlich für die Wachstumsschwäche seien die immer ungünstiger gewordenen sozialen Bedingungen für Unternehmensgründungen in den westlichen Ländern. So sei die Gründungsaktivität in Deutschland in den letzten Jahren rückläufig; der Saldo zwischen Gründungen und Liquidation sogar negativ. Für den Professor spricht vieles für eine langfristige Wachstumsschwäche, so die Pressemitteilung weiter. Mit dieser Analyse als Grundlage beschäftigte sich die Diskussion insbesondere mit den Vorschlägen von Deutschmann zur Umsteuerung der Wirtschaft hin zum Konzept des „Marktsozialismus“, als zukunftsweisende Idee. Weil der real existierende Kapitalismus dem Wachstumszwang durch den Gewinn- und Renditezwang ausgeliefert sei, brauche es ein Umdenken. Kern einer neuen Wirtschaftsordnung seien eigentumsrechtliche Veränderungen zur Überwindung der Trennung zwischen Arbeit und Kapital. Zur langfristigen, schrittweisen Umsetzung kämen die Mittel der Verstaatlichung zu groß gewordener Banken ebenso in Frage, wie die Entwicklung genossenschaftlichen Eigentums. Deutschmann fordert „geduldiges“, nicht an schneller und hoher Rendite orientiertes Kapital. Folglich müsse der reine Finanzanleger wie schon von John Maynard Keynes vor 80 Jahren gefordert den „sanften Tod“ sterben.

Begleitend müssten durch steuerliche Maßnahmen große Vermögen abgeschmolzen werden, um eine Schrumpfung des Finanzsektors hervorzurufen. Das alles bedeute nicht das Ende des Unternehmertums, das nicht nur im kommerziellen, sondern auch im sozialen und kommunalen Bereich mehr denn je gefragt sei.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Martina Harasim
Firmengründung
Gesellschaft und Bevölkerungsgruppen
John Maynard Keynes
Kapitalismus
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top