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Unterspiesheim
Abschluss in Sicht: Nahwärmenetz in Unterspiesheim kommt verspätet
80 Gebäude im Dorf sollen mit regenerativer Energie beheizt werden. Das Projekt erzeugte viel Euphorie, dann geriet es ins Stottern. Was am Gerücht vom Scheitern dran ist.
Sabine und Michael Bürger stehen in der Heizzentrale auf ihrem Anwesen in der Schafgasse in Unterspiesheim. Von dort aus werden sie künftig 80 Gebäude im Dorf mit regenerativ erzeugter Nahwärme versorgen. Diese entsteht in den drei Öfen hinter ihnen, die mit Hackschnitzeln befeuert werden.
Foto: Michael Mößlein | Sabine und Michael Bürger stehen in der Heizzentrale auf ihrem Anwesen in der Schafgasse in Unterspiesheim. Von dort aus werden sie künftig 80 Gebäude im Dorf mit regenerativ erzeugter Nahwärme versorgen.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 09.02.2024 06:39 Uhr

Die Euphorie, die das im Bau befindliche Nahwärmenetz in Unterspiesheim anfangs begleitet hat, ist bei vielen verflogen. Die Versorgung von rund 80 Anwesen mit Wärme aus einer mitten im Ort gelegenen Heizzentrale hat sich zum Geduldsspiel entwickelt, das an den Nerven aller Beteiligten zerrt. Dabei ist die Inbetriebnahme der Anlage in greifbare Nähe gerückt, versichert Michael Bürger, der das Projekt verantwortet und von diesem weiter zu 100 Prozent überzeugt ist.

In diesen schwarzen, isolierten Kunststoffrohren verlaufen unterirdisch die Wärmeleitungen zu den angeschlossenen Anwesen. Das Bild entstand in der Augasse.
Foto: Michael Mößlein | In diesen schwarzen, isolierten Kunststoffrohren verlaufen unterirdisch die Wärmeleitungen zu den angeschlossenen Anwesen. Das Bild entstand in der Augasse.

"Die Heizzentrale ist betriebsbereit", sagt der 37-Jährige, als er mit seiner Frau Sabine Bürger (34) die in einem früheren Stall untergebrachte Anlage zeigt. Familie Bürger wohnt auf dem gleichen Anwesen in der Schafgasse in Unterspiesheim, auf dem die Heizzentrale steht. Dort stehen drei Heizkessel, die mit Hackschnitzeln befeuert werden. Zusammen bringen es die Öfen auf eine Heizleistung von 0,75 Megawatt. Die Pufferspeicher gleich daneben fassen 30 000 Liter, weitere 20 000 Liter werden in den Wärmeleitungen zirkulieren – wenn diese fertig verlegt und in Betrieb sind.

Großteil der Übergabestationen fehlen noch

Das Wörtchen "wenn" verrät den aktuellen Knackpunkt: Die schwarzen Kunststoffrohre, in denen das Warmwasser zu den angeschlossenen Gebäuden fließen wird, sind zwar größtenteils verlegt, aber eben noch nicht komplett. Insgesamt rund 3800 Meter Rohrleitung sind es, sagt Bürger. Etwa 400 Meter fehlen noch. Doch das ist eines der kleineren Probleme, die Michael Bürger derzeit Kopfzerbrechen bereiten. Mehr Ärger machen ihm die Übergabestationen, die die Fernwärme aus seinen Leitungen an die Heizungsanlagen der angeschlossenen Häuser abgeben. Ein Großteil der Stationen sind noch immer nicht geliefert worden. Er vertraut auf Zusagen, wonach diese bis Mitte November dann da sein sollen. Dann könnte das Nahwärmenetz bis Jahresende vollständig in Betrieb gehen.

"Ich verlange von den Leuten nur Geduld – kein Risiko, keine Vorkasse."
Michael Bürger, Betreiber des Nahwärmenetzes

In den kommenden Tagen, sagt Bürger, möchte er die bereits verlegten Leitungen abdrücken, um zu prüfen, ob alle Verschlüsse dicht sind. Falls alles passt, könnten einige Teilabschnitte des Wärmenetzes zeitnah in Betrieb gehen. Technisch ist das kein Problem, da das Netz bereichsweise abgeschiebert werden kann.

Idee vom Nahwärmenetz fand gleich Unterstützer

Der Bau begann im August 2020. Eigentlich sollte die Nahwärme bereits vergangenen Winter zur Verfügung stehen. Dass das wohl etwas zu blauäugig war, gibt Bürger unumwunden zu. Vielleicht war er anfangs auch einfach zu sehr von seinem Konzept überzeugt, und hat gemeint, sämtliche Erwartungen seiner Kunden erfüllen zu müssen. Grundstein für seine Zuversicht war eine Infoveranstaltung im Dorf im Januar 2020. Da hatte er seine Pläne vorgestellt – und damit auf Anhieb eine Reihe von Unterspiesheimern überzeugt.

An Bürgers Ursprungskonzept hat sich bis heute nichts geändert. Es sieht vor, dass er das Nahwärmenetz aufbaut und betreibt. Den Brennstoff, die Hackschnitzel, bezieht er zum Teil über seine eigene Landschaftspflege-Firma; es ist das dort anfallende Abfallholz. Das restliche Holz holt er ebenfalls selbst. Die Kunden binden sich an ihn per Vertrag für 15 Jahre – ab Zeitpunkt der Inbetriebnahme. Bis dahin zahlen die Kunden noch keinen Cent. Bürger finanziert nicht nur das Netz, sondern auch die Übergabestationen in den Häusern. Die Kunden sorgen – und zahlen – für den Anschluss an ihr Hausnetz.

Verträge enthalten keine Terminvereinbarung

Einen Termin, ab wann das Wärmenetz läuft, steht in keinem Vertrag, sagt Bürger. "Ich verlange von den Leuten nur Geduld – kein Risiko, keine Vorkasse", sagt Bürger. Dies schützt ihn jetzt womöglich vor noch größerem Ärger. Denn so kann zumindest kein Wärmekunde einen Anspruch geltend machen wegen verspäteten Lieferbeginns. Im schlimmsten Fall, falls das Projekt gescheitert wäre, läge maximal ein ungenutztes Rohr im Garten der Kunden vergraben, sagt Bürger. Keiner von diesen hätte einen Schaden, nur er selbst.

Der Nahwärmeanbieter hat mit seiner eigenen Firma die Wärmeleitungen (schwarzes Rohr) bis zu den angeschlossenen Gebäuden verlegt und auch die Kernbohrung durch die Fundament-Mauern übernommen. Das dünne orange Rohr ist das Leerrohr für Glasfaser, das im Auftrag der ÜZ Mainfranken verlegt wurde.
Foto: Michael Mößlein | Der Nahwärmeanbieter hat mit seiner eigenen Firma die Wärmeleitungen (schwarzes Rohr) bis zu den angeschlossenen Gebäuden verlegt und auch die Kernbohrung durch die Fundament-Mauern übernommen.

Gründe, weshalb sich der Abschluss des Projekts um gut ein Jahr verzögert hat, gibt es laut dem Initiator etliche – und lägen nur zum Teil bei ihm. Er verlegt mit Hilfe seiner Mitarbeiter nur die Rohrleitungen und zieht diese per Kernbohrung bis in die Häuser. Die Tiefbauarbeiten und das Asphaltieren der wieder verschlossenen Gräben übernehmen Fachfirmen. Aufwendiger als gedacht habe sich beispielsweise das Verlegen der Leitungen im Bereich der Gehwege in der Oberen Siedlung herausgestellt, wo im Untergrund eine Menge Versorgungsleitungen zum Vorschein kamen, von denen niemand wusste. Weit ärgerlicher für Bürger waren beauftragte Firmen, die Verträge nicht erfüllt hätten. Lieferengpässe wegen der Corona-Pandemie trugen ebenfalls dazu bei, dass nicht alles lief wie geplant.

Zugesicherte Preise haben weiter Bestand

Die Gerüchteküche im Ort kennt Bürger selbstverständlich. Laut dieser sei sein Projekt bereits komplett gescheitert, Kunden seien abgesprungen und er selbst längst pleite. Dem widerspricht er entschieden: Fakt sei, dass ihm kein einziger Kunde den Rücken gekehrt habe, er mit den finanzierenden Banken im Reinen sei und dem Projekt auch nicht die Kosten davonliefen. Deshalb gelten auch weiterhin die anfangs zugesicherten Preise: 5,5 Cent pro Kilowattstunde Fernwärme für alle Kunden plus eine Grundgebühr, die je nach Gebäudetyp – Privathaus, Mietshaus, öffentliches Gebäude – variiert. Eine Preiserhöhung, so sehen es die Verträge vor, muss Bürger ein halbes Jahr vorher ankündigen, was laut diesem derzeit nicht geplant ist.

"Wir haben uns während der gesamten Bauzeit immer gekümmert, wenn es irgendwo Probleme gab."
Michael Bürger, Betreiber des Nahwärmenetzes

Der Kolitzheimer Bürgermeister Horst Herbert bezeichnet das Nahwärmenetz als eine "grundsätzlich super Sache". Die Nachfrage sei groß. Allerdings meint auch er, dass Bürger den Arbeitsaufwand zur Umsetzung zu Beginn unterschätzt habe. "Es gab massive zeitliche Verzögerungen", macht Herbert klar. Ein Grund hierfür sieht auch er darin, dass der Investor vielleicht auf zu viele individuelle Wünsche seiner Kunden eingegangen sei.

Mobiles Heizgerät am Feuerwehrhaus-Neubau

Da die Gemeinde das noch im Bau befindliche Feuerwehrhaus ebenfalls mit Nahwärme versorgen lassen möchte, ist diese selbst von den Verzögerungen betroffen. Weil im Neubau der Estrich trocknen muss, ist dort derzeit eine mobile Heizstation im Einsatz, die Bürger besorgt hat. Den Diesel für den Betrieb zahlt laut Bürgermeister die Gemeinde.

Das sich noch im Bau befindliche Feuerwehrhaus in Unterspiesheim wird ebenfalls an das Nahwärmenetz angeschlossen. Bis dieses in Betrieb geht, wird der Neubau zum Trocknen des Estrichs derzeit mit einem mobilen Heizgerät mit Wärme versorgt.
Foto: Michael Mößlein | Das sich noch im Bau befindliche Feuerwehrhaus in Unterspiesheim wird ebenfalls an das Nahwärmenetz angeschlossen.

Bürger versichert, dass trotz des nahenden Winters keiner seiner Kunden frieren muss. Denn einerseits hätten diese alle eine noch funktionierende Heizung im Haus. Andererseits sei er auch bereit, diejenigen, die vielleicht mit Blick auf die erwartete Nahwärme kein Heizöl mehr bestellt haben, selbst kurzfristig mit Öl zu versorgen. "Wir haben uns während der gesamten Bauzeit immer gekümmert, wenn es irgendwo Probleme gab", sagt Bürger.

Energieversorger nutzt die günstige Gelegenheit

Profitiert von dem Nahwärmeprojekt hat bereits die ÜZ Mainfranken. Der Energieversorger aus Lülsfeld hat das Angebot von Bürger genutzt, in die für die Wärmeleitungen gebaggerten Gräben auch Lehrrohre für Glasfaserkabel (Internet, Telefonie) zu verlegen. Zuerst hat die ÜZ laut Tobias Wörle, der das Projekt für die ÜZ mit geplant hat, die Rohre selbst verlegt, diese Aufgabe dann aber an Bürger übertragen. Das habe gut funktioniert und erspare es der ÜZ, zu einem späteren Zeitpunkt selbst nochmals den Boden aufzureißen, um Glasfaserkabel zu verlegen. Denn dass diese in den kommenden Jahren flächendeckend verlegt werden, sei wohl ausgemachte Sache, meint Wörle.

Beim Aufgraben der Gehwege kamen, wie hier in der Grettstadter Straße, eine Reihe von Versorgungsleitungen, etwa für Telefon und Strom, sowie Kanalleitungen zum Vorschein, von denen niemand mehr etwas wusste. Dies verzögerte und erschwerte das Verlegen der Wärmeleitungen zusätzlich.
Foto: Michael Mößlein | Beim Aufgraben der Gehwege kamen, wie hier in der Grettstadter Straße, eine Reihe von Versorgungsleitungen, etwa für Telefon und Strom, sowie Kanalleitungen zum Vorschein, von denen niemand mehr etwas wusste.

Die Nahwärmekunden von Bürger erhalten das Rohr für Glasfaser nach Angaben der ÜZ zusammen mit der Wärmeleitung gleich bis ins Haus gelegt. Anwohner entlang der Wärmeleitungstrasse konnten sich das Leerrohr ebenfalls bis ans Haus legen lassen – unabhängig von der Nahwärme. Wer dies nicht wünscht, der kann später eine Abzweigung vom Glasfaserstrang vorm Haus zu sich legen lassen, auf eigene Kosten. Der zeitliche Verzug des Vorhabens stellt für die ÜZ kein Problem dar, denn selbst wenn die Rohre verlegt sind, steht Glasfaser-Internet noch nicht gleich zur Verfügung, da das Dorf überhaupt noch nicht mit dem Glasfasernetz verbunden ist.

Nahwärmenetz  Unterspiesheim

Das Nahwärmenetz wird nach jüngsten Angaben des privaten Anbieters bis Ende des Jahres in Betrieb gehen, gut ein Jahr später als ursprünglich geplant. Mit rund 80 Kunden ist dessen Kapazität so gut wie ausgeschöpft. Falls sich vereinzelt noch jemand entlang der Wärmetrasse nachträglich anschließen lassen möchte, müsste er auch die Anschlusskosten tragen, sagt Betreiber Michael Bürger.
Die Wärmeleitungen ziehen sich von der Heizzentrale in der Schafgasse durch Teile der Oberen Siedlung (Augasse, Rosenstraße, Teile der Grettstadter Straße und des Wirtswegs, Frühling-, Goethe-, Schillerstraße und Kirchgasse). Zudem werden über die Hauptstraße Abschnitte der Cuspinianstraße und des Andreas-Seufert-Rings, des Riedwegs und des Unteren Rieds mit Wärme beliefert sowie das Sportheim, die Sporthalle und das neue Feuerwehrhaus. Wärme erhalten auch die Kirche sowie der alte und der künftige neue Kindergarten als weitere öffentliche Gebäude sowie ein Unternehmen. Die weiteren Anschlüsse liegen in privaten Anwesen, vom Einfamilien- bis zum 15-Parteien-Haus.
mim
 
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  • Braun_Matthias@hotmail.com
    Die Idee und die Umsetzung eines Nahwärmenetzes im ländlichen Raum ist sehr gut. Das ist eine echte Alternative zu Öl und Gas. Projekte dieser Art müssen zukünftig auch von Landkreis/Gemeinde initiiert ,finanziert, gefördert und umgesetzt werden, damit die Bürger in ländlichen Gemeinden verstärkt Nahwärmenetzte nutzen können. Das Ganze mit Glasfaserausbau zu verknüpfen ist ganzheitlich durchdacht und verdient Lob und Anerkennung. Bravo.
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