Im Gemeinschaftskraftwerk (GKS) am Hafenbecken wird ab Oktober und damit zum Beginn der Heizperiode Klärschlamm verbrannt. 9500 Tonnen des auf 90 Prozent ausgetrockneten Granulats, das in der Hand zerbröckelt und kaum noch riecht, sollen zehn Prozent des jährlichen Durchsatzes an Steinkohle (bislang 30 000 Tonnen Importkohle) ersetzen. Testläufe an vier Tagen im Juli verliefen erfolgreich.
Aufgestellt sind auf dem 18 500 Quadratmeter großen Grundstück des GKS zwei Silos für jeweils 300 Kubikmeter Klärschlamm. Angeliefert wird der getrocknete Klärschlamm mit Silofahrzeugen. Entladen wird durch ein Gebläse und über ein Rohrsystem. Gleiches gilt für den Transport aus den Silos zu den neuen Düsen an den Seitenwänden der Kohleroste, auf die der Klärschlamm geblasen wird, wo er bei 1300 bis 1400 Grad absolut keimfrei verbrennt. Durch das geschlossene System sei eine Staub- oder Geruchsbelästigung der Umgebung ausgeschlossen, versicherten beim Besuch der Redaktion GKS-Geschäftsführer Ragnar Warnecke und Organisationsleiter Dominik Reinig.
3000 Tonnen Kohle werden eingespart
Technisch möglich wäre auch ein Verbrennen des Klärschlamms auf den Rosten des Müllteils, die jedoch mehr als ausgelastet sind und 2019 mit 184 000 Tonnen Hausmüll die seit der Inbetriebnahme des Müllteils im Jahr 1994 zweitgrößte Jahresmenge schlucken mussten. Erreicht wurde dies durch eine enorm hohe Verfügbarkeit in der Müllverbrennung (94 Prozent).
Der Klärschlamm kommt ab Oktober von vier Gesellschaftern: die Stadt Aschaffenburg sowie die Landkreise Haßfurt, Rhön-Grabfeld und – voraussichtlich – Schweinfurt (dieser Vertrag ist noch nicht unterschrieben). Da der Kohleteil (Inbetriebnahme 1990) in der warmen Jahreszeit nicht läuft, wandert der Klärschlamm von Frühjahr bis Herbst in die Verbrennung eines Partnerunternehmens des Gemeinschaftskraftwerks, das die gleiche Menge im Winter diesem wieder abnimmt.
Für Warnecke ist der Einsatz des alternativen Brennstoffs vor allem wegen der Reduzierung der fossilen CO2-Emissionen aus der Kohle zukunftsweisend. Ansonsten sei die Anlage am Hafenbecken mit einer modernen und leistungsfähigen Rauchsgasreinigung (einen vergleichbaren Gewebefilter hätten nur wenige Verbrennungsanlagen) bestens auf die thermische Verwertung alternativer Brennstoffe eingestellt.
Ob sich der Anteil der Klärschlämme erhöhen und sich so mehr Kohle einsparen lässt, soll der großtechnische Betrieb ab Oktober zeigen. Zulässig ist ein Klärschlammanteil bei der vorhandenen Ausstattung von höchstens 25 Prozent, was laut Warnecke jedoch ohne Nachrüstung (eigener Brenner, Rauchgasreinigung) nicht zu erreichen sei. Bislang sei man auf einem "guten Weg" und trage dazu bei, dass etwa Antibiotika oder auch Mikroplastik im Klärschlamm nicht über die Düngung der Felder in die Nahrungskette oder ins Grundwaser wandern würden.
Masken und Taschentücher entsorgt
Neben der Klärschlammverwertung war für die 100 Mitarbeiter des GKS (etwa 50 Prozent in Teilzeit) die Corona-Pandemie in den vergangenen Monaten ein Schwerpunktthema. Kurzarbeit gab es nicht, sondern viel Arbeit, da nicht nur für das Personal Sicherheitskonzepte zu erstellen waren. Die 14 bayerischen Müllverbrennungen sind als systemrelevant eingestuft. Zu sichern war die Fernwärmeversorgung, die Müllverwertung und die Verfügbarkeit von Brennstoffen wie auch von Betriebsmitteln in Krisenzeiten. Auch galt es, Schutzmasken und Taschentücher (insbesondere aus Heimen und Krankenhäusern und nach Quarantäne) sicher (bei etwa 12 000 Grad in den zwei Öfen) zu entsorgen. Hochbelastetes Material landete nicht im GKS.
Deutlich mehr als die 184 000 Tonnen Hausmüll , die im vergangenen Jahr in Schweinfurt in die Müllverbrennung wanderten, wurden 2019 aus den Städten Aschaffenburg und Schweinfurt sowie aus den Landkreisen Main-Tauber, Rhön-Grabfeld, Schweinfurt, Haßberge, Main-Spessart, Miltenberg und Landkreis Aschaffenburg (alles Gesellschafter) angeliefert. Mehrfach war Hausmüll an andere Verbrennungsanlagen abzugeben. Eine Entlastung erhofft sich die Betriebsleitung durch eine höhere Recyclingquote bei den Gewerbeabfällen, die deutlich schlechter als beim Hausmüll ausfalle. Informiert sind darüber die Gesellschafter. Angefahren wurde das GKS 2019 von 13 000 Müllfahrzeugen (durchschnittliche Ladung 14 Tonnen).
Deutlich unter den Grenzwerten
Die Messungen am 97,5 Meter hohen Kamin ergaben laut Geschäftsbericht erneut "Minimalbelastungen", also Ergebnisse deutlich unter den Emissionsgrenzwerten. Bestätigt wird diese Aussage durch externe Prüfer, etwa im Rahmen des Umweltmanagementsystems EMAS. Zur erneuten Einstufung des Gemeinschaftskraftwerks als "nachhaltig" im Sinne von Ökologie, Ökonomie und Soziales trug auch die Erzeugung von Fernwärme (2019: 318 000 MWh) und Strom (12 000 MWh) bei.
Die nach der Verbrennung verbleibenden Reststoffe werden nahezu gänzlich wiederverwertet. Aus den jährlich 51 000 Tonnen Schlacke werden zwischen 3000 und 4000 Tonnen Metall aussortiert. Die verbleibenden 47 000 Tonnen Schlacke werden auf der Deponie in Wirmsthal verbaut. Aktuell läuft in Zusammenarbeit mit dem GKS ein Forschungsprojekt mit dem Ziel, Mineralien aus der Schlacke für die Baustoffindustrie (Zementwerke) zu gewinnen. Anvisiert es damit eine Reduzierung der Reststoffe um bis zu 40 Prozent.
Ich glaube eher, dass die tatsächlichen Temperaturen um den Faktor 10 niedriger sind.